Anlagestiftungen sind stark in Immobilien investiert

27/04/2021

Markus Röthlisberger

Immoday

4 min

Immoday kontaktierte Anfang April Dr. Roland Kriemler, der als Geschäftsführer der KGAST (Konferenz der Geschäftsführer von Anlagestiftungen) amtet. Zusammen mit Ingo Bofinger – er ist Leiter der KGAST-Fachgruppe «Immobilien» und Geschäftsführer der AFIAA Anlagestiftung für Immobilienanlagen im Ausland – erörtern sie im Gespräch, wie sich die Anlagestiftungen aktuell zur Immobilien-Thematik stellen und welche Bedeutung die Anlagekategorie dort einnimmt.

 

Die KGAST erbringt ihren Mitgliedern verschiedene Dienstleistungen. Welche Aufgaben hat die Organisation konkret?

Kriemler: Die KGAST ist der Verband von knapp 40 Anlagestiftungen – kurz: AST –, welche Investments für Vorsorgeeinrichtungen verwalten. Der Verband vertritt die Interessen der Mitglieder und stellt sicher, dass diese bei den Behörden und bei den Politikern auch Gehör finden. Wir beschäftigen uns mit der für AST wichtigen Regulatorien und versuchen optimale Rahmenbedingungen für sie zu schaffen. Wir erbringen darüber hinaus auch andere Dienstleistungen wie Performance-Vergleiche, die Berechnung und Publikation unserer KGAST-Indexfamilie sowie weitere Publikationen über AST.

 

Ihre Mitglieder sind Anlagestiftungen, die von den jeweiligen Geschäftsführern vertreten werden. Welche Bedeutung haben Immobilien in deren Portfolios?

Bofinger: Unsere Mitglieder verwalten rund 150 Mrd. CHF Vorsorgegelder. Mehr als ein Drittel davon sind in Immobilien investiert, hauptsächlich in der Schweiz. Ein immer grösser werdender Anteil sind auch Investitionen in Auslandimmobilien. Einige Mitglieder verwalten ausschliesslich Immobilien – nämlich die Immobilien-Anlagestiftungen. Andere Mitglieder führen eine sehr breite Produktpalette, bei denen Immobilien eine von mehreren Anlage­kategorien sind. Und dann gibt es Anlagestiftungen, die keine Immobilienanlagen anbieten. Sie konzentrieren sich etwa auf Mischvermögen, klassische Wertschriften oder Nicht-traditionelle Anlagen.

 

Die KGAST und ihre Mitglieder postulieren hohe Transparenz, tiefe Kosten und die Einhaltung hoher Standards. Wie profitieren davon auch die Versicherten einer Vorsorgeeinrichtung?

Kriemler: Einerseits profitieren alle Versicherten, deren Pensionskasse in Anlagestiftungs-Produkte investiert, indirekt von den Vorteilen der AST. Anderseits können sie über 1e-Stiftungen sowie privat investieren, allerdings nur für die gebundene Vorsorge und Frei­zügigkeitsgelder über 3a- und Freizügigkeits-Stiftungen. Oft sind sich die Versicherten gar nicht bewusst, dass sie Gelder bei einer Anlagestiftung angelegt haben, da als Gegenpartei die 3a- und Freizügigkeit-Stiftungen erscheinen, welche dann in Produkte der AST investieren. In Zukunft wird es auch vermehrt die Möglichkeit geben, über 1e-Stiftungen von den Vorteilen der AST zu profitieren.

 

Das wohl bekannteste Produkt der KGAST ist der Immobilienindex und seine Subindizes. Wer nutzt diese Indizes wofür?

Kriemler: Unser Index ermöglicht den Pensionskassen, die Rendite ihrer eigenen Immobilien­anlagen – insbesondere ihrer Direktanlagen – einem Marktvergleich zu unterziehen. Zudem erlaubt der Index einen verbesserten Vergleich von Immobilienanlagen mit anderen Anlage­segmenten. Dank der 2017 lancierten Subindizes «Wohnen», «Geschäft» und «Gemischt» können Pensionskassen die Performance ihrer Immobilienanlagen noch differenzierter vergleichen.

Wie unterscheidet sich dieser Index von anderen Immobilienindizes im Markt?

Bofinger: Unser Index umfasst ausschliesslich Immobilienanlagegruppen von Anlagestiftun­gen, die der KGAST angeschlossenen sind. Sie sind nicht kotiert und ihr Preis richtet sich nach dem Nettoinventarwert. Mit anderen Worten: Bei Immobilienanlagegruppen gibt es keine Agios oder Disagios und keine Börsenkurse, die den Preis stark beeinflussen können. Unsere Anlagegruppen weisen den inneren Wert des Portfolios aus. Deshalb ist der Index weniger volatil.

