Hat das Waadtländer Gesetz über die Erhaltung und Förderung des Mietwohnungsbestandes das gehalten, was es versprochen hatte?

19/10/2022

Olivier Toublan

Immoday

3 Min

 

Für den Kanton Waadt schien das Gesetz über die Erhaltung und Förderung des Mietwohnungsbestandes das Allheilmittel zu sein. Es hätte zu mehr Sozialwohnungen, einer besseren Mietkontrolle und einer Erleichterung von Sanierungen führen sollen. Fast fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zeigt sich jedoch ein durchzogenes Bild. Die damaligen Ziele wurden noch nicht erreicht und die neuen administrativen Pflichten haben vor allem eines bewirkt – eine Verzögerung der Bauvorhaben.


Als die Waadtländer Bevölkerung 2017 über das Gesetz abzustimmen hatte, war in gewissen Immobilienkreisen die Rede von einer gefährlichen Einflussnahme des Staates auf den Waadtländer Wohnungsbau, sollte das Gesetz angenommen werden. Fast fünf Jahre nach dessen Inkrafttreten haben sich diese Befürchtungen zwar nicht bewahrheitet, doch hat das Gesetz auch nicht das gehalten, was es versprochen hatte. Wir vertiefen dieses Thema mit Emanuel von Graffenried, Spezialist für die Aufwertung der Bestandsimmobilien, Associate Director, Building Consultancy, bei CBRE, dem weltweit führenden Immobilienberatungsunternehmen.
 

Emanuel von Graffenried, können Sie uns kurz erklären, worum es sich bei diesem Gesetz handelt?  
 

Das Waadtländer Gesetz über die Erhaltung und Förderung des Mietwohnungsbestandes (Loi vaudoise sur la préservation et la promotion du parc locatif; LPPPL oder L3PL) trat am 1. Januar 2018 in Kraft. Es sollte gewährleisten, dass der Bevölkerung genügend Mietwohnungen zur Verfügung stehen. Im Klartext: In den Bezirken mit Wohnungsmangel, heute also praktisch im ganzen Kanton Waadt, haben die Gemeinden bei Immobilienvorhaben ein Vorkaufsrecht. Wird dieses Recht in Anspruch genommen, sind sie gehalten, eine bestimmte Anzahl gemeinnütziger Wohnungen zu bauen.

 

Wie sieht es heute aus? Nehmen die Gemeinden dieses Recht häufig in Anspruch? 
 

Das hängt von den Gemeinden ab. Einige sind passiv, andere – wie Vevey oder Lausanne – wiederum sehr aktiv. Der Stadt Lausanne wurde ein Budget von 40 Millionen Franken für den Erwerb von Immobilien gewährt. Vor Kurzem wurde ein weiterer Kredit über 30 Millionen Franken genehmigt, um diese Politik fortzusetzen.

 

Einige befürchteten damals eine gefährliche Einflussnahme des Staates auf den Wohnungsbau. Haben sich diese Befürchtungen bestätigt? 
 

Obwohl diese Befürchtungen übertrieben waren, ist unbestritten, dass das L3PL, dessen Anwendung nicht immer sehr transparent war, einen Einfluss auf den Immobilienmarkt bestimmter Waadtländer Gemeinden hatte – und zwar nicht unbedingt einen positiven. In Lausanne beispielsweise hat das Eingreifen der öffentlichen Hand den freien Immobilienmarkt gestört und hat wahrscheinlich einige Investoren vertrieben, die sich davor scheuten, ein Projekt zu entwickeln, das ihnen «entgleitet», wenn die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht ausübt. Das grösste Problem jedoch ist, dass mit diesem Gesetz weitere Auflagen hinzugekommen sind, was alle Bauvorhaben – selbst blosse Sanierungen – verzögert und verteuert.

 

Damit drängt der Staat die Eigentümer dazu, Sanierungen in Angriff zu nehmen. 
 

Gewiss, doch verzögern die administrativen Pflichten, die das L3PL mit sich bringt, die Sanierungsprojekte, weil sich die Behörden nicht immer untereinander einigen können und häufig überfordert sind. Es dauert bisweilen zwölf Monate, bis man die Bewilligung für den Einbau einer Wärmepumpe erhält. Es war schon vorher nicht einfach, doch seit dem Inkrafttreten des Gesetzes ist es noch viel schlimmer.

 

Gibt es Anleger, die aufgrund des Gesetzes wirklich auf ihr Vorhaben verzichtet haben? 
 

Einige Anleger haben von grossen Sanierungen abgesehen, um sich nicht mit den Behörden anlegen zu müssen und um die Kopfschmerzen verursachende Bürokratie zu vermeiden. Zudem wollten sie nicht Gefahr laufen, dass der Staat ihr Immobilienvermögen beschlagnahmt und die Mieten bis zu 10 Jahren einfriert.

 

Gibt es in den anderen Kantonen ähnliche Gesetze? 
 

Ja, in Genf. Sie heissen zwar anders – Ldtr, LGL, LPMNS usw. –, verfolgen aber das gleiche Ziel.   

 

Das Gesetz sollte in erster Linie den sozialen Wohnungsbau fördern. Wurde dieses Ziel erreicht? 
 

Fast fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes sind die Erfolge in diesem Bereich bescheiden. Doch Immobilienprojekte brauchen ihre Zeit. Es ist also noch viel zu früh, um diesbezüglich ein endgültiges Urteil zu fällen.

 

Ein weiteres Ziel des Gesetzes war die Förderung von Sanierungen, um die Energieeffizienz der Wohnungen zu verbessern. 
 

Wie bereits erwähnt, war das Gesetz in Bezug auf Sanierungen eher kontraproduktiv.

 

Zu guter Letzt sollte mit dem Gesetz Wohnraum in Bürogebäuden geschaffen werden.

 

Es gibt in der Tat immer mehr solcher Umnutzungen. Dies ist aber vorwiegend dem Marktdruck und nicht dem L3PL zu verdanken. Es ist besser, belegte Wohnungen zu haben, die zugegebenermassen etwas weniger einbringen, als leerstehende Büros, die schwer zu vermieten sind und überhaupt nichts mehr einbringen. Dies leuchtet den Eigentümern aber auch so ein – dafür braucht es kein Gesetz.

 

Doch nicht alles am L3PL ist negativ? 
 

Dieses Gesetz hat uns gezwungen, besser zu kommunizieren und sämtliche Beteiligten – von den Mietern bis zu den Architekten – früh genug einzubinden, um auf die Bedürfnisse aller einzugehen und so bei geplanten Sanierungen Einsprachen zu vermeiden. Das macht das Projekt besser. Allerdings ist es sehr zeitaufwendig und verteuert das Projekt. Im Endeffekt ist es aber eine ziemlich gute Sache.   
 

Olivier Toublan, Immoday