«Die FINMA betrachtet Crowdfunding als private Investition, die nicht kontrolliert wird»

«Die FINMA betrachtet Crowdfunding als private Investition, die nicht kontrolliert wird»

Interview 7 min Immoday.ch

Das Immobilien-Crowdfunding entwickelt sich in der Schweiz rasant und verspricht dabei hohe Renditen. Viele kennen zwar das Investitionsprinzip, nicht aber die damit verbundenen rechtlichen Aspekte, die Struktur der Crowdfunding-Unternehmen, ihre Strategie sowie die mit der Anlage einhergehenden Chancen und Risiken. Eine Standortbestimmung mit dem Rechtsanwalt und Spezialisten für indirekte Immobilienanlagen Olivier Klunge.

Das Immobilien-Crowdfunding entwickelt sich in der Schweiz rasant, unter anderem weil es deutlich höhere Renditen verspricht als herkömmliche indirekte Immobilienanlagen. Möglich ist dies durch die Hebelwirkung, da bis zu 80% des Immobilienwerts durch Fremdkapital finanziert werden können. Die Anleger tragen dabei jedoch ein hohes Risiko, unter anderem weil diese Art von Investition nicht von der FINMA reguliert wird. Diese betrachtet Crowdfunding nämlich als private Investition. Wir haben uns an den Rechtsanwalt und Partner bei Bourgeois Avocats Olivier Klunge gewandt. Als Gründungspartner von Fundim und Vorstandsmitglied von COPTIS, dem Schweizer Berufsverband für Immobilienverbriefung, ist er Spezialist für indirekte Immobilienanlagen.

Herr Klunge, welchen rechtlichen Status haben Crowdfunding-Unternehmen? Brauchen sie für ihre Tätigkeit eine Bewilligung durch die FINMA?

Nein, sie brauchen keine Bewilligung der FINMA. Die FINMA erachtet Crowdfunding nämlich als private Investition. Crowdfunding-Unternehmen benötigen auch weder eine Depotbank noch eine Kontrollstruktur – bei einem Immobilienanlagevehikel ist dies die Fondsleitung – noch müssen sie ihren Rechnungsabschluss offenlegen. Es handelt sich also um eine sehr einfache Struktur. Die Anleger haben lediglich die Garantien, die das Unternehmen selbst ihnen bietet.

Das Ganze ist aber keine Augenwischerei, die Anleger investieren nämlich tatsächlich in Immobilien.

Genau. Crowdfunding-Unternehmen wie Foxstone bieten Direktinvestitionen in Immobilien an, d. h., die Anteilsinhaber werden als Eigentümer der Immobilie ins Grundbuch eingetragen. Das bietet natürlich einen gewissen Schutz. Bei anderen Anbietern wie Sipa Crowd Immo ist es etwas komplexer. Dort wird jeweils eigens eine Immobiliengesellschaft gegründet, die dann rechtliche Eigentümerin der Immobilie ist. Die Anleger besitzen lediglich Anteile an dieser Gesellschaft und haben somit weniger Sicherheiten, da sie nicht direkt Eigentümer der Immobilie sind.

Crowdfunding-Anbieter locken mit sehr hohen Renditen zwischen 4% und 8%. Ist das realistisch?

Auch wenn es auf den ersten Blick unrealistisch erscheinen mag, sind solche Renditen beim Crowdinvesting durchaus möglich, da die Anbieter sich stark verschulden können. Hier liegt der grosse Unterschied zu Immobilienfonds. Deren maximal zulässige Fremdkapitalquote wurde von der FINMA auf 30% begrenzt, wobei die durchschnittliche Quote bei rund 20% liegt. Crowdfunding-Anbieter unterliegen keinen derartigen Beschränkungen und können daher problemlos eine Fremdkapitalquote von bis zu 70% oder gar 80% aufweisen, genau wie ein privater Hypothekarnehmer. Dank dem Hebeleffekt können Anleger so schlussendlich höhere Renditen erzielen.

Das heisst aber auch, dass die Risiken höher sind.