Der Index zeigt eine kontinuierliche Aufwärtsbewegung der Preise. Wird es so weitergehen?

Bofinger: Wenn der Markt dreht, werden auch wir dies zu spüren bekommen – allerdings weniger stark als andere Anlagegefässe. Verglichen mit kotierten Immobilien-Beteiligungs­gesellschaften oder Immobilienfonds werden wir kleinere Marktschwankungen haben. Dies nicht zuletzt aufgrund der langfristigen Anlagehorizonte. Dies zeigt die kontinuierliche Entwicklung unserer Indexfamilie; sie ist deutlich weniger volatil.

 

Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf den Schweizer Immobilienmarkt?

Bofinger: Die einzelnen Sektoren sind unterschiedlich stark betroffen. Die Entwicklungen an den Immobilienmärkten müssen deshalb differenziert betrachtet werden. Negativ betroffen sind insbesondere Verkaufs- und Gewerbeflächen, die beispielsweise von Unternehmen aus den Sektoren Retail, Non-Food oder Beauty genutzt werden. Gleichzeitig hat das Wohn­segment profitiert, weil das Angebot weiterhin knapp ist, sich die wirtschaftlichen Schwierig­keiten auf dem Arbeitsmarkt bislang noch kaum bemerkbar gemacht haben und die Nettozu­wanderung weiterhin konstant positiv ist.

 

Was bedeutet es für Immobilieneigentümer, wenn auch zukünftig vermehrt im Homeoffice gearbeitet wird?

Bofinger: Unternehmen werden künftig genauer überlegen, an welchen Standorten sie welche Büroflächen anmieten. Wir beobachten, dass sich Unternehmen auf zentrale Standorte mit guter Anbindung an den öffentlichen Verkehr konzentrieren. Und sie legen Wert auf eine hohe Qualität der Büroräumlichkeiten und auf flexible Nutzungsmöglichkeiten. Somit kann die Frage, ob weniger oder sogar mehr Bürofläche benötigt wird, noch nicht abschliessend beurteilt werden. Daher sind Immobilieneigentümer gut beraten, sich im Portfolio sowie bezüglich einzelner Liegenschaften einen breiten Branchenmix zu erarbeiten.

 

Die Rede von der Immobilienblase will nicht verstummen, vor allem die Nationalbank warnt regelmässig. Gibt es diese Blase; wenn ja, wo?

Kriemler: Obwohl in den letzten Monaten weniger von Immobilienblasen auf dem Schweizer Markt gesprochen wurde, wird die Frage dazu regelmässig wieder aufgeworfen. Es ist richtig, dass man sich dazu Gedanken macht und Vorkehrungen trifft. Aber den ganzen Schweizer Immobilienmarkt als «Blase» zu bezeichnen, ist zu kurz gedacht. Meines Erachtens warnt die schweizerische Nationalbank vor allem davor, dass sich Private aufgrund der tiefen Zinsen übermässig verschulden und bei einem Zinsanstieg ihr Wohneigentum verlieren. Natürlich wird der Zinsanstieg bei den Immobilienanlagegruppen auch Wirkung zeigen. Doch ist keine AST so hoch verschuldet, dass sie deswegen Immobilien verkaufen müsste. Immobilienanlage­gruppen haben eine maximale Verschuldung von 33%, Private bis zu 80%.

 

Einer der Treiber der Immobilienpreise sind Anlagestiftungen selbst, die unter hohem Anlagedruck stehen. Oft werden deshalb zu hohe Preise für Immobilienprojekte bezahlt. Wie gehen Anlagestiftungen damit um?

Bofinger: Anlagestiftungen müssen eine marktgerechte Rendite erzielen, weshalb Immobilien von uns nicht überzahlt werden. Damit wir nicht gezwungen werden, Kundengelder in überteuerte Liegenschaften zu investieren oder auf dem Konto bei Negativzinsen zu belassen, sind die meisten Produkte für Zeichnungen geschlossen. Erst wenn sich Opportunitäten zu fairen Preisen bieten, werden Kundengelder abgerufen. Eine andere Möglichkeit, sich dem Preistreiben zu entziehen, besteht darin, in spezielle Immobiliensegmente wie Gesundheit, nachhaltige Immobilien oder auch in Grossprojekte mit eingeschränktem Käuferkreis zu investieren.
 

Ingo Bofinger
Leiter Fachgruppe Immobilien KGAST
Geschäftsführer der AFIAA Anlagestiftung für Immobilienanlagen im Ausland

 
Dr. iur. Roland Kriemler
Geschäftsführer KGAST
 


Markus Röthlisberger für Immoday