Immobilienfonds und Kapitalsteuer: der Verkehrswert ist nicht der Wert gemäss KAG

Immobilienfonds und Kapitalsteuer: der Verkehrswert ist nicht der Wert gemäss KAG

Rechtlicher Rahmen 5 min Thierry de Mitri

In einem Entscheid (9C_603/2022) vom 13. März 2023 musste das Bundesgericht (BGer) darüber befinden, ob bei Immobilienfonds mit direktem Grundbesitz als Besteuerungsgrundlage für die Kapitalsteuer der von den Steuerbehörden festgelegte Steuerwert oder der gemäss KAG ermittelte Verkehrswert dient. Das BGer hat entschieden, dass der von den Steuerbehörden ermittelte Steuerwert Vorrang hat vor dem Wert, der von unabhängigen Experten im Sinne des KAG festgelegt wurde. Im Folgenden einige Ausführungen.

 

Ein Immobilienfonds mit direktem Grundbesitz im Kanton Genf stellt fest, dass die von den Steuerbehörden festgelegten Steuerwerte höher sind als die Werte, die von den unabhängigen Schätzexperten im Sinne des KAG ermittelt wurden. Der Fonds beruft sich auf die KAG-Werte anstelle der Steuerwerte – mit der Begründung, dass die Kapitalsteuer, die auf die Bestimmungen über die Vermögenssteuer für natürliche Personen verweist, das Prinzip des Verkehrswerts berücksichtigt. Es scheine somit angemessen, sich auf die KAG-Werte zu stützen, deren Zweck ja gerade darin bestehe, den Verkehrswert zu bestimmen.

 

Die Steuerbehörde wiederum ist der Ansicht, dass bei der Kapitalsteuer den – zugegebenermassen schematisch ermittelten – Steuerwerten Rechnung zu tragen ist. Zur Erinnerung: Der Steuerwert eines Mietshauses wird berechnet, indem der jährliche Mietspiegel zu einem jedes Jahr vom Staatsrat festgelegten Satz kapitalisiert wird. Bei dieser Kapitalisierung wird der theoretische Mietspiegel herangezogen.

 

Im vorliegenden Fall hat sich herausgestellt, dass die deklarierte Steuergrundlage, die sich auf die KAG-Werte stützte, wesentlich von den Steuerwerten abwich, nämlich um fast CHF 25 Millionen bei einem Immobilienbestand von insgesamt rund CHF 180 Millionen.

 

Der Verweis auf die für natürliche Personen geltenden Vorschriften ist darauf zurückzuführen, dass der Immobilienfonds stellvertretend für die Anleger besteuert wird, die als natürliche Personen gelten. Aus diesem Grund wollte der Gesetzgeber auf die Steuervorschriften für natürliche Personen verweisen. Darüber hinaus hatte das BGer die Bewertung von Liegenschaften durch die Kapitalisierung des theoretischen Mietspiegels bereits bestätigt. Es war der Ansicht gewesen, dass ein gewisser Schematismus zulässig ist, solange die Bewertungen nicht zu Ergebnissen führen, die zu weit vom Verkehrswert abweichen. Die Steuerbehörden haben also einen gewissen Handlungsspielraum.

 

Der Fonds wiederum ist der Meinung, dass die Bewertungsregeln gemäss KAG Bestimmungen des Bundesrechts sind und damit Vorrang vor den – von Natur aus schematischen – steuerrechtlichen Regeln haben müssen.

 

Das BGer hält nach einer Analyse des KAG und der KKV fest, dass Liegenschaften in der Vermögensrechnung eines Immobilienfonds zum Verkehrswert verbucht werden, d. h. zu dem Wert, der bei sorgfältigem Verkauf der Liegenschaft zum Zeitpunkt der Schätzung wahrscheinlich erzielt würde. Mit dieser Aufgabe sei ein ständiger unabhängiger Schätzexperte zu betrauen. Abgesehen davon seien die steuerrechtlichen Vorschriften auf derselben Hierarchiestufe angesiedelt wie das KAG, weshalb es keinen Grund zur Annahme gebe, dass der gemäss KAG ermittelte Wert mehr Gewicht hat als die auf den steuerrechtlichen Vorschriften beruhenden Werte.

