Die Gesetzeslage entwickelt sich zugunsten der Immobilienfonds

16/09/2021

Olivier Toublan

COPTIS

4 min

Die jüngsten Entscheidungen der Kantonsgerichte zur Handänderungssteuer fallen eher zugunsten der Immobilienfonds aus. Aber wenn sich die Rechtsprechung schnell ändert, tun es die Vorschriften auch. Zum Beispiel bei den neuen Liquiditätsanforderungen der FINMA, die bis Ende Dezember umgesetzt werden sollen. COPTIS fasst die Lage zusammen.


Für Immobilienfonds ist es nicht immer einfach, mit den Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen Schritt zu halten, seien es neue FINMA-Richtlinien, die kantonale Rechtsprechung oder Entscheide der Steuerbehörden. Deshalb sind Organisationen wie COPTIS so wichtig, denn sie informieren Fondsverwalter über die neuesten Entscheidungen der Aufsichtsbehörden und Gerichte sowie über die voraussichtliche Entwicklung der Gesetzgebung. Zwei konkrete Beispiele sind die neuen Anforderungen an die Analyse des Liquiditätsrisikos und die jüngste Rechtsprechung zur Handänderungssteuer bei einem Wechsel der Fondsleitung. Wir erörtern die Frage mit Andreea Stefanescu, Direktorin von COPTIS.
 

Frau Stefanescu, wie sehen die neuesten Anforderungen der FINMA zum Liquiditätsrisiko aus?


Vereinfacht gesagt, müssen die Immobilienanlagefonds ihr Liquiditätsrisiko messen, steuern und es auf Anforderung den Aufsichtsbehörden offenlegen, die zum Schutz des Anlegers immer mehr Transparenz fordern, denn dieser muss wissen, was er kauft.

 

Was heisst Liquiditätsrisiko in Bezug auf einen Immobilienanlagefonds?


Es ist ganz einfach das Risiko für einen Fonds, seine finanziellen Verpflichtungen nicht erfüllen zu können. Verfügt er über die nötigen Mittel, um umfangreichere Rücknahmen von Anteilen vorzunehmen, weil ein Anleger seine Anlagen abstossen möchte? Oder für grössere vertragliche Verpflichtungen, wie zum Beispiel zur Finanzierung eines Bauprojekts?
 

Bis wann müssen die Fonds diese Analyse ihres Liquiditätsrisikos vorgenommen haben?


Bis Ende 2021. Also in wenigen Monaten. Die Zeit wird knapp, denn die FINMA verlangt eine echte Analyse, einerseits im Hinblick auf die aktuelle Situation, andererseits im Hinblick auf ein Krisenszenario. Es müssen alle Liquiditätsrisiken für die Vermögenswerte des Fonds ermittelt werden, und es muss dargestellt werden, welche Massnahmen die Verwalter in einer schwierigen Situation ergreifen können. Diese Analyse kann also nicht in ein paar Stunden erstellt werden, zumal die Fondsleitung mit einbezogen werden muss.
 

Kann COPTIS die Fondsleitungen dabei unterstützen?


Wir haben mehrere Gesprächsrunden zu diesem Thema organisiert, unter anderem einen Runden Tisch im Anschluss an die Hauptversammlung des Verbandes im Mai dieses Jahres – die FINMA spricht übrigens seit mehr als drei Jahren über diese neuen Anforderungen –, und wir können Fondsverwaltern den Kontakt zu Spezialisten vermitteln, die ihnen helfen können.

 

Ein Immobilienportfolio ist per se nicht besonders liquide. Wie kann das Liquiditätsrisiko verringert werden?


Bedenken Sie, dass die FINMA derzeit nicht vorschreibt, dass das Portfolio liquide ist. Sie verlangt ausschliesslich, dass das Liquiditätsrisiko bekannt ist, damit die Anleger in voller Kenntnis der Sachlage Anteile kaufen können. In Bezug auf die Liquidität eines Immobilienportfolios kann man dann mit einer Verschuldungsmarge jonglieren, im Bedarfsfall eine Kapitalerhöhung durchführen oder sogar bestimmte Gebäude verkaufen.
 

