Aufs Mal war die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Vorreiterin im internationalen Vergleich. Mit ihren Leitzinssenkungen ist sie im ersten Halbjahr 2024 in die Pole Position gegangen und hat (auch) den Schweizer Immobilieninvestmentmarkt gestützt. Real Estate Experten sehen mögliche weitere Zinsschritte vom neuen Nationalbankchef Martin Schlegel, der am 1. Oktober sein Amt antreten wird.
Die Europäische Zentralbank (EZB) war nach dem ersten Zinsschritt der SNB im März 2024 eine der ersten, die im Juni nachzog: Sie senkte ihren Leitzins für die Euro-Zone ebenfalls um 25 Basispunkte auf nun neu 4,25 Prozent. Wenig später legte die SNB noch einmal nach und liess ihren Leitzins auf 1,25 Prozent purzeln.
Unbeeindruckt zeigt sich bislang das FED (Federal Reserve Bank) in den USA. Dort verharrt die Spanne des Leitzinssatzes bei vergleichsweise hohen 5,25 bis 5,5 Prozent. Die meisten Marktbeobachter gehen derzeit von einer ersten Zinssenkung im September aus. Einige Marktteilnehmer gehen jedoch auch davon aus, dass die Leitzinsen in den USA weiter auf dem aktuellen Niveau verharren. Mutmasslich könnten sie erst unter dem neuen Präsidenten bzw. der neuen Präsidentin zum Sinkflug ansetzen, heisst es.
In der Schweiz hingegen zeigt sich verhaltener Optimismus, was die aktuelle Zinslage betrifft. Der 10-jährige Swapsatz (Marktsatz/Zinsbasis für 10-jährige Festhypotheken) beispielsweise liegt heute mit 0.77 Prozent (Stand 15.08.2024) wieder auf dem Niveau von März 2022 und damit satte 1.56 Prozentpunkte unter dem Höchststand von 2.33 Prozent per Oktober 2022. So manche Kapitalerhöhung von Immobilienfonds oder bei Immobiliengesellschaften ist wieder überzeichnet und auch weitere Zinsschritte nach unten werden in den kommenden zwölf bis 18 Monaten erwartet oder mindestens als möglich erachtet.
Die vielerorts befürchtete grosse Kreditklemme, der berühmt-berüchtigte «Credit Crunch», blieb (bislang) aus. Auch wenn es für Immobilieninvestoren zwischenzeitlich deutlich schwieriger war, die gewünschte Finanzierung zu den erhofften Konditionen zu erhalten. Die Zurückhaltung der Kapitalgeber war nicht primär durch die Zinswende geprägt, sondern insbesondere Folge von anderen Unsicherheiten, wie Insolvenzen, regulatorischen Veränderungen (Stichwort: Basel-III-Finalisierung) und auch den Marktverschiebungen infolge des UBS/CS-Zusammenschlusses. Mit den sinkenden Zinssätzen steigt der Appetit auf Hypothekarfinanzierungen wieder und zunehmend werden auch Pensionskassen, Anlagestiftungen und Immobilienfonds auf dem Transaktionsmarkt aktiver.
Donato Scognamiglio, Verwaltungsratspräsident der IAZI AG, sieht es als positiv an, dass die SNB die Zinsen gesenkt hat. Er geht davon aus, dass mit weiter hoher Zuwanderung und knappem Angebot auf den Schweizer Wohnimmobilienmärkten die Preise stabil bleiben und mittelfristig wieder steigen werden. Liquidität sei gerade bei den Immobilienfinanzierungen derzeit ein «Riesenthema». Banken müssten mit der neuen Regulierung mehr Geld bei der SNB hinterlegen, was auf der anderen Seite zu einer restriktiveren Vergabe von Hypothekarkrediten führe.
Patrick Zurfluh, Leiter Real Estate Financing bei Loanboox, erklärt, dass dank der jüngsten Leitzinssenkungen sich die Situation bei der gewerblichen Immobilienfinanzierung wieder etwas entspannt habe. Er berichtet, dass die Kreditnehmer in diesem Segment wieder vermehrt in lange Laufzeiten gingen. «Als einzige der westlichen Nationalbanken agierte die SNB proaktiv und nicht reaktiv, was bisher Früchte trug.» Er nimmt an, dass auf einen Zinsschritt seitens der FED auch die Schweizerische Nationalbank noch einmal nachjustieren könnte. Die US- und die EU-Notenbank kämen aber zunehmend unter Druck, wenn sie nur eine allzu reaktive Geldpolitik betreiben und den Entwicklungen ständig hinterhereilen würden, so Zurfluh.
Zudem stellt er fest, dass sich die Kreditmärkte volatiler zeigen: Der heute «beste» Finanzierungspartner könne in wenigen Wochen schon deutlich schlechtere Angebote unterbreiten als ein anderer Kapitalgeber – und umgekehrt. In der aktuellen Situation werde es wohl wichtiger, einen guten Zugang zu möglichst vielen Hypothekargebern zu haben und die Angebote von Immobilienfinanzierern genau zu vergleichen.
Arno Kneubühler, CEO der Procimmo AG, Asset Manager im Segment Industrieimmobilien, erwartet indes in der Schweiz eine Zinsstabilisierung im 2025, «abhängig von den weiteren Inflations- und Immigrationszahlen». Ein Zurückkrebsen der Zinskurve auf Null hält er hingegen für eher unwahrscheinlich. Für Kneubühler spielen auf dem Finanzierungsmarkt auch schon die neuen Regulatorien für Banken durch Basel-III eine gewisse Rolle, indem etwa die neuen Eigenkapitalanforderungen bereits zu höheren Margen geführt hätten.
Christoph Syz, CEO und Mitgründer der Patrimonium Asset Management AG, erwartet bei den Zinsen eher eine Seitwärtsbewegung in naher Zukunft. Bei den kreditgebenden Banken gebe es allerdings aufgrund der Grossfusion von UBS und Credit Suisse einen zusätzlichen Druck auf die Margen, merkt er an. Dies habe bereits einige Marktteilnehmende dazu gebracht, die Bank zu wechseln und beispielsweise an den Türen der Kantonalbanken anzuklopfen. Doch auch diese würden mittlerweile auf diesem Feld «ein bisschen die Schraube anziehen», so Syz.
Mathias Rinka-Immoday