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Angesichts des rasanten technologischen Fortschritts und der steigenden Kundenansprüche ist es für Immobilienunternehmen unerlässlich, neue Talente anzuziehen. Deshalb gestalte deRham seine Unternehmenskultur und sein Organigramm um, so Jean-Jacques Morard. Denn für ihn haben die Unternehmen keine Wahl mehr: Sie müssen sich weiterentwickeln, ansonsten werden sie in der Bedeutungslosigkeit versinken.
«Für Immobilienverwaltungen ist alles in Bewegung und die gesuchten Profile haben sich in den letzten Jahren stark verändert, ebenso wie die Erwartungen der neuen Talente, was traditionelle Arbeitgeber dazu zwingt, sich neu zu erfinden», erklärt Jean-Jacques Morard, CEO von deRham, einem der grössten und ältesten Unternehmen des Westschweizer Immobiliensektors, das vor Kurzem sein 125-jähriges Bestehen gefeiert hat.
Jean-Jacques Morard, haben sich die Profile und die Kompetenzen, die heute in der Immobilienverwaltung verlangt werden, in den letzten Jahren tatsächlich verändert?
Zunächst einmal muss man sich darüber im Klaren sein, dass die Komplexität unseres Metiers in einem bis dahin ungekannten Tempo zunimmt. Mit den traditionellen Tätigkeiten eines Immobilienbewirtschafters auf der einen Seite und einer wachsenden Zahl an zusätzlichen Aufgaben und der Notwendigkeit, neue Technologien zu beherrschen, auf der anderen.
Zum Beispiel?
Zum Beispiel alles, was mit der Nachhaltigkeits- und der Energieproblematik zu tun hat, aber auch die Digitalisierung unserer Aktivitäten, von den Anzeigen bis hin zur Unterzeichnung der Mietverträge. Zwar installieren wir die Photovoltaikanlagen oder die Ladestationen für Elektroautos nicht selbst, doch bringt all das neue Aufgaben für unsere Verwalter und Juristen mit sich. So müssen z. B. Eigenverbrauchsgemeinschaften gegründet und die Mietverträge entsprechend angepasst werden.
Verlangen die Vermieter, dass die Immobilienverwaltung all diese neuen Aspekte des Metiers beherrscht?
Die Vermieter erwarten tatsächlich von ihrer Verwaltung, dass sie sich mit allen Aspekten dieser neuen Bereiche auskennt, obwohl dies nicht unser Kerngeschäft ist. Dies zwingt uns, Spezialisten einzustellen oder diese intern auszubilden. Zudem sind diese zusätzlichen Aufgaben sehr zeitaufwendig. Unsere Honorare können wir aber leider nicht erhöhen.
Für Sie ist das also eher negativ?
Ganz im Gegenteil – es ist spannend. Es zeigt, dass sich unser Metier weiterentwickelt. Es gibt ständig neue Dinge zu lernen, neue Herausforderungen zu bewältigen und Methoden zu verbessern, damit wir effizienter arbeiten und die Bedürfnisse unserer Kunden besser erfüllen können.
Sie reden viel über tiefgreifende Veränderungen aufgrund der neuen Technologien, doch hat sich das Metier eines Immobilienbewirtschafters tatsächlich so sehr verändert?
Die Kernkompetenzen eines guten Immobilienbewirtschafters sind dieselben geblieben: Es geht darum, die Erwartungen der Mieter und der Vermieter, die bisweilen auseinandergehen, zu erfüllen, was einerseits schwierig, andererseits aber auch spannend ist. Doch diese Erwartungen haben sich im Laufe der Zeit letztlich nur wenig verändert.
Was ist für einen Mieter wichtig?
Die Qualität seiner Wohnung, ein gut instand gehaltenes Gebäude, ein Hauswart und eine rasch reagierende Verwaltung, wenn es ein Problem gibt. Die Erwartungen selbst haben sich nicht geändert, die Mittel, mit denen diese Erwartungen erfüllt werden, hingegen schon.
Und für die Vermieter?
Auch die Vermieter wollen, dass die Gebäude gut unterhalten werden, wünschen ein gutes Mietenmanagement und möchten, dass die Mieter in ihren Wohnungen zufrieden sind, zufrieden mit den Dienstleistungen der Verwaltung. Kurzum, für den Immobilienbewirtschafter haben sich die Grundlagen seines Metiers nicht geändert. Dennoch muss er heute, wie bereits erwähnt, parallel dazu neue technische, juristische und soziale Kompetenzen erwerben.
Und dies wirkt sich auf die Berufslaufbahn aus?
Noch vor wenigen Jahren brauchten wir vor allem gute Generalisten, die für jedes Problem eine Lösung finden konnten. Nun müssen unsere Mitarbeitenden weniger Generalisten sein und sich dafür mehr auf bestimmte Bereiche spezialisieren. Dies wirkt sich auch auf die Kultur des Unternehmens und dessen Struktur aus.
Was meinen Sie damit?
In der traditionellen, sehr pyramidenförmigen Struktur ist ein Verwalter für ein Team verantwortlich, muss sich um ein Portfolio von Gebäuden kümmern. Er kennt sich mit allem ein bisschen aus, entscheidet, verteilt Aufgaben, motiviert und kontrolliert. Diese Siloorganisation stösst an ihre Grenzen, insbesondere bei der Nutzung digitaler Applikationen, wo jeder Mitarbeiter jedes digitale Tool beherrschen sollte. Wir denken derzeit über eine agilere Organisationsstruktur nach, die den neuen Anforderungen Rechnung trägt und es uns ermöglicht, Rollen zuzuweisen, welche die internen Kompetenzen fördern.
