Steuerliche Behandlung von Sale-and-Leaseback-Transaktionen

02/06/2021

Thierry De Mitri

De Mitri Conseils SA 

5 min

Kann der Immobiliengewinn durch eine Rückstellung neutralisiert werden? Das Bundesgericht sagt Nein.

 

In den letzten Jahren haben viele Unternehmen ihre Betriebsliegenschaft oder ihren Firmensitz an Finanzpartner oder andere Akteure im Immobilienbereich verkauft und gleichzeitig mit ihnen einen Mietvertrag zur Nutzung der verkauften Immobilie abgeschlossen. Man spricht in diesem Zusammenhang von Verkauf und Rückmiete bzw. von einer Sale-and-Leaseback-Transaktion.

So kann sich das Unternehmen Liquidität beschaffen und gleichzeitig die Immobilie weiternutzen. Diese Verträge sehen ausserdem häufig die Möglichkeit vor, dass das veräussernde Unternehmen die Immobilie – unter Berücksichtigung eines Restwerts nach Ablauf des Leasingvertrags – zurückkaufen kann.

Diese Transaktionen führen in der Regel zu einem Immobiliengewinn, wenn die Immobilie mehrere Jahre im Besitz des veräussernden Unternehmens ist. Es stellt sich daher die Frage, ob eine für die Vertragsdauer im Jahr des Immobilienverkaufs verbuchte Rückstellung zur Neutralisierung des Immobiliengewinns steuerlich zulässig ist. Im Entscheid vom 4. März 2021 (2C_712/2020) befand das Bundesgericht (BGer) darüber, ob eine solche Rückstellung im Rahmen einer Sale-and-Leaseback-Transaktion steuerlich zulässig ist, und urteilte, dass eine solche Rückstellung geschäftlich nicht begründet ist.

 

Der Sachverhalt ist relativ einfach. Im Jahr 2014 verkaufte ein Unternehmen seine Betriebsliegenschaft für 17 000 000 Franken an eine Vorsorgestiftung. Gleichzeitig schlossen die Parteien zwei weitere Verträge ab: (1) einen Mietvertrag zugunsten des veräussernden Unternehmens mit einer anfänglichen Laufzeit von 20 Jahren, der eine Jahresmiete von 825 600 Franken vorsah, sowie (2) ein unwiderrufliches Kauf- und Verkaufsversprechen, nach dessen Ablauf sich das veräussernde Unternehmen verpflichtete, die Immobilie zu einem Preis von 17 000 000 Franken – zuzüglich eines allfälligen Teuerungsausgleichs – zurückzukaufen. Die Erfüllung des Versprechens konnte von jeder Partei jederzeit, jedoch innerhalb einer maximalen Frist von 20 Jahren, verlangt werden.
 

Die Verkaufstransaktion wurde durchgeführt und das veräussernde Unternehmen erzielte einen Kapitalgewinn von ungefähr 10 000 000 Franken. Der Verkaufserlös wurde für die Tilgung der Hypothek sowie für Investitionen verwendet. Der Rest war für die Finanzierung des Kaufs bei Erfüllung des zwischen den beiden Parteien unterzeichneten Kauf- und Verkaufsversprechens vorgesehen. Das Unternehmen reichte bei den Genfer Steuerbehörden eine Rulinganfrage (verbindliche Steuerauskunft) ein, in welcher es beantragte, dass die Transaktion nicht als effektiver Verkauf erachtet werde, weil das Unternehmen der wirtschaftliche Eigentümer der Immobilie bleibe. Andernfalls solle die Steuerverwaltung dem Unternehmen gestatten, eine Rückstellung für eine Ersatzbeschaffung zu verbuchen. Die kantonale Steuerverwaltung wies das Ersuchen in seiner Gesamtheit ab.
 


