
Immobilien in der Westschweiz weisen im Bereich Nachhaltigkeit ein deutlich höheres Verbesserungspotenzial auf als jene in der Deutschschweiz. Zudem droht die Energiewende in den beiden Landesteilen unterschiedlich schnell voranzukommen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des CRML in Lausanne, für die über 20'000 Immobilien im Besitz von 136 Schweizer Immobilien-Gefässen untersucht wurden.
Um auf dem Weg zur Dekarbonisierung voranzukommen, erweist sich Geld als ein hervorragender Treibstoff. Allerdings muss man die Mechanismen genau verstehen, damit das Geld möglichst dorthin fliesst, wo es am meisten bewirkt. Wie kann man also dafür sorgen, dass der Geldfluss das Räderwerk gut ölt und nicht zum Sand im Getriebe wird? Braucht es noch weitere Antriebsmittel, damit der Motor rund läuft?
Die heute erscheinende Studie des Center for Risk Management in Lausanne (CRML), das an der Faculté des Hautes Etudes Commerciales (HEC) der Universität Lausanne angesiedelt ist, kann helfen, Antworten auf diese Fragen zu finden. Die Forschenden haben die Umwelt- und Sozialscores der Portfolios von 136 Schweizer Immobilienanlagevehikeln (Real Estate Investment Vehicles, REIV) mit verwalteten Vermögen von insgesamt 200 Milliarden Franken untersucht und dabei die Eigenschaften von 20'000 Gebäuden genauer unter die Lupe genommen. Dies entspricht 4% der Schweizer Wohngebäude (mit drei oder mehr Wohneinheiten).
Gestützt auf die Daten von Quanthome geht die Studie davon aus, dass sich der Grossteil der Immobilien der REIV in den wichtigsten Wirtschaftszentren der Schweiz konzentriert, also in Zürich (über 80'000 Wohneinheiten), in der Waadt (rund 30'000), in Genf (rund 25'000) und Basel-Stadt (gut 18'000). Da 40% dieser Gebäude zwischen 1950 und 1989 errichtet wurden, bieten sie sich für energetische Sanierungen an.
Multifaktorieller Röstigraben
Die vier oben genannten Orte wurden anschliessend einer genaueren Untersuchung hinsichtlich sozialer (S) und ökologischer (E) Kriterien unterzogen. Bei den sozialen Kriterien zeigt sich eine gewisse Homogenität, bei den ökologischen Kriterien liessen die Deutschschweizer Städte die Städte der Romandie aber weit hinter sich. Basel ist mit 5,14 Punkten (auf einer Skala von 1 bis 10) vorbildlich, Zürich (4,81) schneidet etwas schlechter ab, aber immer noch besser als Lausanne (4,54) und Genf (4,44). Auf Kantonsebene sieht es nicht anders aus: Die Innerschweizer Kantone Nidwalden, Obwalden, Schwyz und Uri führen die Rangliste an, Waadt, Neuenburg und Genf bilden die Schlusslichter.
Sind die Romands also Drückeberger? Ganz so ist es nicht. Eine differenziertere Betrachtung macht die Situation verständlicher. Das durchschnittliche Erstellungsjahr der Gebäude in Genf (1949) und Lausanne (1952) liegt deutlich weiter zurück als dasjenige der Basler und Zürcher Gebäude, die vermehrt aus den 1960er Jahren stammen. Hinzu kommt die Mitwirkung der öffentlichen Hand. Wie Professor Eric Jondeau, Gründer des CRML, feststellt, wurde die Fernwärme in Basel relativ rasch eingeführt und den Hauseigentümern schon vor mehreren Jahren zur Verfügung gestellt. In Lausanne ist dieser Prozess zwar auch schon im Gange, aber noch haben bei weitem nicht alle Zugang zur Fernwärme. Betrachtet man die Gebäude, die von REIV verwaltet und immer noch mit fossiler Energie versorgt werden, so findet man einen grossen Anteil davon im Kanton Waadt.
Ein weiterer Hebel zur Förderung der Energiewende ist die Gesetzgebung. Dr. Nathan Delacrétaz, ebenfalls Forscher bei Quanthome, verweist auf den Bericht des WWF, in dem Basel als Lehrbeispiel angeführt wird, und gibt zu bedenken, dass das Gesetz eine Sache ist, die Umsetzung in die Praxis aber eine andere. Das zeige sich in Genf, wo relativ früh sehr strenge Regeln aufgestellt worden seien, die Ergebnisse aber trotzdem nicht berauschend seien. Und das liegt nicht nur an den REIV, sondern hat mit der Stadt selbst zu tun. Unterstützend können z. B. Steuererleichterungen, Subventionen oder auch die Bewilligung von Gebäudeaufstockungen sein.
Balanceakt zwischen finanzieller Performance und ökologischer Impact
Für die Schwergewichte unter den REIV ist es einfacher, Kurs auf das Klimaneutralitätsziel des Bundes für 2050 zu nehmen. Wie Nathan Delacrétaz erklärt, ist es schlicht eine Frage der Ressourcen: Je kleiner das Vermögen, desto komplizierter die Umsetzung einer ESG-Strategie. Dieser Grössenfaktor verzerrt den Vergleich zwischen der Romandie und der Deutschschweiz, wo die REIV tendenziell über mehr Vermögen verfügen.
Es könnten aber auch andere Wege beschritten werden. So meint Nathan Delacrétaz, dass für kleinere REIV Investoren interessant sein könnten, die sich an der Strategiediskussion beteiligen, die Energiewende logistisch unterstützen und auf ein Vorankommen drängen. Sie müssen die Arbeiten überprüfen und auch begleiten. Hier ist also das Profil eines aktiven Investors gefragt. Sie sollten also eher einen Schritt zurücktreten und überlegen, welche Investoren sie sein wollen: solche, die sich für bereits ESG-konforme Immobilien interessieren, oder solche, die die Energiewende vorantreiben wollen. Und natürlich kann es auch sehr gut eine Mischung aus beiden sein.
So gesehen kann die Energiewende, die in unterschiedlichen Geschwindigkeiten abläuft, auch eine Chance darstellen. Die Frage ist nur, wohin man sein Kapital lenkt. «Es gibt viele Investoren, vor allem die grossen, die die Fonds leicht herausfordern könnten, damit diese den Weg Richtung Energiewende einschlagen», meint Eric Jondeau. «Die Möglichkeiten, Einfluss auf den REIV zu nehmen, sind wirklich gross.» Dank der vom CRML erstellten ESG-Profile ist dieser Weg nun bereits geebnet.
Anetka Mühlemann