Preise für Wohnimmobilien: Die Schweiz bleibt in Europa eine Ausnahme

10/07/2023

Immoday

Olivier Toublan

5 min

Mit einem realen Preisanstieg bei Wohnimmobilien von 2,4% im Jahr 2022 hat es die Schweiz im Vergleich zu ihren Nachbarn gut getroffen. In den meisten westeuropäischen Ländern waren die realen Immobilienpreise nämlich rückläufig, wie ein von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) veröffentlichter Bericht zeigt.

 

«Wenn ich mich betrachte, mache ich mir Sorgen, wenn ich mich vergleiche, beruhige ich mich», lautet eine alte ironische Redewendung. Nun, das können sich die Eigentümer von Wohnimmobilien in der Schweiz sagen, wenn sie die Performance des Binnenmarktes mit der der europäischen Nachbarländer oder sogar mit den grössten Volkswirtschaften der Welt, wie den USA oder China, vergleichen. Dies geht nämlich aus einem kürzlich veröffentlichten Bericht der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hervor, für den die Preisschwankungen für Wohnimmobilien im Jahr 2022 in rund 60 Ländern – die zu den grössten Volkswirtschaften der Welt zählen – erfasst wurden. Natürlich in nominalen Werten, aber auch in realen Preisen nach Abzug der Inflation. Was nach den letzten Monaten, in denen die Inflation in die Höhe geschnellt ist, nicht ganz zu denselben Ergebnissen führt.

 

Die grossen Volkswirtschaften der Welt haben es nicht leicht

 

Zunächst ist da die Schweiz, die einen nominalen Anstieg der Preise für Wohnimmobilien um 5,4 % und vor allem einen realen Anstieg um 2,4 % verzeichnete und damit zu den Musterschülern unter den grossen Volkswirtschaften zählte. Das ist deutlich besser als bei den grossen Volkswirtschaften der Welt, die fast alle zu kämpfen haben.
 

Tatsächlich stagnierte sogar der Immobilienmarkt in den USA bei einem realen Nullwachstum (und einem nominalen Anstieg von 7,1 %). China hat es mit einem Rückgang der realen Immobilienpreise um 5,4 % (nominal: -3,7 %) schlimmer getroffen. Unter den Wirtschaftsriesen bildet nur Japan eine Ausnahme. Hier sind die realen Immobilienpreise 2022 um 3,9 % (nominal: +7,9 %) gestiegen.
 

Ansonsten lässt sich die traurige Litanei des Sinkflugs fortsetzen. Auch Indien kassierte einen Rückgang, real um 3,1 % (nominal +2,8 %). Brasilien verzeichnete ebenso einen realen Rückgang um 5,8 % (nominal +3,8 %). Und Kanada, die zehntgrösste Volkswirtschaft der Welt, musste den Sturz seiner Preise für Wohnimmobilien bis 2022 um fast 10 % (-3,8 % nominal) mit ansehen.

 

Unseren Nachbarn geht es nicht besser
 

Was unsere europäischen Nachbarn betrifft, sind diese auch nicht besser dran. Zu den am stärksten betroffenen Ländern gehört Italien. Dort sind die Preise für Wohnimmobilien 2022 real um 8 % (nominal +2,8 %) gesunken. Deutschland schnitt mit einem realen Preisrückgang von 12,1 % ( 3,6 % nominal) noch schlechter ab. Österreich hingegen hat mit einem Rückgang von 4,8 % (nominal +5,2 %) weniger Schaden genommen.
 

Frankreich kann mit einem realen Rückgang der Immobilienpreise um nur 1,2 % (nominal +4,8 %) zufrieden sein. Im Vereinigten Königreich, das zwar kein Nachbarland, aber ein sehr grosser Immobilienmarkt ist, betrug der reale Rückgang nur 0,7 %, während die Preise nominal um fast 10 % in die Höhe schnellten. Aber bekanntlich hat die Inflation im letzten Jahr auf der anderen Seite des Ärmelkanals schwere Schäden angerichtet.