Das Genfer Unternehmen erfasste in seiner Steuererklärung 2014 eine Rückstellung «passive Rechnungsabgrenzungsposten» in Höhe des Verkaufsgewinns von 9 590 258 Franken, mit welcher dieser neutralisiert werden konnte. Diese Rückstellung sollte über einen Zeitraum von 20 Jahren aufgelöst werden, und zwar mit einem Betrag von einem Zwanzigstel pro Rechnungsjahr, welcher der bilanzierten Jahresmiete entsprach. Dank der Auflösung der Rückstellung wurden somit die Mietkosten neutralisiert.


Die kantonale Steuerverwaltung korrigierte diese Rückstellung und rechnete sie dem steuerbaren Gewinn zu.

 

Das steuerpflichtige Unternehmen reichte beim erstinstanzlichen Verwaltungsgericht und beim letztinstanzlichen Appellationsgericht des Kantons Genf (Cour de justice) Beschwerde ein – ohne Erfolg. Das BGer hatte zu entscheiden, ob diese Rückstellung in den Büchern des veräussernden Unternehmens steuerlich zulässig ist.

 

Nach Auffassung der Vorinstanzen dient diese Rückstellung lediglich der Neutralisierung des Kapitalgewinns und verstösst daher gegen das Periodizitätsprinzip. Das Unternehmen hingegen ist der Meinung, dass die Rechnungslegungsnorm Swiss GAAP FER 13 diese Rückstellung vorschreibe und diese somit die Voraussetzung der geschäftlichen Begründetheit von vornherein erfülle, weshalb die Bestimmungen in Art. 58 Abs. 1 Bst. b DBG nicht anwendbar seien.

 

Einleitend hält das BGer fest, aus der ständigen Rechtsprechung gehe hervor, dass zur Ermittlung des steuerbaren Gewinns das Steuerrecht auf das Buchführungsrecht verweist (Art. 57 und 58 Abs. 1 Bst. a DBG). Somit ist die nach den Regeln des Buchführungsrechts erstellte Rechnung für die Steuerbehörden verbindlich, es sei denn, zwingende Vorschriften des Handelsrechts werden verletzt oder steuerrechtliche Korrekturvorschriften erfordern eine Korrektur des steuerbaren Ergebnisses.

 

Gemäss dem BGer ist die Einhaltung des Buchführungsrechts eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für die geschäftliche Begründetheit einer Ausgabe. Es muss noch geprüft werden, ob diese Rückstellung im steuerrechtlichen Sinne geschäftlich begründet ist. Es gilt also festzustellen, dass keine steuerrechtlichen Korrekturvorschriften den Steuerbehörden erlauben, Elemente, die nicht in der Rechnung erscheinen würden, wieder in das Steuerergebnis aufzunehmen oder einen Aufwand als Rückstellung abzulehnen. 

 

Das BGer hält fest, dass eine Rückstellung, die der Definition in Art. 960e Abs. 2 OR entspricht, geschäftlich begründet und somit steuerlich anzuerkennen ist. Diese Bestimmung lautet wie folgt: «Lassen vergangene Ereignisse einen Mittelabfluss in künftigen Geschäftsjahren erwarten, so müssen die voraussichtlich erforderlichen Rückstellungen zulasten der Erfolgsrechnung gebildet werden.» Dies bedeutet aber noch nicht, dass die strittige Rückstellung steuerlich anzuerkennen ist.
 


Ausschlaggebend ist nicht, dass diese Rückstellung vom Revisor verlangt wurde, um die Rechnungslegungsnorm FER 13 einzuhalten, welche die Verbuchung der strittigen Rückstellung ausdrücklich vorschreibt. Eine solche Rückstellung ist auf eine Verpflichtung nach Art. 962 ff OR zurückzuführen, wonach bestimmte Gesellschaften neben dem gesetzlich vorgeschriebenen Jahresabschluss – der allein massgeblich ist – auch einen Abschluss nach einem anerkannten Rechnungslegungsstandard vorlegen müssen. Die nach einem anerkannten Rechnungslegungsstandard erstellten Abschlüsse sind steuerlich nicht massgebend, auch wenn der Rechnungslegungsstandard die wirtschaftliche Lage so getreu wie möglich abbilden soll («True and Fair View»).

