Interview mit Eliane Débaz, Leiterin der Rechtsabteilung der Immobilienverwaltung de Rham, zu den Empfehlungen der Verwaltung zur Erhöhung des Referenzzinssatzes

25/07/2023

Olivier Toublan

Immoday

5 min

«Wir empfehlen den Vermietern eine differenzierte Vorgehensweise nach verschiedenen relevanten Kriterien»

 

Mit der Anhebung des hypothekarischen Referenzzinssatzes werden die Vermieter die Mieten erhöhen können. Um Probleme und Einsprachen zu vermeiden, haben einige Immobilienverwaltungen Empfehlungen abgegeben. Im Folgenden diejenigen der Verwaltung de Rham.

 

Am 1. Juni wurde die erwartete Erhöhung des hypothekarischen Referenzzinssatzes vom Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) offiziell bekannt gegeben. Die Vermieter können nun die Mieten um 3% anheben – zumindest theoretisch. Die Praxis könnte sich indes als schwieriger erweisen. Tatsächlich hat es seit 2008, als der vom BWO ermittelte schweizweit einheitliche Satz eingeführt wurde, keine Erhöhung des Referenzzinssatzes mehr gegeben und niemand weiss, wie die Mieter oder die Mieterverbände reagieren werden.
 

Um Einsprachen zu vermeiden, haben einige Immobilienverwaltungen ihre Rechtsabteilung damit beauftragt, die neue Situation zu analysieren und den Vermietern Lösungen vorzuschlagen. So zum Beispiel die Immobilienverwaltung de Rham, eine der ältesten in der Romandie, die über 9000 Wohnungen bewirtschaftet und jährliche Mieteinnahmen von über 240 Millionen Schweizer Franken erzielt. Dies entspricht einem Immobilienportfolio von etwa 5 Milliarden Franken und der Unterzeichnung von mehr als 2000 neuen Mietverträgen jedes Jahr. Kurzum, die Immobilienverwaltung de Rham ist ein Schwergewicht in der Branche, weshalb man sich die Empfehlungen anhören sollte. Eliane Débaz, Leiterin der Rechtsabteilung der Immobilienverwaltung und stellvertretende Direktorin, erläutert sie uns.

 

Eliane Débaz, kam diese Erhöhung des Referenzzinssatzes überraschend?

 

Nein, wir haben damit gerechnet, und wir erwarten eine weitere Erhöhung im Dezember, wie das Bundesamt für Wohnungswesen angedeutet hat. Die letzte Erhöhung erfolgte nicht 2008, sondern 1992, als der Satz von 6,75 auf 7% angehoben wurde. Seit 1993 wurde der Zinssatz dann schrittweise reduziert, bis er zuletzt im März 2020 von 1,5 auf 1,25% gesenkt wurde.

 

Was ist technisch gesehen die Folge dieser Anhebung?

 

Die Vermieter werden ihre Mieten um 3% erhöhen können, wenn diese auf dem alten Referenzzinssatz von 1,25% beruhen, wobei auch die Entwicklung der anderen Parameter, welche die Mieten beeinflussen, berücksichtigt werden muss, d. h. der LIK, die Betriebskosten und eventuelle grössere Bauarbeiten.

 

Werden die Mieten auch tatsächlich erhöht?

 

Die Mieten werden tatsächlich erhöht, wenn es sich um neuere Mietverträge handelt, die seit dem 3. März 2020 abgeschlossen wurden, oder wenn bestehende Mieten aufgrund der Reduzierung des Referenzzinssatzes auf 1,25% gesenkt wurden.

 

Welche Empfehlungen geben Sie Vermietern nach dieser Erhöhung des Referenzzinssatzes?

 

Unsere Rechtsabteilung hat diese neue Situation im Zusammenhang mit der Vermietung, für die wir zuständig sind, analysiert. Bei Mieterhöhungen schlagen wir ein differenziertes Vorgehen vor, bei welchem alle relevanten Faktoren berücksichtigt werden, um die Interessen der Vermieter wahrzunehmen, ohne dabei bei Einsprachen die Situation der Mieter ausser Acht zu lassen. Denn man darf nicht vergessen, dass sich einige Mieter bereits mit einem erheblichen Anstieg ihrer Nebenkosten konfrontiert sehen, weil die Preise für fossile Brennstoffe und Strom gestiegen sind.

 

Was empfehlen Sie also Vermietern in Bezug auf Mietanpassungen?

 

Den Vermietern empfehlen wir, die Miete im zulässigen Umfang anzuheben, aber einige zusätzliche Faktoren einzubeziehen, wie z. B. die Obergrenze der Marktmieten, das Datum, an dem der Mieter eingezogen ist, oder eine Analyse der Gründe für Mieterhöhungen.

 

Was bedeutet das genau?