Ein weiteres aktuelles Thema, das COPTIS im Blick hat, ist die steuerliche Regulierung von Immobilienfonds, insbesondere die Handänderungssteuer. Auch hier gab es in jüngster Zeit Veränderungen.


Hier muss man beachten, dass eine Handänderungssteuer zu hohen Kosten für einen Anlagefonds führen kann, und zwar nicht nur beim Verkauf oder beim Erwerb von Immobilien, sondern auch bei einem einfachen Wechsel der Fondsleitung, der mitunter noch als Eigentümerwechsel betrachtet wird und daher der Handänderungssteuer unterliegt. Und da hier kantonales Recht gilt, gibt es potenziell so viele verschiedene Situationen wie Kantone.
 

Wenn doch aber nur die Fondsleitung wechselt und nicht die Anteilseigner, gibt es keine wirkliche Änderung der Eigentumsverhältnisse. Es sollte also keine Handänderungssteuer anfallen, oder?


Es ist etwas komplizierter. Handelt es sich bei der Rechtsform des Fonds um eine SICAV, ist diese Eigentümerin der Gebäude und es fällt keine Handänderungssteuer an, wenn die Leitung der SICAV wechselt. Im Gegensatz dazu ist bei einem klassischen Immobilienfonds, der als vertraglicher Investmentfonds aufgelegt ist, die Fondsleitung die rechtliche Eigentümerin aller Immobilien. Bei einem Wechsel der Geschäftsführung findet dann rechtlich gesehen auch ein Wechsel des Eigentümers statt, und daher ist eine Handänderungssteuer möglich. Die mitunter extrem hoch sein kann – in einem Kanton wie Genf beträgt sie 3 % des Gebäudewerts.
 

Was jegliche Änderung in der Fondsleitung verhindert.


Dies stellt in der Tat ein Wettbewerbshindernis dar, denn für einen Fonds ist es unter diesen Umständen schwierig, die Leitung zu wechseln. Das wiederum führt zu einem finanziellen Vorteil für die Verantwortlichen, was manchmal der Qualität der Leitung abträglich ist. Glücklicherweise ändert sich die Rechtsprechung, und die meisten Kantone erheben bei einem Wechsel der Geschäftsleitung inzwischen keine Handänderungssteuer mehr. Aber dafür mussten wir hart kämpfen. Und wir haben noch nicht die ganze Schlacht gewonnen.
 

Aber es geht in die richtige Richtung.


Ja, zumal die letzten zögerlichen Kantone wie Genf gerade ihre Rechtsprechung geändert haben. In einem kürzlich ergangenen Urteil vertrat das Genfer Verwaltungsgericht die Auffassung, dass bei einem Wechsel der Fondsleitung keine Handänderungssteuer zu erheben ist. Das ist eine sehr gute Nachricht. Es zeigt auch, dass sich die Rechtsprechung weiterentwickelt, denn eine solche Entscheidung wäre vor fünf Jahren fast undenkbar gewesen.
 

Kann COPTIS​​​​​​​ bei dieser Problematik seinen Mitgliedern helfen?


Zum einen setzen wir uns seit Jahren bei den kantonalen Behörden für eine Änderung der Gesetze ein. Dann haben wir Runde Tische abgehalten, bei denen die kantonalen Steuerbehörden anwesend waren, denen unsere Mitglieder Fragen stellen und ihre Probleme schildern konnten. Es ist immer gut, miteinander zu reden, Erfahrungen auszutauschen, die Beweggründe der anderen Seite zu verstehen. Deshalb schafft COPTIS Raum für Diskussionen, denn sie sind ein wesentlicher Teil unserer Aufgabe.
 

Andreea Stefanescu, Direktorin von COPTIS

 
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Interview von Olivier Toublan