Immobiliengesellschaft und Step-up: Das Bundesgericht sagt nein
Thierry De Mitri

Immobiliengesellschaft und Step-up: Das Bundesgericht sagt nein

Regulierung 7 min Thierry de Mitri
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In einem Entscheid vom 15. Oktober 2024 befand das Bundesgericht (BGer) darüber, ob ein Käufer stille Reserven geltend machen kann, die beim Verkauf einer Immobiliengesellschaft (Immo AG) durch ihren Anteilseigner bereits besteuert wurden – eine Transaktion, die zum Zeitpunkt der Veräusserung eine Grundstücksgewinnsteuer ausgelöst hatte. Bei einem solchen «Share Deal» spiegelt der Preis der Aktien den Verkehrswert der Immobilie der Gesellschaft wider, während der Buchwert unverändert bleibt. Verkauft die Immo AG die Immobilie später im Rahmen eines «Asset Deals», würden die stillen Reserve ein zweites Mal besteuert. Um eine solche wirtschaftliche Doppelbesteuerung zu vermeiden, gewähren einige Kantone einen sogenannten Step-up, d. h., die Immobilien wird zum wirtschaftlichen Anschaffungswert neu bewertet.

Der Sachverhalt ist einfach. Eine Waadtländer Holding veräusserte ihre Beteiligung von 50% an einer Immo AG an ihre Mitgesellschafterin, sodass diese nach der Transaktion 100 Prozent der Aktien hielt. Diese Transaktion löste nach dem geltenden Recht des Kantons Waadt die Grundstückgewinnsteuer aus. Die Veranlagungsverfügung trat in Kraft, ohne angefochten zu werden. Die Immo AG nahm daraufhin eine steuerliche Neubewertung ihrer Immobilien in Höhe des Kaufpreise der Aktien vor, da sie der Meinung war, dass die bereits besteuerte stille Reserve nicht noch einmal besteuert werden sollte. Die Waadtländer Steuerverwaltung lehnte dieses Vorgehen ab und taxierte die volle Differenz zwischen Buchwert und Verkaufspreis. Die Immo AG reichte eine Reklamation ein und erhob anschliessend Klage bei der verwaltungs- und öffentlich-rechtlichen Abteilung des Kantonsgerichts Waadt.

In einem besonders ausführlichen Urteil, das am 6. Oktober 2023 erlassen wurde, wies die verwaltungs- und öffentlich-rechtliche Abteilung des Kantonsgerichts Waadt die Klage mit der Begründung ab, dass es für die durch die Immo AG vorgenommene Neubewertung keine steuergesetzliche Grundlage gibt. Das Gericht hielt fest, dass eine Berichtigung des steuerlichen Ergebnisses nur auf der Grundlage einer ausdrücklichen steuergesetzlichen Korrekturnorm erfolgen darf, die vorsieht, dass vom nach den geltenden Rechnungslegungsvorschriften ermittelten steuerpflichtigen Ergebnis abgewichen werden kann. Nach einer eingehenden Prüfung des Rechtsrahmens kam das Gericht zum Schluss, dass keine steuergesetzliche Korrekturnorm besteht, welche für eine solche Geltendmachung der besteuerten stillen Reserven herangezogen werden könnte. Es hob hervor, dass die von der steuerpflichtigen Gesellschaft zum Vergleich herangezogenen Konfigurationen, insbesondere Umstrukturierungen (bei denen die übertragenen stillen Reserven nachträglich besteuert werden, soweit während der der Umstrukturierung nachfolgenden fünf Jahre Beteiligungs- oder Mitgliedschaftsrechte zu einem über dem übertragenen steuerlichen Eigenkapital liegenden Preis veräussert werden; die juristische Person kann in diesem Fall entsprechende, als Gewinn versteuerte stille Reserven geltend machen), nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar sind. Bei diesen Fällen handle es sich um besondere Regelungen, die ausdrücklich im Gesetz vorgesehen seien.

