Jean-Jacques Morard, CEO von de Rham: «Die Immobilienstrategie der institutionellen Anleger macht mir Sorgen»

08/04/2022

Immoday

Olivier Toublan

3 Min

 

Mit seinen antizyklischen Massnahmen hat sich der Bundesrat sehr besorgt über die Überschuldung privater Immobilienanleger gezeigt. Aber was ist mit den institutionellen Anlegern, die viel grössere Risiken eingehen, gegen die es kaum Absicherungen gibt? Immerhin steht das Geld für unsere Renten auf dem Spiel.

 

Ende Januar kam die Nachricht: «Der Bundesrat und die Schweizerische Nationalbank haben beschlossen, den antizyklischen Kapitalpuffer zu reaktivieren und zu erhöhen, um die ‚wachsenden‘ Risiken auf dem Hypothekar- und Immobilienmarkt zu begrenzen.» Banken werden zusätzliches Kapital aufnehmen und Privatanleger strengere Vorschriften erfüllen müssen, um einen Hypothekarkredit zu erhalten. «Dies ist eine gute Entscheidung», sagt Jean-Jacques Morard, «aber ich bin mir nicht sicher, ob sie die wirklich grossen Probleme des Schweizer Immobilienmarktes löst. Denn das Risiko auf diesem Markt geht heute nicht von Privatpersonen, sondern von institutionellen Anlegern aus. Und hier gibt es weder eine Regulierung noch antizyklische Massnahmen oder eine Kontrolle ihrer Strategie.»

 

Jean-Jacques Morard ist kein Ökonom und auch kein Investor, aber als CEO der Immobilienagentur de Rham ist er seit nunmehr 38 Jahren als Experte auf dem Immobilienmarkt tätig. In der Tat liegt die wirtschaftliche Verantwortung für die Verwaltung des Immobilienbestandes bei den Verwaltern, so wie deren Arbeit auch den Immobilienertrag gewährleistet.

 

Institutionelle Anleger gehen höhere Risiken ein als private Anleger  
 

Angesichts dieser Erfahrungen stellt sich Jean-Jacques Morard die Frage, ob die Situation heute eine andere ist als vor fünfzehn Jahren, bevor die Zinsen zurückgingen und als private Anleger reguliert werden mussten, weil sie manchmal grosse Risiken auf dem Immobilienmarkt eingingen.

 

Private Anleger haben aus Angst vor einem Wirtschaftsabschwung und steigenden Zinsen ihre Abenteuerlust verloren, während institutionelle Anleger, die früher vielleicht übertrieben vorsichtig waren, heute immer höhere Preise für Immobilien zahlen, die immer weniger Rendite versprechen: Wir sprechen inzwischen von 2 % Bruttorendite für die besten Lagen im Zentrum von Zürich oder Genf, also von Zinssätzen, die noch vor zehn Jahren kein institutioneller Anleger auch nur in Betracht gezogen hätte.

 

«Bevor die SNB die Zinsen senkte», erinnert sich Jean-Jacques Morard, «und als die Hypothekarzinsen noch bei 3 bis 6 % lagen, kauften institutionelle Anleger Gewerbeimmobilien mit einem Kapitalisierungssatz von 6 bis 7 % und Wohnimmobilien mit einem Satz von 4 bis 6 %. Als die Objekte riskanter und die Renditen niedriger waren, hielten sich die institutionellen Anleger bedeckt, und diese Gebäude wurden von Privatpersonen gekauft. Inzwischen hat sich die Situation komplett umgekehrt.»
 

 

Es geht um die Zukunft unserer Renten 
 

«Es ist ganz einfach», erklärt Jean-Jacques Morard, «derzeit können grosse private Anleger nicht mehr mit den aggressiven Angeboten der institutionellen Anleger mithalten und scheuen vor den wirklich niedrigen Renditen zurück, die die institutionellen Anleger mittlerweile ohne Weiteres akzeptieren. Sie haben so viel Kapital, das sie investieren müssen! Und das macht mir Sorgen.»