Genau, der Hebel wirkt immer in beide Richtungen. Um Kleinanleger zu schützen, hat die FINMA daher auch die maximal zulässige Fremdkapitalquote von Immobilienfonds begrenzt. Denn wenn die Immobilie, in die Sie investiert haben, auch nur einen Bruchteil ihres Werts verliert, verlieren Sie als Anleger aufgrund der Hebelwirkung einen Grossteil Ihrer Investition. Als Beispiel: Sinkt der Wert einer Immobilie, die zu 80% fremdfinanziert wird, um 5%, verliert der Anleger ein Viertel seiner Investition.

Wir sprechen hier aber von einem sehr theoretischen Risiko. Denn auf lange Sicht gewinnen Immobilien immer an Wert.

So argumentieren auch die Crowdfunding-Anbieter. Das Verlustrisiko ist historisch gesehen zwar gering, zumindest bei einer langfristigen Investition, es ist aber nicht gleich null, auch nicht bei Wohnimmobilien. 2023 haben Wohnliegenschaften in manchen peripheren Kantonen beispielsweise an Wert verloren. Der Schweizer Immobilienmarkt hat die Turbulenzen der vergangenen Jahre insgesamt gut weggesteckt, in mehreren Nachbarländern musste der Immobilienmarkt hingegen erhebliche Einbussen hinnehmen. Es gibt also keine Garantie dafür, dass Immobilien langfristig weiter an Wert gewinnen.

Hinzu kommt, dass Crowdfunding-Anbieter keine Diversifizierung anbieten. Das Risiko ist also umso höher.

Das stimmt. Investiert man in einen Fonds, der dutzende oder gar hunderte Immobilien besitzt, streut man das Risiko. Beim Crowdfunding ist das nicht der Fall, da man lediglich in eine einzige Immobilie investiert. Ein Unfall wie ein Brand oder eine undichte Fassade können den Wert der Immobilie beeinträchtigen. Das gilt auch für Mieter, die ihre Miete nicht zahlen. Andererseits können die Anleger die Crowdfunding-Immobilie vorher besichtigen und so einen fundierten Investitionsentscheid treffen.

Aktuell sind die Hypothekarzinsen sehr niedrig. Mal angenommen, die Zinsbelastung steigt bei der Erneuerung der Hypothek, was würde das heissen? Wer müsste dann zahlen?

Eine höhere Hypothekarzinsbelastung wirkt sich zunächst auf die Rendite aus. Es kann aber natürlich auch sein, dass die Mieteinnahmen nicht mehr ausreichen, um die Hypothekarkosten zu decken, z. B. bei hohem Leerstand. In dem Fall müssten die Investoren, die rechtlich gesehen Miteigentümer sind, wieder in die eigene Tasche greifen. Dabei stellt sich die Frage, ob sie gesamtschuldnerisch haftbar sind. Soll heissen, wenn ein Teil der Miteigentümer nicht zahlen kann, haften die anderen dann für sie?

Kann man beim Crowdfunding lediglich in Immobilien oder auch in Immobilienprojekte investieren?

Da der Bereich nicht reguliert ist, können Crowdfunding-Unternehmen auch Immobilienprojekte anbieten. In dem Fall sind die Risiken für die Anleger natürlich um ein Vielfaches höher.

Was passiert aus rechtlicher Sicht beim Immobilien-Crowdfunding? Kauft der Crowdfunding-Anbieter eine Immobilie und verkauft sie dann an die Anteilsinhaber weiter?

In der Regel erhält der Crowdfunding-Anbieter eine Verkaufszusage, kauft die Immobilie aber nicht direkt, allein schon wegen der Handänderungssteuer. Stattdessen erwerben die Privatanleger die Immobilie direkt. Sie werden somit zu Miteigentümern und ins Grundbuch eingetragen. Ausser der Crowdfunding-Anbieter gründet eine Immobiliengesellschaft. In dem Fall wird diese Gesellschaft Eigentümerin der Immobilie und die Anleger werden Aktionäre der Immobiliengesellschaft.

Was heisst das aus Bankensicht? Wird jeder Anteilsinhaber als separater Kreditnehmer angesehen?