 

Die neue Miete sollte die Obergrenze der Marktmieten nicht überschreiten, um Auszüge und damit Mieterwechsel zu vermeiden, die unweigerlich zu zusätzlichem Unterhalt oder – je nach Region – sogar zu Leerständen führen. Ebenso empfehlen wir den Vermietern – falls der Mietvertrag erst vor Kurzem unterzeichnet wurde – zuzuwarten und nicht gleich beim ersten möglichen Termin die Miete zu erhöhen, sondern erst, nachdem die Miete zwei Jahre stabil war. Ausserdem empfehlen wir nur dann eine Mieterhöhung, wenn diese mehr als 20 Franken pro Monat beträgt. Ein niedrigerer Betrag lässt den Vermieter so aussehen, als wäre er systematisch darauf aus, seinen Gewinn zu maximieren – und dies vor dem Hintergrund eines allgemeinen Kaufkraftverlusts der Bevölkerung.
 

Bei indexierten Mietverträgen muss auch die Fälligkeit des Mietvertrags berücksichtigt werden. Wir empfehlen daher, bestimmte Indexierungen aufzuschieben, sodass sie ohne das Risiko einer Mietzinssenkung für den Vermieter in Kraft treten können.

 

Sie haben auch von der besonderen Situation des Mieters gesprochen. Was bedeutet das?

 

Wenn der Mieter Einsprache gegen die Erhöhung erhebt und nachweist, dass er sich in einer schwierigen persönlichen Lage befindet, z. B. alt ist und lediglich über beschränkte finanzielle Mittel verfügt, dann empfehlen wir, die Miete nur teilweise anzupassen oder schrittweise bis zur zulässigen Obergrenze zu erhöhen. Umgekehrt ist es bei einem Schlichtungsverfahren bisweilen möglich, die wirtschaftliche Situation wohlhabender Mieter anzuführen, um sie davon zu überzeugen, dass die Miete im Verhältnis zu ihrem Einkommen trotz der Erhöhung immer noch angemessen ist.

 

Glauben Sie, dass es viele Einsprachen geben wird, wenn die Mieter einen Erhöhungsbescheid erhalten?

 

Im Grossen und Ganzen haben wir nach den Erhöhungsbescheiden des letzten Jahres relativ wenige Einsprachen festgestellt. Damals waren die Mieterhöhungen hauptsächlich durch den Anstieg des LIK begründet.
 

Bei Mieten, die an den hypothekarischen Referenzzinssatz gekoppelt sind, fechten die Mieter ziemlich oft die Erhöhung der Betriebskosten des Gebäudes an. Dies ist ein Grund, der umstritten ist und sich relativ schwer ermitteln lässt.
 

Zweifelsohne sind die Berechnungen der Mietanpassungen für viele Mieterinnen und Mieter nicht leicht nachvollziehbar. Es handelt sich hierbei um einen «hochtechnischen» Bereich, wie das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung bisweilen festhält. Unsere Rechtsabteilung antwortet jedem Mieter, der Fragen zu seiner Mieterhöhung hat, gerne und persönlich. Mit dieser klaren Kommunikation kann die Anzahl der Verfahren gesenkt werden.

 

Glauben Sie, dass die Vermieter Ihre Empfehlungen befolgen werden?

 

Das hoffen wir, denn wir glauben, dass sie sinnvoll sind und ihnen Einsprachen oder nachteilige Auswirkungen ersparen können. Dennoch sind wir als Bevollmächtigte verpflichtet, uns an alle Anweisungen unserer Kunden – namentlich der institutionellen – zu halten und sie umzusetzen. Im Übrigen bieten wir ihnen auch eine Argumentationshilfe an, um der Kritik aus Mieterkreisen und von verschiedenen Interessenvertretern in diesem Bereich zu begegnen.

 

Bitten geben Sie uns einige Beispiele für Argumente aus Ihrer Argumentationshilfe?

 

Erstens entsprechen alle unsere Mietanpassungen den gesetzlichen Vorgaben und der Rechtsprechung. Zweitens werden nur die Mieten angehoben, die nicht auf dem aktuellen Referenzzinssatz beruhen. Dies betrifft in erster Linie Mieter, die nach den sukzessiven Senkungen des hypothekarischen Referenzzinssatzes jeweils eine Mietzinsreduktion gefordert haben. Darüber hinaus empfehlen wir unseren Vermietern – wie bereits erwähnt –, bei nachweislich schwierigen Situationen fallweise vorzugehen und neben den rechtlichen und finanziellen Aspekten auch soziale und menschliche Erwägungen einzubeziehen.

 

Ist diese Erhöhung des Referenzzinssatzes Ihrer Meinung gerechtfertigt?

 

Diese Erhöhung des Referenzzinssatzes spiegelt für viele Vermieter die Tatsache wider, dass sie an Banken oder Versicherungen höhere Hypothekarzinsen zahlen müssen. Zudem sind die Vermieter mit erheblichen Kostensteigerungen konfrontiert, insbesondere bei der Instandhaltung der Gebäude. Man darf nicht vergessen, dass immer spezifischere Anforderungen in vielen Bereichen die Instandhaltung und Sanierung von Gebäuden immer teurer machen, sei es in Bezug auf den Energieverbrauch, die Nachhaltigkeit oder die Sicherheit.

 

Olivier Toublan