Diese Überlegungen finden derzeit statt?
Ja, sie sind bereits weit gediehen. In den nächsten Monaten werden wir unser Organigramm grundlegend umgestalten und die traditionellen hierarchischen Pyramidenstrukturen abschaffen, um anders, effizienter und möglichst nahe an den aktuellen Anforderungen von Kunden und Mitarbeitenden arbeiten zu können. Die neuen Talente, die wir einstellen, wollen einen anderen Managementstil – einen, der sie zusammenbringt und ihnen die Ziele erklärt, ihnen dann aber auch mehr Verantwortung und Freiheiten lässt.
Wäre es nicht einfacher, mit der traditionellen hierarchischen Methode weiterzumachen?
Diese Frage stellt sich nicht mehr: Wenn wir unsere Talente behalten wollen, sind wir gezwungen, uns weiterzuentwickeln, unser Organigramm zu flexibilisieren und die Wünsche unserer Mitarbeitenden besser zu berücksichtigen, mehr auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Nur so bleiben wir ein attraktiver Arbeitgeber.
Und wie reagieren die Vermieter auf all diese Veränderungen?
Auch sie wünschen diese Flexibilität. Insbesondere die institutionellen Investoren wollen weniger Generalisten und mehr hochspezialisierte Fachleute. Aber auch ihre Erwartungen haben sich letztlich kaum verändert: Sie wollen, dass der Wert ihrer Liegenschaft erhalten bleibt oder gar steigt, sprich, dass die Liegenschaft gut instand gehalten wird, und sie möchten, dass die Mieten regelmässig eingehen, die Mieter also zufrieden sind, um letztlich eine möglichst hohe und stabile Rendite zu erwirtschaften.
Da alle auf derselben Wellenlänge sind, läuft im Idealfall also alles bestens?
Ich bin tatsächlich der Meinung, dass das derzeitige soziale Klima insgesamt recht gesund ist. Dennoch möchte ich darauf hinweisen, dass sich einige institutionelle Vermieter bei den jüngsten Mietzinserhöhungen ziemlich unnachgiebig gezeigt haben. Die privaten Vermieter hingegen haben mehr Verständnis und Offenheit an den Tag gelegt, wenn es darum ging, ein paar Franken auszuhandeln, um Gerichtsverfahren mit den Mietern zu vermeiden. Ich will auch betonen, dass das schlechte Image immer auf die Verwaltung zurückfällt und dass es nicht immer einfach ist, in Konfliktfällen diese Verantwortung zu tragen.
Ist das nicht normal? Das Einzige, was für die Vermieter zählt, ist doch die Rentabilität ihrer Liegenschaften.
Die institutionellen Vermieter erwarten tatsächlich die höchstmögliche Rendite aus ihren Immobilienanlagen. Und das ist durchaus legitim. Das Räderwerk der Finanzen etwas zu schmieren, kann auch Vorteile für die Stabilität der Renditen und den Aufbau eines harmonischen Klimas zwischen Vermietern und Mietern mit sich bringen. Die Verwaltung steht im Mittelpunkt dieser Harmonie. Ihre Aufgabe ist es, das richtige Gleichgewicht zwischen den Interessen der Vermieter und dem Komfort der Mieter zu finden. Eine Verwaltung muss motiviert sein, diese strategische Rolle zu übernehmen. Die Partnerschaft mit ihren Kunden muss sie anspornen und sie muss entsprechend ihrem Einsatz vergütet werden.
Sie sprechen hier in eigener Sache.
Für alle Verwaltungen ist der Druck auf die Honorare problematisch. Er beeinträchtigt nicht nur unsere Gewinnmargen stark, sondern könnte auch zu einem Qualitätsverlust bei bestimmten Leistungen führen, was sowohl für die Vermieter als auch für die Mieter nachteilig wäre. Bei der Bewirtschaftung einer Liegenschaft muss man darauf achten, das richtige Gleichgewicht zwischen den Interessen der Mieter und der Vermieter, aber auch denjenigen der Verwaltungen zu wahren. Die Verwaltungen dürfen in der Gleichung nicht aussen vor bleiben. Ohne sie ist eine effiziente Bewirtschaftung einer Liegenschaft langfristig nicht möglich.
Dieser Druck der Vermieter ist nicht neu. Sie haben vor Kurzem das 125-jährige Bestehen gefeiert – ein Beleg dafür, dass Sie anpassungsfähig sind.
Für deRham bin ich zuversichtlich: Wir haben tatsächlich bewiesen, dass wir uns anpassen können, um den Ansprüchen von Vermietern und Mietern gerecht zu werden und unsere Effizienz ständig zu optimieren. Was mir mehr Sorgen bereitet, ist, dass wir uns in einem Zyklus befinden, in dem sich alles beschleunigt, sich alles ständig verändert und alles immer wieder infrage gestellt wird. Es gibt keine Ruhephasen mehr, um diese Veränderungen zu konsolidieren, zu verdauen. Dadurch entsteht enormer Druck auf unsere Mitarbeitenden, aber auch auf die Unternehmen selbst und deren Strukturen, welche diese ständig neuen Herausforderungen bewältigen müssen. All diese Veränderungen sind auf die Dauer sehr aufreibend. Wie wird sich dieser permanente Druck langfristig auswirken? Es liegt an uns, aufmerksam zu sein und die geeigneten Massnahmen zu ergreifen.
Olivier Toublan - Immoday.ch