Drohender Wohnungsmangel

Drohender Wohnungsmangel

6 min Olivier Toublan

In der Schweiz besteht grosser Bedarf an neuen Wohnungen, da die Bevölkerung stetig wächst. Doch weil die gesetzlichen und administrativen Hürden immer noch sehr zahlreich sind, steuern wir auf eine Katastrophe zu. Bereits 2024 dürfte es zu einer Wohnmangellage kommen. 

Seit etwa zwei Jahren ist die Bautätigkeit in unserem Land rückläufig, sodass in den kommenden Jahren ein Wohnungsmangel droht, versichern die Experten der Credit Suisse in einer kürzlich veröffentlichten Studie. «Der gewollte raumplanerische Paradigmenwechsel setzt voll auf Verdichtung, hat es bisher jedoch versäumt, die dafür erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen. Folglich wächst der Handlungsdruck und rückt dringliche Massnahmen in den Fokus.» 

Zahlen belegen drohenden Wohnungsmangel

So viel zum Postulat: Doch ist der angekündigte Mangel wirklich so problematisch, wie von gewissen Immobilienkreisen befürchtet? Schaut man sich die Zahlen genau an, lautet die Antwort ganz klar «ja». Laut den Experten der Credit Suisse wurden in den Jahren 2015 bis 2018 im Mittel noch gut 54 000 Wohnungen gebaut. 2022 waren es noch rund 45 000. Und nicht nur das: Die Zahl der für die nächsten Jahre neu projektierten Wohnungen ist weiter gesunken und wird der Credit Suisse zufolge voraussichtlich bei etwa 42 000 liegen. Somit werden bis 2024 15 000 Wohnungen fehlen.

Aus diesem Grund wird die Leerstandsquote bereits 2024 unter 1% sinken, und zwar ohne Aussicht auf eine baldige Trendwende. «Die Schweiz steuert demnach auf eine Wohnraumknappheit zu, wie sie letztmals Ende der 1980er-Jahre herrschte.» 

Der Hauptverdächtige: die Raumplanung 

Gemäss den Experten der Credit Suisse sind die Gründe für die Wohnungsknappheit nicht finanzieller, sondern vielmehr regulatorischer Natur, da der Rückgang der Neubauten mit dem Inkrafttreten des revidierten Raumplanungsgesetzes (RPG) im Mai 2014 zusammenfällt – spätestens seit diesem Zeitpunkt geniessen die Bekämpfung der Zersiedelung und ein haushälterischer Umgang mit der Ressource Boden höchste Priorität in der Raumordnungspolitik. Nicht, dass das Gesetz schlecht wäre. Doch wie so oft in der Schweiz hapert es an der Umsetzung, die viel Zeit in Anspruch genommen und auf Gemeindeebene übrigens immer noch nicht abgeschlossen ist. Dies hat den Eifer der Bauträger gedämpft, hat doch das revidierte RPG und seine Umsetzung durch die Kantone und Gemeinden einen direkten Einfluss auf die Verfügbarkeit von Bauland. 

«Die Hürden für die Einzonung von Bauland haben sich also seit Inkrafttreten des revidierten RPG erheblich erhöht.» Vorübergehend waren Einzonungen in verschiedenen Kantonen gar nicht mehr möglich. «Dies dürfte sich bremsend auf den Wohnungsbau ausgewirkt haben und sollte dies auch in den nächsten Jahren tun.» 

Vier Handlungsfelder für Beschleunigung der Verdichtung 

Um diesem drohenden Mangel entgegenzuwirken und die Verdichtung zu beschleunigen, müssen daher gezielte Dringlichkeitsmassnahmen ergriffen werden, die vergleichsweise rasch greifen könnten. Die Experten der Credit Suisse schlagen vier davon vor, die allesamt interessant sind. Doch seien wir realistisch: Wir sind in der Schweiz und im Immobilienbereich geht es selten schnell.

1. Baulandhortung bekämpfen

Wie aus einer kürzlich veröffentlichten Studie des Bundesamts für Statistik hervorging, gibt es in der Schweiz noch relativ viel ungenutztes Bauland. Leider wird dieses gehortet und aus verschiedenen Gründen von den Eigentümern nicht genutzt. Der wichtigste Grund ist laut Credit Suisse die Politik der Besteuerung von Grundstückgewinnen. Die Höhe dieser von den Kantonen oder Gemeinden erhobenen Steuer sinkt nämlich mit zunehmender Besitzdauer.

Die Kantone können wirksame Massnahmen ergreifen, um diesem Trend entgegenzusteuern, z. B. durch Lenkungsabgaben oder Kaufrechte. Die Instrumente gibt es, sie müssen nur wirksam und rigoros eingesetzt werden.