In einer zweiten Phase machte die Immo AG geltend, dass die erneute Besteuerung von bereits besteuerten stillen Reserven sowohl gegen den Grundsatz von Treu und Glauben als auch gegen das Verbot des Methodendualismus verstösst. Sie wies darauf hin, dass beim Verkauf von Beteiligungsrechten zwar der Beteiligungsabzug zum Tragen kommt und der Verkauf somit von der Gewinnsteuer befreit ist, dass dieser aufgrund dieser Steuerbefreiung aber dennoch der Grundstückgewinnsteuer unterliegt. Das Gericht wies diese Argumentation zurück: Diese Grundsätze könnten das Fehlen einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage für die steuerneutrale Neubewertung nicht ersetzen.

Die Immo AG bezog sich auf ein älteres Urteil des BGer aus dem Jahre 1976, in dem dieses anerkannt hatte, dass in einem dualistischen System der steuerpflichtige Gewinn bei einer Immobilienübertragung nach einer Veräusserung der Gesellschaftsanteile den zum Zeitpunkt der wirtschaftlichen Übertragung festgestellten stillen Mehrwert enthalten müsse. Mit anderen Worten: Das BGer hatte damals das Step-up-Prinzip anerkannt, da es der Ansicht war, dass eine Weigerung, diese stille Reserve in den Selbstkostenpreis einzubeziehen, zu einem Verstoss gegen das Willkürverbot und zu einer falschen Anwendung des Methodendualismus führen könnte. Diese Rechtsprechung wurde in einem Entscheid vom 10. Oktober 2012 bestätigt, obwohl diese Problematik nicht im Mittelpunkt des Rechtsstreits stand. In der Rechtslehre wurde dieser Ansatz weitgehend bestätigt. Es bestand die Ansicht, dass dadurch eine doppelte oder sogar mehrfache wirtschaftliche Besteuerung desselben Mehrwerts vermieden werden kann.

In monistischen Kantonen wie Zürich wird diese Logik übrigens angewendet: Der beim Verkauf der Aktien besteuerte Mehrwert wird beim späteren Verkauf der Immobilie berücksichtigt. Die Besteuerungsgrundlage wird somit angepasst. Der Step-up wird dort bei der tatsächlichen Veräusserung durchgeführt und nicht über eine einfache buchmässige Neubewertung. Das Gericht des Kantons Waadt wies darauf hin, dass es sich im strittigen Fall nicht um einen Verkauf, sondern um eine isolierte buchmässige Neubewertung handelt. Es ist daher der Ansicht, dass die angeführten Grundsätze zur Rechtfertigung einer Steuerbefreiung nicht ausreichen.

In seinem Entscheid vom 15. Oktober 2024 nahm das BGer eine deutlich weniger gründliche Analyse vor als das Waadtländer Kantonsgericht und beschränkte sich im Wesentlichen darauf, die Einschätzung der kantonalen Richter zu bestätigen. Es vertritt die Auffassung, dass es keine Korrekturnorm gibt, die eine steuerneutrale Neubewertung in der Bilanz einer Immo AG zulässt. Es hält fest, dass die für die Besteuerung von Grundstücksgewinnen geltenden Bestimmungen keine Norm enthalten, auf deren Grundlage die Besteuerung, die auf einer buchmässigen Neubewertung beruht, zugunsten des Steuerpflichtigen korrigiert werden kann, selbst wenn diese Neubewertung eine stille Reserve, die bereits beim Verkauf der Aktien der Immo AG besteuert wurde, enthält. Das BGer stellt klar, dass Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe a StHG zwar vorsieht, dass die Rechtsgeschäfte, die in Bezug auf die Verfügungsgewalt über ein Grundstück wirtschaftlich wie eine Veräusserung wirken, den Veräusserungen gleichgestellt sind, hält aber fest, dass dies kein Recht auf Abzug oder Neutralisierung begründet, wenn die Immo AG selbst später eine Neubewertung vornimmt.

