Ein Drittel der Immobilienfonds hat nun ein Disagio

11/08/2022

Immoday

Olivier Toublan

5 Min

Bei steigenden Zinsen und fallenden Aktienmärkten waren die letzten sechs Monate für Immobilienfonds kein Zuckerschlecken. Doch die Renditen steigen endlich wieder. Fazit zum Ende des ersten Halbjahres 2022.

 

Nach den Jahren der Euphorie zieht sich der Himmel über den Schweizer Immobilienfonds langsam zu: Die Zinssätze steigen, die Agios und die Börsenkurse sinken und die Anleger werden zurückhaltender. Glücklicherweise steigen die Renditen endlich wieder. Die jüngste Publikation der Credit Suisse zu den Kennzahlen der Immobilienfonds ermöglicht eine Bilanz zum Ende des ersten Halbjahres 2022.

 

Ein Rückgang von durchschnittlich 15 % an der Börse

Zuerst einmal die Börse. Mit Immobilienfonds, die dem allgemeinen Abwärtstrend folgen, und zwar im Durchschnitt um etwa 15 % zwischen Anfang 2022 und dem 30. Juni. Wobei dies alle Fonds betrifft und keiner im ersten Halbjahr eine positive Wertentwicklung vorweisen kann. Doch sind die Unterschiede recht gross. Während der am wenigsten betroffene Fonds, Helvetica Swiss Commercial, seit Jahresbeginn einen Verlust von nur 4,4 % verzeichnet, mussten mehrere Fonds, darunter UBS Direct Urban (-20,8 %) oder SwissInvest Real (-20,5 %), grössere Verluste von über 20 % hinnehmen. Selbst Fonds wie Solvalor 61 oder La Foncière, die für ihre Stabilität bekannt sind, verzeichnen zwischen dem 1. Januar und dem 30. Juni 2022 einen Rückgang von fast 20 %. Dies veranlasst einige Experten zu der Aussage, dass die Märkte in den letzten Jahren auf den Anstieg überreagiert haben, während sie jetzt auf den Sturz überreagieren.

 

Agios liegen unter ihrem langfristigen Durchschnitt

Als direkte Folge der sinkenden Börsenkurse befinden sich auch die Agios im freien Fall. Während ihr Durchschnittsniveau im Jahr 2021 mit 48 % einen nie dagewesenen Höchststand erreicht hatte und am 1. Januar 2022 noch 42 % betrug, ist es inzwischen auf 17,3 % gesunken. Die Agios liegen also etwas unter dem Durchschnitt, den die Credit Suisse für die letzten 30 Jahre errechnet hat.

Gleichzeitig deckt die Credit Suisse eine interessante Korrelation zwischen den Agios und den Disagios Schweizer Immobilienfonds und den langfristigen Zinssätzen auf. Es zeigt sich nämlich, dass das aktuelle Niveau der Agios bei den Zinssätzen des Bundes für zehn Jahre von etwa 1 % am 30. Juni wirklich am unteren Ende der Spanne liegt. Was darauf schliessen lässt, dass die Anleger längerfristig mit 10-jährigen Zinssätzen um 2,5 % rechnen.

 

Ein Drittel der Immobilienfonds mit einem Disagio

Paradoxerweise scheint der Rückgang der Agios viele Immobilienfondsmanager eher zu beruhigen. Sie halten die Situation inzwischen für gesünder und bewerten das Niveau der Agios in den letzten zwei Jahren als viel zu hoch.

Doch ist die Situation nicht unbedingt für alle börsenkotierten Immobilienfonds dieselbe. Ein knappes Drittel der Fonds weist nun ein Disagio auf, während es zu Beginn des Jahres nur zwei waren. Das zeugt seitens der Anleger nicht gerade von Vertrauen. Fünf Fonds weisen sogar ein Disagio von 10 % oder mehr auf: Swisscanto Commercial, CS Ref Interswiss, Suisse Romande Property Fund, SF Commercial Properties und CS Ref International. Letzterer hat ein Disagio von 20 %!

Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Mehrheit der Fonds mit einem Disagio im Gewerbesektor tätig ist, der bei den Anlegern nach wie vor weniger beliebt ist als Wohnimmobilien.

Der Rückgang der Agios wirkt sich auf alle Investmentfonds aus, manchmal sogar extrem. Selbst die begehrtesten Fonds bleiben von der Korrektur nicht verschont. Zwei Beispiele: Anfang des Jahres betrug das Agio von Immofonds über 70 %, heute sind es nur noch etwa 40 %. Der Rückgang ist bei dem sehr angesehenen Fonds La Foncière noch stärker. Auch dieser konnte zu Beginn des Jahres ein Agio von fast 70 % vorweisen, welches mittlerweile aber bei 30 % liegt.

 

Die Renditen steigen wieder

Die gute Nachricht ist, dass wegen des Kursrückgangs und der sinkenden Agios die Ausschüttungsrenditen wieder an Fahrt nach oben gewinnen. Nachdem sie sich 2021 einem historischen Tiefstand – der 2‑%-Marke – genähert hatten, sind die durchschnittlichen Renditen inzwischen wieder auf 2,7 % gestiegen.

Auch hier sind die Unterschiede zwischen den Fonds gross, wobei einige eine Ausschüttungsrendite von fast oder über 5 % bieten (SF Commercial Properties, Helvetica Swiss Commercial), während andere noch unter 2 % liegen (Swiss Central City, La Foncière, CS Ref Green Property).

 

Der Renditespread geht zurück

Schliesslich verringert sich der Spread zwischen den Ausschüttungsrenditen von Fonds und der Rendite 10-jähriger Bundesanleihen. Lag er zwischen 2015 und 2020 bei rund 3 % und manchmal sogar darüber, ging er mit dem stetigen Abfall der Renditen der Immobilienfonds zurück. Mit rund 2,5 % war er jedoch immer noch gross genug, um Investoren anzuziehen. Im Zuge des plötzlichen Anstiegs der Zinssätze sank der Spread nun jedoch auf etwa 1,5 %. Da die Zinsen in den nächsten Monaten voraussichtlich weiter steigen werden, dürfte sich der Spread noch weiter verringern. Die Frage ist nun, ob die institutionellen Anleger weiterhin so stark auf Immobilien setzen oder sich erneut den Anleihen zuwenden werden, die wieder positive Renditen bieten und mit den nächsten Zinserhöhungen noch weiter steigen dürften.

Ein Spread von etwa 1 % zwischen den Ausschüttungsrenditen von Immobilienfonds und den Renditen 10-jähriger Bundesanleihen wäre jedoch nichts Aussergewöhnliches. Damit würden wir nämlich zum historischen Durchschnitt zurückkehren, der vor der Finanzkrise von 2008 und dem plötzlichen Rückgang der Zinssätze die Regel war. Zur Erinnerung: Zwischen 1998 und 2008 lagen die Zinssätze für 10-jährige Bundesanleihen im Durchschnitt bei 3 %, die Rendite von Immobilienfonds bei knapp 4 % und die Agios zwischen 10 % und 15 %.



Olivier Toublan, Immoday