 

Die Steuerbehörden haben die Korrekturvorschrift in Art. 63 DBG, wonach nur Rückstellungen zulasten der Erfolgsrechnung für im Geschäftsjahr bestehende Verpflichtungen, deren Höhe noch unbestimmt ist, zulässig sind, somit zu Recht angewendet. Wird das Periodizitätsprinzip verletzt, weil die Rückstellung einen künftigen Aufwand deckt, ist sie unbegründet und darf von der Steuerbehörde dem steuerbaren Gewinn zugerechnet werden (Art. 63 Abs. 2 DBG).

 

Im vorliegenden Fall konnte das veräussernde Unternehmen nicht beweisen, dass im Rechnungsjahr 2014 drohende Risiken oder Verpflichtungen in noch unbestimmter Höhe bestanden. Die vom Revisor verlangte Rückstellung entspricht einem Rechnungslegungsstandard im Sinne von Art. 962 ff. OR und der Rechnungslegungsnorm FER 13, fällt aber nicht in den Anwendungsbereich von Art. 960e OR, nach welchem der gesetzlich vorgeschriebene – und steuerrechtlich massgebliche – Jahresabschluss erstellt wird. Es scheint also, dass diese Rückstellung für die zukünftige Verwendung gebildet wurde und daher einer Reserve ähnelt. Aus steuerrechtlicher Sicht ist es somit gerechtfertigt, diese Rückstellung abzulehnen.

 

Dieser Entscheid ist insofern interessant, als das BGer Stellung nimmt zum Zusammenspiel zwischen einem Rechnungslegungsstandard und den nach den üblichen Regeln des Buchführungsrechts erstellten Abschlüssen. Es kommt häufig vor, dass Unternehmen ihre Bücher nach einem Rechnungslegungsstandard führen und – insbesondere im Hinblick auf die Einreichung der Steuererklärung – Anpassungen im Abschluss vornehmen müssen. Im vorliegenden Fall akzeptiert das BGer die Anwendung einer Swiss-GAAP-Rechnungslegungsnorm nicht, während es sich im Entscheid BGE 136 II 88 bei der Analyse der steuerlichen Behandlung der Umrechnungsdifferenzen, die entstanden, weil die funktionale Währung (z. B. USD) von der gesetzlichen Währung abwich, noch an der IFRS-Norm orientierte.

 

Es ist festzustellen, dass das Unternehmen nicht geltend gemacht hat, es handle sich um eine Rückstellung für eine Ersatzbeschaffung (wie es dies bei der Einreichung der Rulinganfrage bei der kantonalen Steuerverwaltung versucht hatte). Eine Rückstellung für eine Ersatzbeschaffung ist steuerlich nur dann zulässig, wenn die Reinvestition innert nützlicher Frist, d. h. in der Regel innerhalb von zwei Jahren, erfolgt. Im vorliegenden Fall wäre die Reinvestition nach deutlich längerer Zeit erfolgt.

 

Dieser Bundesgerichtsentscheid wird sicherlich auf grosses Interesse stossen, da immer mehr Unternehmen Sale-and-Leaseback-Transaktionen durchführen, um sich Liquidität für Investitionen zu beschaffen und Anleger anzulocken, die Immobilienrenditen anstreben.

Thierry De Mitri hat einen Abschluss in Jura und HEC und verfügt über 20 Jahre Erfahrung als qualifizierter Steuerexperte.

Derzeit arbeitet er als Steuerberater in seiner eigenen Kanzlei und hilft seinen Mandanten bei der Lösung spezifischer Steuerprobleme im privaten und gewerblichen Bereich, die sich auf die schweizerische und internationale Besteuerung beziehen.

Parallel zu seiner selbständigen Tätigkeit ist Thierry De Mitri auch als Dozent an verschiedenen Institutionen, als Unternehmensleiter und als regelmäßiger Referent bei Seminaren zu aktuellen Steuerthemen tätig.