Texas verbannt ESG-Kriterien. Diese Entscheidung kostet den Bundesstaat ein Vermögen.

11/05/2023

Immoday

Olivier Toublan

5 Min

Wer sich aus doktrinären Gründen weigert, mit Banken zusammenzuarbeiten, die ESG-Kriterien einhalten, bürdet Anleiheschuldnern höhere Kosten auf. Diese können sich auf Hunderte Millionen Franken belaufen. Wie das Beispiel Texas zeigt.

 

Nur selten gehen politische Ideologie und eine gute Finanzführung Hand in Hand. Das amerikanische Nachrichtenportal Quartz weiss diese kurze, aufschlussreiche Geschichte zu erzählen, die allerdings nicht nur Immobilieninvestitionen betrifft.
 

Doch vorab etwas Kontext. Im Jahr 2021 verbot der texanische Gesetzgeber den Städten des Bundesstaates, Banken zu beauftragen, die auf ESG-Standards achten und beispielsweise die Finanzierung der Öl- und Gasindustrie oder von Schusswaffen einschränken. Das Ziel war natürlich, die Banken unter Druck zu setzen, bis sie einknicken. Ziel verfehlt.

 

Ein Imageverlust, der grösser ist als die finanziellen Verluste

 

Diese Banken haben Berechnungen angestellt, nicht nur finanziell, sondern auch in Bezug auf ihr Image. Und mehrere haben schlichtweg beschlossen, nicht mehr mit den texanischen Gemeinden zusammenzuarbeiten. Wie die Journalisten von Quartz berichten, haben sich fünf grosse Zeichner von Kommunalanleihen, die mehr als ein Viertel aller Angebote in Texas ausmachen, aus dem Bundesstaat zurückgezogen.
 

Zwar haben die Gemeinden, die Anleihen ausgeben, andere Finanzierungsmöglichkeiten gefunden, aber diese erwiesen sich als wesentlich teurer. Universitäre Forscher haben sich mit diesem Thema befasst und herausgefunden, dass die Kreditkosten dieser Gemeinden um durchschnittlich 0,41 Prozentpunkte gestiegen sind.

 

Hunderte Millionen zusätzlicher Zinsen

 

Am Ende müssen die texanischen Gemeinden aufgrund der verschärften Kreditbedingungen zwischen 300 und 500 Millionen US-Dollar an zusätzlichen Zinsen zahlen. Und das betrifft nur die 32 Milliarden US-Dollar, die in den ersten acht Monaten nach Inkrafttreten des Anti-ESG-Gesetzes aufgenommen wurden.
 

Die Wissenschaftler erklären, dass die Verhandlungen für die Gemeinden schwieriger wurden, weil es weniger Finanzinstitute gab, die an diesen Anleihen interessiert waren, was wiederum zu höheren Kosten führte. Ausserdem wurden diese Anleihen in einer höheren Anzahl kleiner Transaktionen an Investoren verkauft, was bedeutet, dass es mehr Intermediäre gab, die für jede Transaktion auch mehr Provisionen kassierten. Letztendlich profitierten die verbliebenen Anleger von der Tatsache, dass es weniger Zeichner auf dem Markt gab, und konnten höhere Renditen verlangen.

 

Die meisten Banken halten lieber ESG-Kriterien ein

 

Die Forscher räumen ein, dass nicht absehbar war, dass sich die von der Regierung anvisierten Banken nach Inkrafttreten des Anti-ESG-Gesetzes aus Texas zurückziehen würden. Ausserdem sind einige von ihnen seitdem zumindest teilweise wieder auf den Markt zurückgekehrt. «Möglicherweise hat der Staat die Art und Weise, wie er die Regelung anwendet, geändert», erklärt ein Forscher. «Es könnte auch sein, dass die Banken ihr Verhalten in einigen Fällen überdacht haben, um die Bestimmungen einzuhalten. Und schliesslich ist auch möglich, dass die Banken einfach auf Nummer sicher gegangen sind und abgewartet haben, wie die Regelung umgesetzt wird.
 

Wie dem auch sei, inzwischen ist klar, dass einige Banken, die nicht nur Geschäfte abschliessen, sondern auch die Nachhaltigkeitsansprüche ihrer Kunden, Mitarbeiter und sogar ihrer Investoren erfüllen müssen, ihren ESG-Zielen inzwischen mehr Bedeutung beimessen als öffentlichen Finanzierungsgeschäften. Umgekehrt ist inzwischen ebenso klar, dass rein ideologisch motivierte politische Diktate, die Unternehmen davon abhalten wollen, bestimmte ESG-Kriterien einzuhalten, nicht mehr funktionieren. Im Gegenteil, sie erweisen sich sogar als kontraproduktiv.
 

Olivier Toublan, Immoday