 

Doch niemand scheint die derzeitige Strategie der institutionellen Anleger zu hinterfragen. «Für die privaten Anleger gibt es die antizyklischen Massnahmen des Bundesrates, für die institutionellen gibt es: nichts. Ich persönlich bin gegen eine Regulierung, doch in diesem Fall denke ich, wenn es sich bei den institutionellen Anlegern um eine Pensionskasse oder eine Versicherung handelt, dann geht es letztlich doch um unsere Renten! Ich verstehe ja, dass in der aktuellen Situation mit Negativzinsen und Anleihen, die nichts mehr abwerfen, Immobilienanlagen die sichersten und rentabelsten Investitionen sind, aber ich frage mich wirklich, wie bei so niedrigen Renditen unsere Pensionen langfristig finanziert und Renten gezahlt werden können.»

 

Ein unlösbares Problem? 
 

Das Problem wurde erkannt – jetzt müssen Lösungen gefunden werden. Jedoch ist bei der derzeitigen Wirtschaftslage nicht sicher, ob es diese Lösungen überhaupt gibt. Was kann man also tun? Sollte man Pensionskassen und Versicherungen daran hindern, in Immobilien zu investieren, wenn diese kein bestimmtes Renditeniveau erreichen, z. B. vernünftige 3,5 %? «Auf diese Weise könnte man zwar Preisobergrenzen für die Immobilieninvestitionen institutioneller Anleger festlegen, aber das würde auch den freien Wettbewerb verzerren», räumt Jean-Jacques Morard ein.

 

Oder sollte man die institutionellen Anleger zwingen, in Randgebiete zu investieren, wo die Renditen noch hoch genug sind? Dabei wird aber übersehen, dass die Renditen dort besser sind, weil die Risiken höher sind. Das zeigt sich deutlich bei Immobilien, die zur Miete angeboten werden. In den grossen Zentren gehen solche Objekte schnell weg. Aber in den Randgebieten dauert es immer seine Zeit. Und bei einem Wiederverkauf sind die Kapitalgewinne in den Zentren deutlich höher als in den Randbezirken.»

 

Die Lage wird sich weiter verschlechtern 
 

Der Bundesrat könnte auch die zum Schutz der Mieter eingeführten Gesetze lockern, was Eigentümern ermöglichen würde, die Mieten und damit auch die Rentabilität zu erhöhen. «Das wäre zwar eine gute Lösung, aber das Thema ist in politischer Hinsicht zu brisant. Eine Lockerung dieser Gesetze ist also sehr unwahrscheinlich.»

 

Sollten wir demnach den Markt einfach sich selbst korrigieren lassen, wenn die Zinsen wieder steigen? Und zum Beispiel die Reserven der Nationalbank nutzen, um unsere Renten zu retten, wenn der Immobilienmarkt zusammenbricht? «Auch diese Lösung wäre nicht zufriedenstellend, denn dies würde die Investoren dazu verleiten, hohe Risiken einzugehen», erläutert Jean-Jacques Morard.

 

«Ich bin hin und her gerissen», bekennt der CEO der Immobilienagentur de Rham. «Ich bin entschieden gegen diese Regulierung, ich weiss, dass es keine einfache Lösung gibt, aber ich bin auch fest davon überzeugt, dass sich die Lage verschlechtern wird, solange es keine Regulierung gibt: wegen der institutionellen Anleger, die ständig neues Kapital zu investieren haben, sodass die Immobilienpreise weiter steigen und die Renditen noch weiter sinken werden. Mein einziger Hoffnungsschimmer ist, dass wir in einem Land mit einer starken und stabilen Wirtschaft leben und dass wir bei einer Anlageklasse bleiben, die langfristig an Wert gewinnt. Vielleicht reicht das aus, um die Lage zu retten.»
 

Olivier Toublan für Immoday


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