Angesichts der jüngsten Ankündigung der SNB, den Leitzins um 25 Basispunkte zu senken, haben sich einige Immobilieninvestoren bereits vorgestellt, der Wert ihrer Renditeobjekte könnte steigen. Diese Einschätzung ist wahrscheinlich zu optimistisch, wenn nicht gar ein wenig utopisch.
Mit einem Marktanteil von über 33% an den Schweizer Hypothekarkrediten tragen die Kantonalbanken eine grosse Verantwortung für den nationalen Immobilienmarkt. Da sie eng mit der Entwicklung ihres Kantons verbunden sind, kennen sie die lokalen Bedürfnisse sehr gut und wirken aktiv an der Wirtschafts- und Immobilienförderung im Kanton mit. Diese Rolle setzt indes ein Management der Risiken im Zusammenhang mit Hypothekarkrediten voraus. Denn obwohl sinkende Zinsen den Immobilienmarkt beflügeln können, ist es zentral, die Auswirkungen jeder Veränderung genau zu beobachten und Massnahmen zu ergreifen, um mögliche Ungleichgewichte zu vermeiden.
Da die Banken auf Stabilität bedacht sind, ist es für sie wichtig, Epiphänomene in den Immobilienbewertungsmodellen auszuschliessen. Sie nehmen eine mittel- bis langfristige Sicht ein und passen die Kapitalisierungssätze daher nicht bei jeder Aufwärts- oder Abwärtsbewegung der Zinsen an den Kapitalmärkten an. Eine verständliche Folge davon: Die Immobilienmarktakteure schreien Zeter und Mordio. Sie stellen fest, dass sich bei sinkenden Zinsen die Differenz zwischen den in die Verkaufspreise eingerechneten und den in den Bewertungen der Banken verwendeten Kapitalisierungssätzen vergrössert. Indem die Banken die Immobilien niedriger bewerten als der Immobilienmarkt (d. h. die Bewertung liegt unter dem Marktpreis), reduzieren sie das Kreditvolumen und zwingen die Investoren, mehr Eigenkapital für ihre Immobilienprojekte zu mobilisieren. Die Zurückhaltung der Banken könnte somit zu einer grösseren Risikonahme in puncto investiertes Eigenkapital führen oder die Gefahr einer Überhitzung oder der Entstehung einer Immobilienblase eindämmen. Bei steigenden Zinsen hingegen liebäugeln die Bewertungen der Banken mit den Verkaufspreisen. Es ist also festzuhalten, dass die Immobilienpreise viel volatiler sind als die Bewertungen der Bankexperten.
Die Kosten der Energiewende spiegeln sich in den Immobilienbewertungen wider. Die Investoren stellen sich bei energetischen Sanierungen vor allem die Frage, ob sich die Investition auszahlt. Aufgrund des regulatorischen Drucks werden Immobilienfonds und andere grosse Investmentgesellschaften zunehmend dazu angehalten, in ihren ESG-Berichten ihren CO2-Fussabdruck auszuweisen. Die Energieeffizienz der Gebäude wird vollständig in die Bewertung der Immobilien in Form von Sanierungskosten, die mittelfristig budgetiert werden müssen, um zumindest das Mietniveau des Gebäudes dauerhaft halten zu können, einbezogen.
Auch die Langwierigkeit von Entwicklungs- und Bauvorhaben ist ein Grund, weshalb sich die Immobilienwerte nur langsam verändern. Ein grosses Entwicklungsprojekt wird gut 10 Jahre vor dem ersten Spatenstich in Angriff genommen, analysiert und modelliert. Die Bewertung der Baukosten erfolgt aber auf der Grundlage von Finanzplänen, die zum Zeitpunkt des Finanzierungsantrags erstellt werden, also oft lange vor Erteilung der Baubewilligung. In den Jahren 2021 und 2023 sind die Preise für Baumaterialien sehr stark angestiegen. Trotzdem wurden die Bewertungen der Projekte in diesem Zeitraum nicht angepasst, da die Immobilienakteure dazu ermutigt werden, langfristig Wert zu schaffen. Fazit: Auch wenn die Baukosten steigen, bleibt der Ertragswert konstant.
Sylvie Hoecht,
Leiterin der Abteilung Immobilien & Bauen,
Banque Cantonale de Genève (BCGE)