
In einer neuen Studie von BN Conseils werden die Kosten für die Anpassung der Mietwohnungsbestände in den Kantonen Waadt und Genf an die neuen Energievorschriften 2040 auf 30 bzw. 15 Milliarden Franken geschätzt. Trotz der enormen Aufwendungen stellen diese Renovierungsarbeiten für die Immobilienbesitzer eine Chance dar – sofern sie gut geplant werden, denn nicht alle Renovierungen sind gleich rentabel.
Es gibt zahlreiche Studien zur Nachhaltigkeit des Schweizer Immobilienparks. BN Conseils, der strategische Stab der Bernard Nicod Gruppe, hat in seiner Studie die Kosten für die Anpassung der Mietwohnungsbestände in den Kantonen Genf und Waadt an die neuen Energievorschriften 2040 geschätzt: 15 Milliarden Franken für den Kanton Genf und 30 Milliarden Franken für die Waadt.
Ein enormer Aufwand, entspricht er doch einer Investition von 6 Millionen Schweizer Franken pro Tag über die nächsten rund 20 Jahre! Allerdings beläuft sich die Zahl der renovierungsbedürftigen Gebäude in diesen beiden Kantonen den Berechnungen von BN Conseils zufolge auf 38 000. Das sind mehr als drei Viertel des Gebäudebestands.
Da die Studie dazu dienen soll, den Akteuren der Immobilienbranche angesichts der unumgänglichen Energiewende einen strategischen Kompass an die Hand zu geben, haben wir die beiden Verantwortlichen, Romain Nicod und Emanuel von Graffenried gefragt, welche konkreten Lösungen sie für die Immobilienbesitzer bereithalten.
Romain Nicod, Emanuel von Graffenried, wie können die Immobilienbesitzer der unumgänglichen Herausforderung der Nachhaltigkeit heute begegnen?
Nach einer 360-Grad-Analyse der Immobilien muss zunächst ein strategischer Kompass festgelegt und dann ein Aktionsplan ausgearbeitet werden. Ziel dieser strategischen Planung ist es, mit den Renovierungen eine maximale Wirkung erzielen.
Was sollten die Prioritäten sein?
Erste Priorität haben die energieintensivsten Gebäude, die dringend modernisiert werden müssen (vereinfacht gesagt: Gebäude, die vor 1980 gebaut wurden und unseren Berechnungen zufolge über 55% der energieintensiven Flächen ausmachen). Bei diesen Gebäuden können die Heizkosten durch eine Renovierung erheblich gesenkt werden. Relativ neue Gebäude oder solche mit geringem Energieverbrauch zu renovieren stellt hingegen kaum die effizienteste Nutzung von Zeit, Energie und Geld dar.
Für einen nachhaltigen Gebäudebestand zu sorgen wird viel Geld kosten. Laut Ihrer Studie beläuft sich der Finanzierungsbedarf für den Kanton Genf auf 15 Milliarden Franken und für den Kanton Waadt auf 30 Milliarden Franken. Hochgerechnet auf die ganze Schweiz macht das etwa 300 Milliarden Franken.
Eine solche Hochrechnung ist unserer Meinung nach nicht möglich. Die Situation in den einzelnen Kantonen ist unterschiedlich. Die Immobilienparks der Kantone Waadt und Genf stellen einen Sonderfall dar, denn sie sind vermutlich sanierungsbedürftiger als diejenigen der grossen Deutschschweizer Kantone. Zudem sind die Auflagen in Sachen Nachhaltigkeit in diesen beiden Westschweizer Kantonen strenger, was mit höheren Ausgaben verbunden ist. Gemäss einer Studie von Wüest Partner werden die Investitionen, die nötig sind, um den Schweizer Wohngebäudepark bis 2050 klimaneutral zu machen, auf 52 bis 228 Milliarden Franken geschätzt, je nachdem, in welchem Umfang die energetische Sanierung durchgeführt wird (reiner Heizungsersatz oder umfassende energetische Sanierung einschliesslich Nachdämmung der Gebäudehülle).
Das sind aber immer noch gigantische Beträge. Wie sollen diese Kosten finanziert werden?
Sicher, es sind Riesenbeträge, aber diese Investitionen sind unerlässlich, um mehr Nachhaltigkeit zu erreichen. Diese Herausforderung könnte mithilfe von Subventionen, Steueranreizen und grünen Hypotheken bewältigt werden. In der Schweiz decken die Subventionen heute 29% der Renovierungskosten ab, allerdings gibt es grosse kantonale Unterschiede.
Welche Auswirkungen werden diese Investitionen auf die Renditen der Immobilien haben?
Wenn die Investitionssumme die Mieteinnahmen übersteigt, könnten die Renditen der Anleger sinken. Andererseits dürfen wir nicht vergessen, dass der Marktwert der Gebäude durch die energetische Sanierung steigt. In diesem Zusammenhang ist erneut auf die Bedeutung der strategischen Planung hinzuweisen, denn manchmal kann sich eine umfassende Renovierung als weniger rentabel erweisen als der reine Heizungsersatz. Mithilfe einer 360-Grad-Analyse der Immobilie lässt sich dies herausfinden.
Das ist die Theorie, aber wie sieht es in der Praxis aus? Steigt der Wert eines Gebäudes nach seiner Renovierung tatsächlich?