 

Die grossen Gewinner und die grossen Verlierer
 

Der Blick auf die von der BIZ veröffentlichten Zahlen zeigt aber auch, dass Neuseeland mit einem Rückgang um 16,5 % und Hongkong mit einem Rückgang um 15,1 % die Länder mit dem grössten realen Wertverlust ihrer Wohnimmobilien waren. Gefolgt von Schweden mit einem Sturz um 13,7 % und dann auch Deutschland, das bereits erwähnt wurde.
 

Am anderen Ende des Spektrums bildet Israel mit einem Anstieg des realen Immobilienwerts um 11 % die Speerspitze, gefolgt von Island und Russland, die beide einen Anstieg von etwa 10 % verzeichneten, und schliesslich Serbien mit einem Anstieg von 7 %.

Und dann zeigt die Statistik noch einen Ausreisser, der auf eine ganz besondere wirtschaftliche Situation zurückzuführen ist: die Türkei. In diesem Land betrug der Anstieg des Nominalwerts von Wohnimmobilien im Jahr 2022 nämlich 168 %! Und der Realwert 51 %! Die Erklärung ist einfach. Der Anstieg ist auf die starke Senkung des Zinssatzes von 19 % Ende 2021 auf 8,5 % im Jahr 2022 zurückzuführen, denn die Regierung versuchte, die Wirtschaft zu stützen, auch zum Preis einer galoppierenden Inflation. Diese Zinssenkung hat die Menschen dazu gebracht, wieder in Immobilien zu investieren, weshalb die Preise in die Höhe schnellten.

 

Letztendlich läuft es auf lange Sicht gesehen gar nicht so schlecht

 

Unterm Strich sind die Preise für Wohnimmobilien 2022 weltweit nominal um durchschnittlich 6 % pro Jahr gestiegen, wenn man den Berechnungen der BIZ Glauben schenkt. Real hingegen sieht die Lage natürlich deutlich weniger glorreich aus. Berücksichtigt man die Inflation, sind die Preise für Wohnimmobilien weltweit nämlich tatsächlich um 2 % gesunken. Übrigens zum ersten Mal seit 12 Jahren und dem Ende der Finanzkrise, die 2008 einsetzte.
 

Wenn man jedoch einen Schritt zurücktritt und die mittelfristige Preisentwicklung analysiert, stellt man fest, dass Wohnimmobilien weltweit im Durchschnitt weiterhin im Aufwärtstrend liegen mit realen Werten, die um 7 % über dem Niveau vor der Pandemie liegen. Was den Rückgang im letzten Jahr betrifft, so ist dieser laut BIZ, wie zu erwarten war, hauptsächlich auf den raschen Anstieg der Zinssätze zurückzuführen.

 

Die Auswirkungen der gestiegenen Hypothekarzinsen sind noch nicht ausgestanden

Laut der Bank zeigen länderübergreifende Daten, dass für jede Erhöhung der Realzinsen um einen Prozentpunkt die Wachstumsrate der Immobilienpreise dazu tendiert, um etwa zwei Prozentpunkte zu sinken.
 

Auch wenn er bald ein Ende finden könnte, dürfte der Zinsanstieg im Übrigen in den nächsten Monaten oder sogar Jahren die Preise weiter drücken. Denn, wie die BIZ zusammenfasst, die Käufer von Festhypotheken tendierten eher dazu, ihre Immobilien zu behalten, da sie wussten, dass die Finanzierungsbedingungen nicht mehr so günstig wie früher sein würden. Wenn es jedoch um die Verlängerung ihres Darlehens geht, werden sie – ebenso wie Käufer von Hypotheken mit variablem Zinssatz – mit höheren Gebühren konfrontiert sein und möglicherweise die von den Banken verlangten Zinsen nicht mehr zahlen können. Dies könnte das Angebot an Wohnimmobilien auf dem Markt erhöhen und einen weiteren Preisrückgang mit sich bringen.


Olivier Toublan, Immoday.ch