Ein neues Gesetz, das derzeit im National- und Ständerat diskutiert wird, wird die Verkäufer von Immobilien direkt für Mängel haftbar machen und so die Käufer besser schützen. Dies dürfte zu einer Konsolidierung bei den Bauträgern und Generalunternehmen führen, weil die unzuverlässigsten Akteure nicht mehr werden bestehen können. Wenn alles nach Plan verläuft, dürfte das Gesetz 2025 verabschiedet werden und 2026 in Kraft treten.
In National- und Ständerat ist derzeit eine echte Revolution in Vorbereitung: Die beiden Kammern beraten nämlich über eine Revision des Kauf- und Werkvertragsrechts, wodurch die Position der Immobilienkäufer gestärkt werden soll. Wir besprechen die geplante Gesetzesänderung mit dem Anwalt Arnaud Nussbaumer und dem Anwalt und ehemaligen Nationalrat Guillaume Barazzone – beide Partner der Kanzlei Jacquemoud Stanislas in Genf – sowie mit Ramzi Chamat, Immobilien-Promotor und CEO der Oaks Group. Chamat zufolge dürfte die Gesetzesrevision den zuverlässigsten Marktakteuren wie seinem Unternehmen einen Vorteil verschaffen.
1. Besserer Schutz für Käufer
In der Praxis ist es heutzutage so, dass die Mängelhaftung des Verkäufers vertraglich wegbedungen werden kann. Dadurch ist der Käufer gezwungen, die Mängelrechte selbst gegenüber der Baufirma oder gar deren Subunternehmen geltend zu machen. Dies stellt die Käufer allzu oft vor echte Probleme. Höchste Zeit, das zu ändern. Darin sind sich der Bundesrat sowie National- und Ständerat einig. Wenn man eine Immobilie kauft, die Mängel aufweist, soll man als Käufer einen zentralen Ansprechpartner haben: den Verkäufer. Dieser kann seine Haftung für Mängel künftig nicht mehr ausschliessen. Er wird allfällige Mängel also selbst gegenüber dem Generalunternehmen oder dessen Subunternehmen geltend machen müssen.
2. Gesetzesänderung mischt die Karten neu
Das neue Gesetz ist «eine Revolution für das Baurecht», so Arnaud Nussbaumer. Für ihn ist diese Reform längst überfällig. Die Gesetzesänderung dürfte dazu führen, dass künftig mehr Käufer eine Mängelrüge einreichen. Bislang verzichten diese aufgrund der komplexen Materie häufig darauf, ihre Ansprüche geltend zu machen. Denn nicht nur muss der Käufer den Mangel nachweisen, er muss auch das verantwortliche Unternehmen ermitteln und dann zur Nachbesserung auffordern. Für den Käufer stellt dies häufig unüberwindbare Hürden dar.
3. Was versteht man unter einem Mangel?
Die Rechtsprechung in diesem Bereich ist bereits sehr umfangreich, und das neue Gesetz dürfte diesbezüglich keine Änderungen mit sich bringen, so Guillaume Barazzone. «Vereinfacht gesagt, liegt ein Mangel vor, wenn eine vertraglich zugesicherte Eigenschaft fehlt. Oder wenn ein Bauwerk nicht sachgemäss ausgeführt wurde.» Bei einem Mangel hat der Käufer Anspruch auf Nachbesserung auf Kosten des Verkäufers oder auf Minderung des Kaufpreises. Bei einem schweren Mangel ist er sogar zur Wandelung berechtigt, sprich zur Rückgabe der Immobilie gegen Rückzahlung des Kaufpreises.
4. Wie wirkt sich die Gesetzesänderung auf Kaufverträge aus?
Kaufverträge sind zum Schutz des Verkäufers häufig absichtlich unklar formuliert. Die Käufer werden künftig wahrscheinlich die Aufnahme eines detaillierten Baubeschriebs in den Vertrag verlangen, um ihren Anspruch auf Nachbesserung im Falle eines Mangels zu stärken.
