Das bei Immobilienentwicklern unbeliebte Vorkaufsrecht scheint bei Städten wiederum ein sehr geschätztes Instrument zu sein. Sie sind der Meinung, dass sie mit Hilfe dieses Rechts das Problem des Mangels an bezahlbarem Wohnraum in den Griff bekommen könnten. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage von BFS und SSV bestätigt dies.
Es ist keine grosse Überraschung, dass die Schweizer Städte der Meinung sind, dass es auf ihrem Gebiet nicht genügend bezahlbare Wohnungen gibt. Mit dem Haupteffekt, dass das Angebot unzureichend und nicht ausreichend diversifiziert ist. Das geht jedenfalls aus einer Umfrage hervor, die das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) und der Schweizerische Städteverband (SSV) in Auftrag gegeben hatte und von Wüest Partner durchgeführt wurde. Ziel war, die aktuelle Wohnsituation in den Städten und städtischen Gemeinden besser zu verstehen und deren Wohnraumpolitik zu beleuchten. Die Ergebnisse wurden jetzt veröffentlicht.
Baurecht gegen niedrige Mieten
Laut den Gemeinden, die an der Umfrage teilgenommen haben, sind alle städtischen Gemeinschaften, ob gross oder klein, der Ansicht, dass es bei ihnen an bezahlbarem Wohnraum für Haushalte mit Kindern und insbesondere für Alleinerziehende mangelt. Eine Situation, die in den Grossstädten besonders angespannt ist. Die deshalb alle zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um diesem Problem beizukommen. So ziehen es beispielsweise zwei Drittel der Grossstädte vor, ihr Land im Baurecht anzubieten, und zwar nur unter der Bedingung, dass die Bauträger niedrige Mieten anbieten. Eine Nische, die verschiedene Immobilienvehikel anlockt.
Für ein Vorkaufsrecht des Bundes
Doch nicht immer besitzen die Städte grosse Flächen Land. Über 80 % von ihnen sind übrigens der Ansicht, dass nicht genügend Bauland zur Verfügung steht. Viele würden gern Land zurückkaufen, können dies aber aufgrund der hohen Marktpreise nicht. Laut der Hälfte der befragten Städte liegt es aber auch am mangelnden Interesse der privaten Grundstückseigentümer.
In diesem Zusammenhang sind 60 % der befragten Städte der Meinung, dass neue Lösungen gefunden werden müssen, von denen die am häufigsten genannte lautet: die Einführung eines Vorkaufsrechts für Grundstücke und Gebäude auf Bundesebene. Ein Vorkaufsrecht, das übrigens bereits existiert, allerdings auf kantonaler Ebene, und zwar in den Kantonen Genf und Waadt. Ein Recht, das bei Immobilienentwicklern bereits ordentlich für Zähneknirschen gesorgt hat.
Die politischen Forderungen der Städte werden laut
Sophie Gaitzsch, Journalistin bei Le Temps, erinnert daran, dass im Kanton Waadt dieses Vorkaufsrecht 2017 in einer Volksabstimmung angenommen wurde, nachdem die Kampagne nicht gerade ruhig verlaufen war. Ein Recht, das übrigens nur für den gemeinnützigen Wohnungsbau und nur in Bezirken mit einer Leerstandsquote von unter 1,5 % genutzt werden kann.
Auch wenn es bisher noch eher selten vorkommt, wurde dieses Vorkaufsrecht bereits von einigen Gemeinden in Anspruch genommen, zum Beispiel in Vevey, wie eine Reportage von RTS berichtet, und zwar auf einem Stück Land, das von einer Pensionskasse gekauft werden sollte.
In Genf, wo das Vorkaufsrecht seit 1977 besteht, sind die Regeln strenger, fährt die Journalistin fort. Hier können Gemeinden per Gerichtsbeschluss den Verkäufer zwingen, seine Immobilie unterhalb des Marktpreises abzutreten, wenn dieser als überhöht angesehen wird.
Was bereits vorgekommen ist. Wie in dem Fall eines Einfamilienhauses in Chêne-Bourg, der mittlerweile in der gesamten kleinen Welt der Westschweizer Immobilien berühmt ist: Zwischen Privatpersonen wurde eine Einigung über einen Kaufbetrag von 2,2 Millionen Franken erzielt, wohingegen der Kanton sein Vorkaufsrecht geltend machte und dem Eigentümer nur 1,6 Millionen Franken bot. Der Fall ist noch vor Gericht anhängig.
Die Immobilienbranche flucht
Es überrascht nicht, dass die Immobilienbranche gegen die Ausweitung eines Vorkaufsrechts für Grundstücke und Gebäude auf Bundesebene ist. Olivier Feller, Waadtländer Nationalrat (PLR) und Direktor der Waadtländer Immobilienkammer, erklärt auf Anfrage von RTS, dass dieses Vorkaufsrecht kein Mittel gegen die Knappheit sei. Als Beweis führt er das Beispiel Genf an, wo diese Knappheit besonders akut ist, obwohl das Vorkaufsrecht seit 1977 besteht.
Monika Litscher, Vizedirektorin des SSV, hat im Rahmen eines Interviews mit Le Temps die Bedeutung der Ergebnisse abgemildert, da es sich letztlich nur um eine Umfrage handelte. Sie gesteht aber dennoch ein, dass das Ziel nun sei, eine politische Forderung zu erarbeiten, um den Städten neue Instrumente für ihre Wohnungspolitik an die Hand zu geben.
Next stop: Zürich. Der bevölkerungsreichste Kanton der Schweiz könnte bald über dieses Vorkaufsrecht abstimmen, wenn eine von der Sozialdemokratischen Partei lancierte Standesinitiative zustande kommt. Woran bei einem sensiblen Thema wie diesem kein Zweifel besteht.
Olivier Toublan, Immoday