Die Umwälzungen auf dem Immobilienmarkt haben gerade erst begonnen

17/01/2023

Immoday

Olivier Toublan

6 min

Die Herausforderungen, denen sich die Immobilienbranche in den kommenden Monaten stellen muss, sind zahlreich, wenn man der neuen Ausgabe der Studie «Emerging Trends in Real Estate Europe 2023» Glauben schenkt. Wir betrachten heute die Situation in der Schweiz.

 

Mit welchen Herausforderungen werden Immobilieninvestoren in den nächsten Monaten konfrontiert sein? Diese Frage wurde mehreren hundert Branchenexperten gestellt. Die Antworten wurden unter der Federführung von PwC in Zusammenarbeit mit dem Urban Land Institute (ULI) in der 20. Ausgabe der Studie «Emerging Trends in Real Estate Europe 2023» veröffentlicht, die einen umfassenden Überblick über die wichtigsten Trends auf dem Immobilienmarkt und seine künftigen Entwicklungen gibt.
 

In den letzten Monaten erlebte der Markt bekanntermassen zahlreiche Veränderungen. Die Energiepreise und Baukosten sind stark gestiegen, Europa verzeichnet mittlerweile zweistellige Inflationsraten und die Zentralbanken ziehen die Zinsschraube an, lautet das Resümee von Sebastian Zollinger, Director Real Estate Advisory bei PwC Schweiz. Anleger betrachten den Immobilienmarkt zunehmend differenzierter, und die Asset Allocations ändern sich ebenso wie die Wahl der Anlagealternativen. 
 

Dieser Trend durchzieht ganz Europa, wie die Studie zeigt. Allerdings mit einigen deutlichen Unterschieden zwischen den Ländern. Konzentrieren wir uns auf die Situation in der Schweiz.

 

Kapitalerhöhungen für Fonds erschwert  
 

Im Moment bleibt unser Land trotz eines starken Preisanstiegs der Rohstoffe weitestgehend verschont, wobei die Inflation dank des starken Frankens noch unter Kontrolle ist und die Zinssätze zwar steigen, aber immer noch auf einem vernünftigen Niveau liegen. Auf Nachfrage zeigen sich die Branchenakteure im Übrigen nicht besonders besorgt über die geopolitische Lage.
 

Wie Alice Kha, Manager Real Estate Advisory bei PwC Schweiz, erklärt, waren die Immobilienakteure am stärksten von den Baukosten betroffen, die innerhalb eines Jahres um +8,1 % bei Wohngebäuden und +8,7 % bei Bürogebäuden angestiegen sind. Ein Anstieg, der nach Ansicht der Betroffenen andauern dürfte.
 

Gleichzeitig stiegen die Hypothekarzinsen drastisch an. Bei den 10-jährigen Zinsen haben sie sich fast verdreifacht. «Für hoch verschuldete Akteure wird es kompliziert», merkt die Expertin von PwC an und nennt als Beispiel die Immobilienfonds, die bereits eine maximale Verschuldung von 33 % aufweisen und sich aufgrund des Wertverlusts der Immobilien in einer misslichen Lage befinden, zumal die meisten Kapitalerhöhungen in den letzten Monaten schwierig waren oder sogar ganz annulliert wurden. 

 

Mieten, die steigen werden  
 

Der Anstieg der Zinssätze könnte sich aber auch positiv auf die Eigentümer auswirken, relativiert Alice Kha. Experten schätzen nämlich, dass der Referenzzinssatz für Wohnimmobilien im nächsten Jahr von 1,25 auf 1,5 % steigen wird. «Was bedeutet, dass Eigentümer das Recht haben werden, die Mieten für Wohnmietverträge, die in den letzten Jahren abgeschlossen wurden, zu erhöhen.» Diese Erhöhung könnte den Immobilienrenditen, die in den letzten Jahren aufgrund der steigenden Immobilienpreise stetig gesunken sind, wieder etwas Schwung verleihen.
 

Ein Höhenflug, der sich übrigens überall in der Schweiz etwas verlangsamt. In der Tat sinkt die Nachfrage seitens der Grossanleger. «Die Zinsen für Bundesanleihen steigen und die Vorsorgeeinrichtungen denken wieder darüber nach, einen Teil ihres Portfolios in Anleihen zu investieren», fasst Alice Kha zusammen.

 

Pensionskassen, die nicht mehr in Immobilien investieren können   
 

Allerdings haben einige von ihnen schlichtweg keine andere Wahl. Mit dem Sturz der Börsenkurse Ende 2021 und 2022 war der Immobilienanteil der Pensionskassen entsprechend gestiegen. Einige erreichen oder nähern sich den empfohlenen 30 % des maximalen Immobilienanteils. Sie können daher nicht mehr in diesen Vermögenswert investieren.
 

«Wir haben mit Pensionskassen gesprochen, deren Budget für Immobilieninvestitionen um das Dreifache reduziert wurde», erzählt Alice Kha. «Eine Stiftung, die noch im Juli 400 Millionen aufbringen wollte, brachte schliesslich nur 100 Millionen bei den Kassen auf.» 
 

