
Zum heutigen '5 Minuten mit'-Interview begrüssen wir Nicole Surchat-Vial, Verwaltungsrätin bei der Gefiswiss SA
'5 Minuten mit' ist eine Interviewreihe, die zu einem besseren Verständnis der Akteure der Immobilienverbriefung in der Schweiz und ihrer Aktivitäten beitragen soll.
Nicole Surchat-Vial, erzählen Sie uns etwas über sich selbst.
Ich bin Architektin und Stadtplanerin. Ich habe ein Diplom der ETH Lausanne in Architektur. Zur Stadtplanung bin ich erst später gekommen und habe unter anderem zu diesem Thema an der Universität Genf promoviert. Nach meinem Studium habe ich als freischaffende Architektin gearbeitet. Danach habe ich meine Karriere in der Verwaltung begonnen: mit einer ersten Anstellung als Leiterin der Stadtplanung der Stadt Rolle, dann als Leiterin des Amts für Raumentwicklung des Kantons Waadt, als Direktorin des Stadtplanungsamts des Kantons Genf und schliesslich als Stadtarchitektin von Freiburg. Seit zwei Jahren bin ich wieder freischaffend tätig, ich unterrichte, wirke in Jurys mit und nehme Einsitz in einigen Verwaltungsräten, unter anderem auch in demjenigen der Gefiswiss SA.
Ein sehr beeindruckender Lebenslauf. Was hat Ihnen besser gefallen: freischaffend oder als Beamtin tätig zu sein?
Wenn man als freischaffende Architektin tätig ist und ein Gebäude von A bis Z entwirft, hat man grösseren Handlungsspielraum. Wenn man als Stadtplanerin für ein öffentliches Gemeinwesen arbeitet, kantonale Richtpläne oder Quartierpläne entwickelt, ist dies zwar spannend, doch muss man verschiedenste Interessen in Einklang bringen, was sehr zeitaufwändig ist. Man muss dauernd Überzeugungsarbeit leisten. Dazu braucht man ebenso viel psychologisches Geschick wie Fachwissen.
Und was gibt es zu Ihrem Privatleben zu sagen?
Ich bin Freiburgerin und wurde in der Gemeinde Rue geboren, was für meine künftige Karriere vielleicht ein Vorzeichen war. Ich habe zwei mittlerweile erwachsene Kinder, wohne derzeit in Genf, nachdem ich lange in Freiburg gelebt habe. Ich liebe die Berge, das Skifahren und das Wandern. Doch ich mag auch den See. Ich rudere.
Was sind Ihre wichtigsten Charaktereigenschaften?
Ich bin schnell – manchmal zu schnell, wie mir einige Kollegen sagen. Ich habe viel Energie und will, dass es vorwärts geht, was bisweilen etwas problematisch ist, wenn man für eine Behörde arbeitet. Ich brauchte Zeit, um mich damit abzufinden. Meine Energie habe ich aber nicht verloren.
War es jemals ein Problem, in der männerdominierten Immobilienbranche eine Frau zu sein?
Ich muss gestehen, dass es in meinen ersten Jahren als Architektin bei den Besichtigungen der Baustellen sehr schwierig war. Die Situation hat sich mittlerweile aber etwas entspannt. Als ich dann in der Stadtplanung, also einem viel gemischteren Umfeld, tätig war, war es viel leichter. Heute gibt es mehrere sehr interessante Initiativen wie den Cercle suisse des administratrices, dem ich angehöre, die den Frauen, die Verantwortung übernehmen wollen, viele Türen geöffnet haben. Der Weg ist noch lang, doch es geht in die richtige Richtung.
Kommen wir auf das Thema zurück, das uns interessiert: indirekte Immobilienanlagen. Sie sind Verwaltungsrätin bei der Gefiswiss SA. Wie würden Sie dieses Unternehmen definieren?
Die Gesellschaft wurde 2008 gegründet. Wir identifizieren und analysieren für unsere Investoren – also hauptsächlich Pensionskassen – Immobilienvorhaben, in erster Linie in der Westschweiz, und steuern dann deren Realisierung und deren Betrieb. Dabei ist uns eines sehr wichtig: die Nachhaltigkeit. Dies betrifft alle Aspekte wie die Energie, die Art und Weise wie gebaut wird, die Wasseraufbereitung usw. Wir setzen alles daran, verantwortungsbewusst zu bauen.
Wie gross ist der Immobilienpark, den Sie errichtet haben?
Es sind ungefähr 1500 Wohnungen im Gesamtwert von mehr als einer Milliarde Franken. Vor allem Neubauten, doch wir haben auch einige Bestandsimmobilien umgebaut. All dies hängt von den Projekten und den Möglichkeiten ab.
Wie analysieren Sie die derzeitige Situation in der Schweizer Immobilienbranche?
Ich spreche hier aus Architekten- und Stadtplanersicht, nicht aus Sicht der Investoren. Mit der Pandemie kam es Anfang 2020 zu einer starken Abkühlung des Marktes und damit zu Verzögerungen bei zahlreichen Projekten. Diese Verzögerungen werden derzeit aufgeholt. Der Markt ist erneut sehr aktiv. Für die Promoter und Investoren besteht die grösste Schwierigkeit nach wie vor darin, gute Gelegenheiten ausfindig zu machen, z. B. gut gelegene Grundstücke, die sich in der Nähe der öffentlichen Verkehrsmittel befinden, damit sanfte Mobilität möglich ist, und die über ein angemessenes Dienstleistungs- und Ausstattungsangebot verfügen. Dies ist von entscheidender Bedeutung, wenn man wie wir hohe Nachhaltigkeitsansprüche stellt.
Was sind Ihrer Meinung nach die Stärken und Schwächen des Schweizer Marktes?
Die Hauptschwäche aus meiner Sicht als Stadtplanerin besteht darin, dass die Quartierpläne vor zehn Jahren entworfen wurden und daher nicht alle Aspekte der neuen Nachhaltigkeitsproblematik berücksichtigen, z. B. die Mobilität, die Zahl der Parkplätze, die Durchlässigkeit des Bodens, die Energieversorgung oder das Landschaftsbild des Quartiers. Da gibt es mit den Stadtplanern der Gemeinden und Kantone viel zu tun. Was den Markt vor allem antreibt, ist die florierende Schweizer Wirtschaft, die den gesamten Immobiliensektor stützt.
Wie wird sich der Schweizer Immobilienmarkt entwickeln?
Kurzfristig wird es nach der Abkühlung von 2020 zu einem Aufholeffekt kommen. Mittelfristig wird es einen Trend hin zu nachhaltigeren Quartieren geben, welche den ökologischen Anforderungen besser Rechnung tragen. Für die Anleger bleiben Immobilien extrem sichere Anlagen. Das belegen unsere neuesten Projekte bei der Gefiswiss SA, für die wir rasch eine Finanzierung gefunden haben.