Ja, diese Investitionen zahlen sich langfristig tatsächlich aus. Eine bedeutende energetische Sanierung kann dazu führen, dass der Marktwert um 8% bis 15% steigt. Gemäss unserer Studie könnte der Wert des Mietwohnungsbestands im Kanton Genf von 125 auf 150 Milliarden Franken und im Kanton Waadt von 155 auf 195 Milliarden Franken steigen, wenn die Gebäude renoviert würden. Ausserdem würden diese Renovierungen zu einem Anstieg des Mietspiegels führen: im Kanton Genf um 10% bis 15% und in der Waadt um bis zu 20%.
Da kann man das Zähneknirschen der Mieter und den Aufschrei der Mieterorganisationen förmlich hören.
Nicht unbedingt, denn die Renovierung ermöglicht auch eine erhebliche Senkung der Nebenkosten.
Ist es für einen Immobilienbesitzer nicht besser, sich einfach von all seinen energetischen Altbauten zu trennen und nur noch Neubauten zu kaufen?
Neue Gebäude werden häufig nach Nullenergie- oder Minergie-Standards konzipiert, wodurch Investitionen in die Nachhaltigkeit für die ersten Jahrzehnte entfallen. Solche Immobilien sind bei ESG-bewussten Mietern und Anlegern beliebter und sie sind zudem auch mit weniger regulatorischen Risiken verbunden. Die Anschaffungskosten für Neubauten sind jedoch hoch, insbesondere in einem angespannten Markt wie der Schweiz. Daher sind sie für kurzfristige Strategien weniger interessant, denn im Vergleich zu einem alten Gebäude, das renoviert und aufgewertet werden kann, ist das Wertsteigerungspotenzial von Neubauten begrenzt. Zudem darf nicht vergessen werden, dass der Verkauf energetischer Altbauten einen sofortigen Wertverlust zur Folge haben kann, da sie für Investoren aufgrund ökologischer Bedenken und regulatorischer Zwänge unattraktiv sind.
Ist es also besser, energetische Altbauten zu behalten?
Es ist nicht ratsam, sich systematisch von energetisch nicht sanierten Wohnimmobilien zu trennen. Vielmehr sollte für jedes Objekt einzeln erwogen werden, was angesichts seines technischen Zustands, seines Standorts und der allgemeinen Anlagestrategie des Fonds vorteilhafter ist: die Renovierung oder der Verkauf. Wie bereits erwähnt, kann ein altes Gebäude durch Renovierung manchmal deutlich aufgewertet werden, während in anderen Fällen der Kauf eines Neubaus die bessere Lösung ist.
Werden aufgrund der Nachhaltigkeitsauflagen viele Immobilien auf den Markt kommen? Zum Beispiel solche von Investoren, die nicht über die erforderlichen finanziellen oder logistischen Mittel verfügen oder schlichtweg keine Lust haben, sich mit energetisch unsanierten Gebäuden herumzuschlagen?
Investoren, die nicht über die für die Modernisierung erforderlichen Mittel verfügen oder der Ansicht sind, dass sich diese Investitionen negativ auf die Rentabilität ihrer Gebäude auswirken würden, werden sich für den Verkauf entscheiden. Es ist daher wahrscheinlich, dass in den kommenden Jahren mehr Immobilien auf den Markt kommen, weil der finanzielle Druck (ungenügende Finanzmittel für eine Renovierung) oder der logistische Druck (Zeitmangel oder mangelnde Flexibilität) zu gross sind. Dieser Trend dürfte besonders bei Eigentümern mit wenig Immobilienbesitz oder bei solchen mit Gebäuden am Stadtrand zu beobachten sein, wo sich Renovierungen aufgrund der dortigen Mieten kaum rentieren.
Werden energetisch unsanierte Immobilien billiger werden, wenn sie in grosser Zahl auf den Markt kommen?
Wahrscheinlich, denn laut unserer Studie könnten in den nächsten 20 Jahren etwa 10% der Wohngebäude zum Verkauf angeboten werden, da die Mittel für die notwendigen Renovierungsarbeiten fehlen. Umgekehrt könnten Gebäude, die den Klimastandards bereits entsprechen – weil sie neu sind oder entsprechend saniert wurden –, noch begehrter werden und eine Umweltprämie generieren.
Dieser Preisrückgang kommt den Investoren entgegen, die eine gegenläufige Strategie verfolgen und energetische Altlasten kaufen, um sie zu renovieren. Doch ist das eine rentable Strategie?
Je nach den verfügbaren Fördermitteln und dem Grad der Energieeinsparung kann sich diese Strategie finanziell lohnen. Allerdings nur in Kantonen, die hohe Subventionen anbieten oder wo die Mietnachfrage hoch ist.
Alle sprechen von der Notwendigkeit, die Nachhaltigkeit des Schweizer Immobilienbestands zu erhöhen. Ist das ein frommer Wunsch oder ein Trend, der sich durchsetzt?
Die Zahlen zeigen, dass die Wende zu mehr Nachhaltigkeit stark an Fahrt gewinnt: Laut Wüest Partner wird bis 2025 ein Anstieg der Investitionen für Sanierungen um 9% erwartet, während es bei den Neubauten nur 3,4% sind. Man kann also sagen, dass die Wende in Gang gekommen ist, auch wenn das Tempo noch weiter gesteigert werden müsste, wenn der Schweizer Wohngebäudepark bis 2050 CO2‑neutral werden soll.
Immoday-Redaktion
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