Es ist also weniger Geld auf dem Immobilienmarkt verfügbar. Was übrigens nicht unbedingt eine schlechte Nachricht ist, denn dadurch hat sich der Markt nach den kontinuierlichen Anstiegen in den letzten gut 15 Jahren etwas entspannt. 

 

Alternative Anlagen, die attraktiver als Immobilien werden  
 

Die Makler ihrerseits mussten feststellen, dass die Zahl der potenziellen Käufer zurückging. «Früher hatten wir für eine Immobilie etwa 15 potenzielle Käufer, heute gibt es für eine ähnliche Immobilie nur noch drei oder vier Interessenten», bestätigt ein für die Studie befragter Verkäufer. 
 

Und die Expertin von PwC bekräftigt, dass die Vorsorgeeinrichtungen zwar immer noch investieren, aber nicht mehr so stark und zu besseren Konditionen. Diese versuchen heute nicht mehr, ihr Geld um jeden Preis in Immobilien zu investieren, denn es ist wieder möglich, Bargeld zu halten. Ausserdem werden Anleihen wieder attraktiver. Es sollte auch nicht vergessen werden, sagt Alice Kha, dass Pensionskassen heute bis zu 10 % in Infrastruktur investieren können, wobei die geschätzten Renditen weitaus höher sind als die, die in den letzten Jahren mit Immobilien erzielt wurden. 
 

Ihre Worte belegt Alice Kha mit den vom Kanton Genf veröffentlichten Zahlen, der als einziger Kanton vollständig transparent über Immobilientransaktionen berichtet.

 

Die Immobilienpreise werden sich korrigieren, sagen die Akteure der Branche  
 

«Bei der Analyse der veröffentlichten Daten stellt man fest, dass das Jahr 2022 sehr stark begonnen hat, was die Anzahl der Transaktionen betrifft, dass diese jedoch von Quartal zu Quartal abnimmt. So begann der Westschweizer Immobilienmarkt ab Juli zu erstarren. Wir konnten spüren, dass die meisten Akteure infolge der Veränderungen auf dem Markt ihre Investitionen eingestellt haben.» 
 

Gleichzeitig sind die Ansprüche der Anleger gestiegen. «Eine Pensionskasse, die Anfang des Jahres noch zu Renditen von 2,8 % gekauft hat, erwartet heute Renditen von 3,6 %.» 

Zudem hätten die befragten Immobilienakteure in der Westschweiz einstimmig bestätigt, dass sich die Immobilienpreise korrigieren würden», so die Expertin von PwC weiter. «Und das können wir auch seit der zweiten Jahreshälfte 2022 bei Renditeobjekten bestätigen.» 
 

Ein Rückgang, den die Anleger eher als Chance denn als Horrorszenario betrachten. Denn tatsächlich ermöglicht dieser Rückgang ihnen, wieder Immobilien mit höheren Renditen zu kaufen.

 

Das Thema Nachhaltigkeit wird die Renditen belasten und die Gesamtlage verändern  
 

Ebenso wichtig wie die Veränderungen des wirtschaftlichen Umfelds und die steigenden Zinsen sind letztendlich auch die neuen Auflagen im Bereich Nachhaltigkeit, die in Zukunft ebenfalls die Immobilieninvestitionen belasten werden. 
 

«Wenn man das Beispiel Genf nimmt», erklärt Alice Kha, «sieht man, dass die meisten Wohnungen im Kanton vor den Achtzigerjahren gebaut wurden und daher zum grössten Teil sehr energieintensiv sind. Folglich wird im Zuge der neuen Energieverordnung, die im September 2022 in Genf in Kraft getreten ist, ein grosser Teil dieser Gebäude und der Eigentümer von der energetischen Sanierung und den obligatorischen Renovationen betroffen sein, wenn sie den IDC, den Wärmeabgabeindex des Gebäudes, senken wollen.» 
 

Dies ist natürlich mit hohen Investitionen verbunden, die sich nicht alle Eigentümer, insbesondere private, leisten können. «In Genf stehen nun zahlreiche Gebäude zum Verkauf, die privaten Eigentümern gehören, die nicht eine oder zwei Millionen für die Renovation ihrer Gebäude aufbringen können oder wollen, wohl wissend, dass durchschnittlich 75 % dieser Summe auf die energetische Sanierung entfallen werden. Zumal die Kosten für diese Arbeiten aufgrund der Gesetzgebung, die die Mieter schützt, kaum auf die Mieter umgelegt werden können.»
 

Und, davon ist Alice Kha überzeugt, was heute in Genf geschieht, wird morgen in den anderen Westschweizer Kantonen geschehen, die diesem Trend sicherlich folgen werden. Kurz gesagt, die Umwälzungen auf dem Immobilienmarkt haben gerade erst begonnen.

 

Olivier Toublan, Immoday