 

Laut BGer hat der Gesetzgeber in der Steuergesetzgebung nicht auf die Bestimmungen des KAG verwiesen und wollte, dass die Vorschriften für natürliche Personen zur Anwendung kommen. Massgeblich seien also die steuerrechtlichen Bewertungsregeln und nicht die Bewertungsregeln gemäss KAG.

 

Das BGer ist der Ansicht, dass der Zweck des KAG darin besteht, die Anleger zu schützen, die Transparenz sicherzustellen und das reibungslose Funktionieren des Marktes zu gewährleisten. Die Bestimmungen über die Vermögensbesteuerung hingegen würden darauf abzielen, den Steuerzahler nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu besteuern. Eine allfällige Differenz zwischen dem Wert gemäss KAG und der steuerlichen Bewertung sei nicht geeignet, die Besteuerungsgrundlage infrage zu stellen, und es müssten die steuerlichen Bewertungsregeln zur Anwendung kommen.

 

Dieser Entscheid des BGer mag überraschen, auch wenn seine Tragweite insofern begrenzt ist, als die meisten Schweizer Kantone Steuerwerte festlegen, die weit unter denjenigen des KAG liegen.

 

Dennoch überzeugt die Argumentation des BGer nicht. Die Vermögenssteuer für natürliche Personen zielt darauf ab, den Verkehrswert zu erfassen. Mit diesem Entscheid gäbe es, je nachdem, welches Gesetz zur Anwendung kommt, mehrere Verkehrswerte. Diese Einschätzung scheint widersinnig. Bekanntlich werden die Werte gemäss KAG äusserst sorgfältig festgelegt und berücksichtigen den Ertragswert der Immobilie ebenso wie andere Faktoren wie die Alterung. Diese Werte liegen oft nahe am Marktpreis. Die Besteuerung stützt sich somit auf einen fiktiven Wert, was – entgegen der Auffassung des BGer – kaum mit einer Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vereinbar scheint.

 

Das BGer scheint jedoch an der Gleichbehandlung zwischen einem Fonds und natürlichen Personen, die Mietshäuser besitzen, festhalten zu wollen. Diese Personen haben vielfach nicht die Möglichkeit, sich – wie Immobilienfonds aufgrund des KAG – auf regelmässig erstellte Schätzungen zu stützen.

 

Dennoch besteht das Problem in Wirklichkeit darin, dass die angenommenen Steuerwerte in Genf bisweilen nicht dem Marktpreis entsprechen. In den kommenden Jahren könnte es zu noch grösseren Abweichungen zwischen den Werten gemäss KAG und den Steuerwerten kommen. Es ist fraglich, ob das BGer auch dann immer noch so argumentieren wird, wenn die Differenzen aus wirtschaftlicher Sicht und in Bezug auf die Steuergerechtigkeit ein völlig ungerechtfertigtes Ausmass erreichen.
 

Thierry De Mitri

Thierry De Mitri hat einen Abschluss in Jura und HEC und verfügt über 20 Jahre Erfahrung als qualifizierter Steuerexperte.

Derzeit arbeitet er als Steuerberater in seiner eigenen Kanzlei und hilft seinen Mandanten bei der Lösung spezifischer Steuerprobleme im privaten und gewerblichen Bereich, die sich auf die schweizerische und internationale Besteuerung beziehen.

Parallel zu seiner selbständigen Tätigkeit ist Thierry De Mitri auch als Dozent an verschiedenen Institutionen, als Unternehmensleiter und als regelmäßiger Referent bei Seminaren zu aktuellen Steuerthemen tätig.

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