5. Wie steht es um die Verjährungs- und die Rügefrist?
Der Nationalrat wollte die Verjährungsfrist von 5 Jahren auf 10 Jahre verlängern, konnte sich damit jedoch nicht durchsetzen. Es bleibt also dabei, dass Mängelrechte nach 5 Jahren verjähren. Die Rügefrist wird aber neu von 7 Tagen auf 60 Tage angehoben. Die Parteien können vertraglich jedoch auch eine längere Rügefrist vereinbaren. Das ist bereits heute der Fall, wenn beispielsweise die SIA-Norm 118 Anwendung findet. Diese gewährt nämlich eine Rügefrist von zwei Jahren.
6. Welche Gebäude fallen unter das neue Gesetz?
Hier herrschte grosse Uneinigkeit zwischen National- und Ständerat. Der Nationalrat möchte den Geltungsbereich des Gesetzes auf alle Gebäude ausweiten, unabhängig von ihrer Art, Grösse und Funktion. Es soll nach Ansicht des Nationalrats also auf Wohngebäude, Büros und Industriehallen gleichermassen anwendbar sein. Der Ständerat hingegen möchte den Geltungsbereich auf private Wohngebäude beschränken, die für den persönlichen oder familiären Gebrauch bestimmt sind, sprich vor allem auf Eigentumswohnungen, Stockwerkeigentum und Einfamilienhäuser.
7. Neu- und Altbauten?
In diesem Punkt waren sich die beiden Kammern einig: Das Gesetz wird auf unlängst erstellte Neubauten beschränkt sein. Sie sind der Meinung, dass beim Kauf eines schon länger bestehenden Gebäudes die Mängel bekannt sind oder im Zweifelsfall ein Expertengutachten angefordert werden kann. Einige Fragen bleiben jedoch noch offen: Was ist beispielsweise mit Renovationen? Handelt es sich in diesem Fall noch um einen Altbau oder schon wieder um einen Neubau? Der Nationalrat will umfangreiche Renovierungsarbeiten den Neubauten gleichstellen. Der Ständerat hingegen will Renovationen nicht in die Gesetzesänderung mit aufnehmen. Die beiden Anwälte Nussbaumer und Barazzone bedauern dies.
8. Für welche Käufer gilt das neue Gesetz?
Auch in diesem Punkt sind sich National- und Ständerat uneins. Der Nationalrat will das Gesetz auf alle Immobilienkäufer ausweiten. Der Ständerat hingegen möchte es auf Immobilien beschränken, die für den privaten oder familiären Gebrauch bestimmt sind. Er argumentiert damit, dass es für private Käufer schwieriger ist als für professionelle Investoren, Mängel zu erkennen und ihre Ansprüche geltend zu machen.
9. Wann tritt es in Kraft?
Das Gesetz wurde bereits in beiden Kammern beraten, es bestehen jedoch noch Abweichungen. Demnächst geht es in die Einigungskonferenz. Da sich aber im Grundsatz alle einig sind, sollten die Differenzen nicht unüberwindbar sein, meint Guillaume Barazzone. Wenn alles wie geplant läuft, sollte das Gesetz im ersten Halbjahr 2025 verabschiedet werden und Anfang 2026 in Kraft treten.
10. Was bedeutet das neue Gesetz für den Immobilienmarkt?
Die Versicherer arbeiten an entsprechenden Lösungen, um die Verkäufer abzusichern. Dies dürfte sich laut Ramzi Chamat jedoch kaum auf den Endpreis von Immobilien auswirken. Das neue Gesetz dürfte jedoch schnell den zuverlässigsten Marktakteuren in die Hände spielen und denjenigen, die ihren Kunden den besten Service bieten. Bauträger und Generalunternehmen mit solidem Ruf dürften davon profitieren. «Wir übernehmen für unsere Kunden zum Beispiel kostenlos die Bauherrenvertretung und sorgen so als Bindeglied zwischen Baufachleuten und dem Käufer für einen reibungslosen Ablauf», so Ramzi Chamat.
11. Verbesserung der Bauqualität?
Angesichts der neuen Verantwortung der Verkäufer könnte die Bauqualität in der Schweiz steigen. Es liegt künftig umso mehr im Interesse des Verkäufers, nur mit General- und Subunternehmen zusammenzuarbeiten, die gute Arbeit leisten und die er kennt. «Seriöse Bauträger wie die Oaks Group tun dies bereits, da Qualität für sie essenziell ist», erklärt Ramzi Chamat.
Redaktion-Immoday.ch