Um die Situation radikal und schnell zu ändern und dieses Bauland verfügbar zu machen, müssten laut Credit Suisse vor allem die Anreize eliminiert werden, die die Baulandhortung fördern, wie beispielsweise hohe Besitzdauerrabatte bei der Grundstückgewinnsteuer. 

2. Baugesetze in Zentren stärker auf Verdichtung ausrichten

Von Verdichtung zu sprechen ist gut und recht, allerdings müssen sie die Gesetzgebung und die Behörden auch zulassen. Für die Bauträger ist es häufig ein Spiessrutenlauf. So sollten laut den Experten der Credit Suisse die Ausnützungsziffern und die maximalen Bauhöhen erhöht werden. Zudem sollten Ausnützungsboni für Ersatzneubauten, wie im an der Urne gescheiterten CO2-Gesetz vorgesehen, eingeführt werden.  

Dennoch gab es bei der baulichen Verdichtung in den letzten Jahren Fortschritte. Die neusten Zahlen deuten auf eine steigende Anzahl Wohnungen pro Gebäude sowie eine kontinuierlich steigende mittlere Anzahl Stockwerke hin.

3. Politische Zielkonflikte entschärfen

Die Verdichtung müsste den Experten der Credit Suisse zufolge gegenüber Heimatschutz und Lärmschutz stärker gewichtet werden. Doch gerade hier ist sie mit erheblichen Widerständen konfrontiert, auch wenn sie politisch breiten Rückhalt geniesst. «Viele mehr oder minder direkt betroffene Akteure erheben Einsprachen und verhindern oder verzögern auf diese Weise Projekte.» Die Einsprachen und Rekurse nehmen im Übrigen stetig zu. So erreichte etwa die Zahl der Rekurse, die das Zürcher Baurekursgericht zu behandeln hatte, in den Jahren 2020 und 2021 jeweils über 950 und lag damit rund ein Viertel höher als noch in den Jahren 2012 bis 2019. «Allein aufgrund einer neuen richterlichen Auslegung der Lärmgesetzgebung ist im Kanton Zürich derzeit der Bau von rund 1000 Wohnungen durch Einsprachen blockiert.» 

Zudem bestehen politische Zielkonflikte zwischen verschiedenen Behörden. «Langwierigere Baubewilligungsprozesse deuten darauf hin, dass grössere Wohnbauprojekte immer höhere Hürden überwinden müssen. Besonders deutlich wird dies in den Grosszentren, wo von der Einreichung des Baugesuchs bis zur Erteilung der rechtskräftigen Bewilligung durchschnittlich mittlerweile über ein Jahr vergeht.» 

4. Baubewilligungsprozess beschleunigen

Als letzte Massnahme schlagen die Experten der Credit Suisse vor, die Effizienz der für Immobilien zuständigen Verwaltung zu verbessern, z. B. durch die Förderung der digitalen Gesuchseingabe und Bearbeitung. Gegebenenfalls sollten die Bauämter personell aufgestockt werden. 

Die Verwaltung sollte auch bei der Anwendung bestimmter Vorschriften flexibler sein, um die Umnutzung von Büro- oder Hotelimmobilien durch Umzonungen an für Wohnnutzungen geeigneten urbanen Lagen zu fördern.

Insgesamt geht es laut Credit Suisse darum, den Wohnungsbau wieder attraktiver zu machen. 

Keine einfache Lösung in Sicht

Der Paradigmenwechsel in der Raumplanung war überfällig, hatte sich doch eine Mehrheit der Stimmbürger wiederholt gegen eine Fortsetzung der Zersiedelung ausgesprochen. Die Umsetzung der raumplanerischen Kehrtwende wurde bisweilen jedoch sehr planlos angegangen. «Indem Einzonungen erheblich erschwert wurden, lastete plötzlich der ganze Siedlungsdruck auf der Verdichtung. Dass diese die gewünschten Ergebnisse nicht im nötigen Tempo und Ausmass erbringen kann, war absehbar», halten die Experten der Credit Suisse fest. 

Der Gesetzgeber habe es schlicht unterlassen, die Verdichtung mit flankierenden Massnahmen zu fördern. Es hätte von Beginn an klar sein müssen, dass Kantone und Gemeinden Jahre benötigen, um griffige Instrumente für eine beschleunigte Verdichtung zu schaffen. «Die sich anbahnende Wohnungsnot ist damit hausgemacht.»

Alle sind sich einig: Es wäre wichtig, Massnahmen rasch aufzugleisen, um den Wohnungsmangel noch abwenden zu können. Doch da wir in der Schweiz sind, dauert es im besten Fall Jahre, bis ein Gesetz geändert ist. Man wird sich daher in Geduld üben müssen, denn eine kurzfristige Lösung zeichnet sich derzeit noch nicht ab.

Olivier Toublan, Immoday

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