Schweizer Immobilienmarkt: An den neuen EU-Vorschriften zur Nachhaltigkeit führt kein Weg vorbei 

16/05/2022

Immoday

Olivier Toublan

4 Min

Immobilienmonitoring 9, Mai 2022, Immoday
 

Auch wenn diese Vorschriften in unserem Land (noch) nicht gelten, wird es für Anleger schwierig, die neue grüne EU-Taxonomie zu ignorieren. Auch in der Schweiz dürften jene Gebäude, die sich nicht nach dem «europäischen grünen Kompass» richten, an Wert verlieren. Und es wird nicht leicht werden, insbesondere ausländische Investoren davon zu überzeugen, diese zu finanzieren.

 

Die Ausgabe des «Realestate Report» vom 8. März befasst sich mit einem aktuellen Thema – der Nachhaltigkeit. In seinem Eröffnungsdossier erläutert das Magazin, wie sich die neue EU-Taxonomie (d. h. die Klassifikation von Wirtschaftsaktivitäten mit positiven Auswirkungen auf die Umwelt), die einheitliche und transparente Kriterien für nachhaltige Investitionen festlegt, auf die Schweizer Immobilienbranche auswirken wird.
 

Kurz gesagt, bietet diese Taxonomie, die Anfang 2022 teilweise und 2023 vollständig in Kraft treten wird, allen Investoren eine Orientierung, ob ihre Anlagen die Vorgaben des europäischen Green Deal, also einer klimaneutralen Wirtschaft bis 2050, erfüllen. Um dieses Ziel zu erreichen, erklärt Remi Buchschacher, setzt die EU nicht nur auf verbindliche Regeln und Verbote, sondern auch auf den Druck des Kapitalmarktes als Kontrollinstrument.
 

Und wie so oft bei der EU hat man dort aus dem Vollen geschöpft. Remi Buchschacher weist darauf hin, dass die Taxonomie Hunderte von Seiten mit Listen umfasst, die angeben, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als nachhaltig gelten und wie Unternehmen ihren Nachhaltigkeitsbericht erstellen und veröffentlichen müssen, der ab Ende 2022 vorgeschrieben ist. Was Greenwashing erschweren dürfte. Allein im Immobiliensektor umfassen die technischen Bewertungskriterien insgesamt sieben Unterkategorien mit Vorgaben unter anderem für den Bau und die Renovation von Gebäuden. Und das war wahrscheinlich noch nicht alles, denn einige technische Fragen sind nach wie vor offen.
 

Auch wenn die EU-Taxonomie in der Schweiz nicht direkt gilt, sind nach Ansicht von Remi Buchschacher alle Akteure der Branche gut beraten, sich so bald wie möglich mit den europäischen Kriterien auseinanderzusetzen. Denn Immobilien, die die Kriterien nicht erfüllen, werden schnell weniger gefragt und weniger einfach mit ausländischem Kapital zu finanzieren sein, was sich auf ihren Wert auswirken dürfte.

 

Remi Buchschacher zufolge dürften auch die Preisunterschiede zwischen energieeffizienten und nicht energieeffizienten Gebäuden in den nächsten Jahren unter anderem wegen dieser grünen Taxonomie grösser werden. Deshalb sollten Investoren ab sofort bei ihrer Kaufentscheidung die europäischen Kriterien berücksichtigen und Eigentümer umgehend überprüfen, ob ihre Immobilien dem europäischen «Umweltkompass» entsprechen. Und falls dies nicht der Fall ist, sollten sie ermitteln, mit welchen Investitionen dieses Ziel erreicht werden kann.
 

Zumal nicht unwahrscheinlich ist, dass diese Taxonomie auch in der Schweiz übernommen wird. Im Juni letzten Jahres reichte die Zürcher Nationalrätin Céline Widmer (SP) einen entsprechenden Vorstoss im Parlament ein. Dem Bundesrat obliegt es nun zu prüfen, wie die EU-Verordnung in Schweizer Recht umgesetzt und an den Schweizer Kontext angepasst werden kann, um verbindliche Definitionen für einen nachhaltigen Finanzplatz einzuführen.

In einem vor zwei Jahren veröffentlichten Bericht, erinnert Remi Buchschacher, war der Bundesrat jedoch zu dem Schluss gekommen, dass er derzeit keinen regulatorischen Bedarf für eine staatliche Taxonomie sieht. Er versicherte jedoch, dass die Entwicklungen in der Branche und auf internationaler Ebene genau beobachtet und bei künftigen Diskussionen zu diesem Thema berücksichtigt würden. Gleichzeitig hatte der Ständerat den Bundesrat mit der Prüfung beauftragt, welche Massnahmen unter anderem auf der Grundlage der EU-Taxonomie die Finanzmärkte dazu bewegen könnten, sich klimafreundlichen Investitionen zuzuwenden.
 

In seinem Bericht, den er Ende letzten Jahres dem Parlament vorgelegt hatte, bleibt der Bundesrat aber seiner Linie treu: Er zeigt sich zurückhaltend, was die Übernahme der europäischen Taxonomie betrifft. Derzeit überlässt er es lieber den Akteuren der Branche, konkrete Massnahmen umzusetzen, wenn sie diese für notwendig erachten. Parallel dazu haben die Schweizerische Bankiervereinigung und die Asset Management Association Switzerland jeweils einen Leitfaden zur Nachhaltigkeit von Investitionen erarbeitet. Doch sind diese Leitfäden weit weniger detailliert als die EU-Verordnung und nicht bindend. Jedenfalls noch nicht.

 

Olivier Toublan für Immoday