Kauft eine Immobiliengesellschaft die Liegenschaft, vergibt die Bank den Hypothekarkredit an ebendiese Gesellschaft. Kaufen hingegen mehrere Kleinanleger die Liegenschaft, vergibt die Bank den Kredit an die Hypothekargemeinschaft und nicht an jeden Anleger einzeln. Das wäre verwaltungstechnisch sehr kompliziert und daher sehr teuer.

Wer verwaltet die Liegenschaft?

Der Crowdfunding-Anbieter. Das ist Bestandteil des Vertrags. Die Investoren delegieren alle technischen Aspekte und den Unterhalt der Immobilie an ihn. Es ist also unter Umständen gar nicht so einfach, in Erfahrung zu bringen, wie der Anbieter die Immobilien verwaltet, zumal die Investoren nur ein sehr begrenztes Einsichtsrecht in das Crowdfunding-Unternehmen haben.

Welche Kommissionen erhalten die Crowdfunding-Anbieter?

Hierzu herrscht kaum Transparenz, zumindest nicht in den öffentlich verfügbaren Unterlagen. Zum einen gibt es Kommissionen, die direkt vom Crowdfunding-Anbieter und der Bank, die die Hypothek vergibt, erhoben werden, zum anderen fallen aber wahrscheinlich auch indirekte Kommissionen an. So weiss man beispielsweise nicht, zu welchem Preis der Crowdfunding-Anbieter die Immobilie, die er an die Investoren weiterverkauft, ursprünglich erworben hat. Auch in puncto Bewirtschaftungs- und Vermittlungsgebühr fehlt es an Transparenz.

Wie werden die Anteile gehandelt, wenn man sie verkaufen möchte?

Die Crowdfunding-Anbieter haben keine diesbezügliche gesetzliche Verpflichtung, sie müssen nicht einmal einen Sekundärmarkt betreiben. Manche Anbieter wie Foxstone haben eine entsprechende Website eingerichtet, auf der die Anleger ihre Anteile verkaufen können. Es handelt sich also um ausserbörsliche Transaktionen ohne jegliche Garantie. Ganz anders sieht es bei Anlagefonds aus. Diese sind entweder an der Börse kotiert oder dazu verpflichtet, in der Regel über die Depotbank einen Sekundärmarkt zu organisieren. Ausserdem können die Anleger in regelmässigen Abständen die Rücknahme ihrer Anteile zum NIW verlangen. Beim Crowdinvesting ist das nicht der Fall.

Was ist der Unterschied zwischen einem Crowdfunding-Unternehmen, das ein Immobilienprojekt oder eine Immobilie verkauft, und einer KmGK?

Beginnen wir bei den Gemeinsamkeiten: Das sind die kollektive Anlage und die an ein Drittunternehmen delegierte Verwaltung. Sie unterscheiden sich aber in vielen wesentlichen Punkten. Eine KmGK ist qualifizierten Anlegern vorbehalten und bedarf einer Bewilligung durch die FINMA. Die Laufzeit einer KmGK ist grundsätzlich beschränkt: Sie ist für die Immobilienentwicklung vorgesehen, d. h. dass durch den Bau und den anschliessenden Verkauf einer Immobilie am Projektende Wert geschaffen wird. Ein Crowdfunding-Unternehmen hingegen investiert langfristig in Bestandsimmobilien.

Inwiefern ist das Immobilien-Crowdfunding für Privatanleger interessanter als ein Immobilienfonds?

Im Wesentlichen durch die Rendite. Vielleicht will die FINMA die Anleger in diesem Punkt nicht zu sehr schützen, weil sonst die Renditen niedriger ausfallen würden. Es ist durchaus denkbar, dass die Finanzbehörden bestimmten Immobilienanlagevehikeln – auch solchen, die einem breiten Anlegerpublikum offen stehen – eine höhere Fremdkapitalquote zugestehen, damit sie zusätzliche Erträge für ihre Anleger generieren, wobei die Anleger sich der Risiken, die sie eingehen, vollauf bewusst sind. In puncto Hebelwirkung und dem damit verbundenen Risiko scheint die Werbung der Crowdfunding-Unternehmen jedoch nicht transparent zu sein.

Redaktion • Immoday.ch

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