Das BGer zitiert indes die Genfer Praxis (Information Nr. 1/2023 vom 27. Januar 2023), wonach es möglich ist, bereits besteuerte stille Reserven zu berücksichtigen. Es weist jedoch darauf hin, dass es sich dabei nicht um eine verbindliche Norm oder einen auf Bundesebene harmonisierten Standard handelt. Laut dem BGer besteht auch keine Analogie zu den Umstrukturierungsregelungen, die im Gesetz ausdrücklich als Ausnahmen bezeichnet werden.

In der früheren Rechtsprechung und namentlich im Entscheid von 2012 räumte das BGer ein, dass der im Preis der Aktien einer Immo AG enthaltene Mehrwert beim späteren Verkauf der Immobilie berücksichtigt werden müsse. Mit dem neuen Urteil relativiert es die Tragweite jenes Entscheids. Es ist der Auffassung, dass es sich beim damaligen Fall um einen tatsächlichen Immobilienverkauf («Asset Deal») und nicht um eine isolierte buchmässige Neubewertung handelte, weshalb die beiden Fälle nicht gleichgesetzt werden könnten. Das BGer scheint sich somit von einigen Passagen des damaligen Urteils zu distanzieren und weigert sich, anzuerkennen, dass eine Neubewertung und ein Verkauf steuerlich gleichbehandelt werden sollten.

Abschliessend hält das BGer fest, dass weder ein Verstoss gegen den Grundsatz von Treu und Glauben noch gegen das Verbot des Methodendualismus vorliegt, und bestätigt die Einschätzung der kantonalen Richter.

Dieser Entscheid könnte für die Praxis einen Wendepunkt darstellen. In dualistischen Kantonen beinhaltet der Anschaffungswert einer Immo AG in der Regel die bereits besteuerte stille Reserve. Viele Kantone lassen eine buchmässige Neubewertung zu, in welcher diese Reserve berücksichtigt wird. Angesichts des Entscheids des BGer könnten sie sich veranlasst sehen, diese Praxis infrage zu stellen – auf die Gefahr hin, dass so die Rechtsunsicherheit und das Risiko einer Überbesteuerung zunehmen.

Es besteht jedoch die Hoffnung, dass sich das BGer offener zeigt, wenn der Step-up nicht bei einer einfachen Neubewertung, sondern bei einem tatsächlichen «Asset Deal» geltend gemacht wird. Die vom Gericht vorgenommene Unterscheidung zwischen buchmässiger Neubewertung und tatsächlicher Veräusserung erscheint kritikwürdig, da sie zu wirtschaftlicher Mehrfachbesteuerung führt: eine erste Besteuerung bei der Immo AG, eine zweite beim Verkauf der Aktien und eine dritte bei der Ausschüttung der Dividenden. All diese Besteuerungen beruhen indes auf ein und derselben wirtschaftlichen Realität: der in der Immobilie enthaltenen stillen Reserve.

Die Fachleute müssen bei der Strukturierung der Transaktionen doppelt so wachsam sein. Die Analyse der unmittelbaren und späteren Steuerfolgen ist von entscheidender Bedeutung, insbesondere um die Auswirkungen einer Mehrfachbesteuerung zu antizipieren, von der die Gesellschaft, deren Aktionäre oder gar deren Endbegünstigte betroffen sein können.

Dennoch schwächt diese Rechtsprechung die Kohärenz des Grundsatzes der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, erhöht das Risiko einer Überbesteuerung und erschwert die strukturierte Übertragung von Immobilien über eine Immo AG. Es gilt nun genau zu verfolgen, ob ein künftiges Urteil im Zusammenhang mit einem «Asset Deals» zu einer Neuauslegung dieser strengen Rechtsprechung führen wird.

Thierry de Mitri, Steuerexperte und Gründer von De Mitri Conseils SA

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