'COVID 19'-Interview - Riccardo Boscardin, Präsident der Vereinigung Immoday

25/05/2020

Immoday

Redaktion

4 min

Zu dem heutigen "COVID-19"-Interview begrüssen wir Riccardo Boscardin, Präsident der Vereinigung Immoday.

 

Herr Boscardin, wie geht es Ihnen und wo befinden Sie sich momentan?

 

Es geht mir den Umständen entsprechend gut.

 

Vom Alter her gehöre ich zwar der Risikogruppe an und bis vor kurzem war ich noch in keinem Laden, sondern blieb – ausser Spaziergängen - konsequent zuhause. Mein Hauptwohnort ist Basel, wo wir zum Glück einen Garten haben, den wir in dieser Zeit sehr geniessen.

 

Können Sie uns ein paar Worte zu Ihrer Funktion und Ihrer Person sagen?

 

Ich war fast dreissig Jahre lang Chef aller Immobilien-fonds bei der UBS. Seit meiner Pensionierung bin ich u. a. VR-Präsident der Investis Holding, einer börsenko-tierten Immobiliengesellschaft mit Wohnimmobilien im Wert von rund CHF 1,5 Mia am Genfersee.

Ich bin seit über 30 Jahren mit Doris verheiratet, wir haben drei erwachsene Kinder, ein Grosskind und bald kommt ein zweites dazu.

 

Die UBS-Immobilienfonds sind zusammen mit denjeni-gen der CS Marktleader. Bemerkenswert ist, dass UBS Foncipars, Gründungsjahr 1943, der älteste noch existie-rende Immobilienfonds der Schweiz ist.

 

Die Immobiliengesellschaft Investis gehört mit ihrem Wohnimmobilienportefeuille zu den mittleren Akteuren. Sie ist die einzige börsenkotierte Immobiliengesellschaft, die ausschliesslich in der Westschweiz investiert. Das Portefeuille beinhaltet Wohnungen für die Mittelklasse und ist daher krisenresistent.

 

Wie haben Sie sich im Umgang mit der Coronavirus-Krise organisiert?

 

Im Investis-VR arbeiten wir fast alle von zuhause aus. Statt physischer Arbeitstreffen im In- oder Ausland kommunizieren wir per «Conf-Calls», «Teams» oder "Gotomeeting".

 

Welche Auswirkungen hat diese Krise Ihrer Meinung nach auf die Immobilienbranche und die Immobilien-verbriefung im Allgemeinen?

 

Hier müssen wir zwischen kurzfristigen und langfristigen Folgen unterscheiden.

 

Da viele kommerzielle Mieter Mühe haben werden, den Mietzins zu zahlen, werden die Hauseigentümer entsprechende Verluste erleiden. Kommerzielle Immobilien sind somit mehr betroffen als Wohnbauten. Das gilt für Direkt- und Indirekt-Besitz. Auch haben einzelne Fonds aus Vorsichtsmassnahmen geplante Emissionen verschoben. Der Zeitpunkt wird von einer eventuellen «Zweiten Welle» abhängen.

 

Langfristig hingegen könnte die Covid-Krise eingreifende Folgen haben. Seit über zwei Monaten arbeitet die halbe Schweiz von zuhause aus. Wir haben uns an diesen Modus gewöhnt und die Produktivität und Effizienz von Homeoffice scheinen sehr gross zu sein. Könnte dies nicht ein Beispiel für eine neue Arbeitswelt werden? Bestehen nicht plötzlich freie Bürokapazi-täten? Leerbestände im Bürosektor wären die Folge.

 

Bei der Investis ist diese Gefahr marginal, da wir fast ausschliesslich in Wohnbauten investiert sind. Ein interessanter Aspekt ist, dass eventuell grössere Wohnungen zukünftig gefragt sind, um Wohnen und Arbeiten zu verbinden. Eventuell erhielten solche Zukunftsmieter einen Mietbeitrag vom Arbeitgeber.

 

Indirekte Immobilienanlagen, immer noch ein sicherer Hafen?

 

Die Attraktivität von indirektem Immobilienbesitz hat nicht gelitten. Im Gegenteil, sie wächst und wächst, wobei Immobilieninvestitionen und Produkteentwick-lungen anspruchsvoller werden könnten. Die Nachfrage könnte sich eventuell noch steigern, wenn Private infolge der momentanen Wirtschaftskrise auf den Erwerb von selbst genutztem Wohneigentum verzichten und lieber in indirekte Produkte investieren.

 

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Wie sehen Sie die Aussichten für den Sektor per 31. Dezember 2020?

Die Veränderungen des sozioökonomischen Lebens werden vor allem im Retail- und Büromarkt Spuren hinterlassen. Sollte die Krise aber länger dauern, könnte auch der Wohnungsmarkt durch reduzierte Einkommen und schwache Zuwanderung ebenfalls Schaden neh-men.

 

Und jetzt eine mehr persönlichere Frage... Wird diese Krise etwas in Ihrem Leben verändern?

 

Ja, ich denke schon, z. B. hat sich infolge des zurückge-zogenen Lebens mein Einkaufsverhalten total geändert, indem ich mich auf das Notwendige beschränkt habe.

 

Menschliche Werte haben gegenüber finanziellen Erfolgen mehr Gewicht erhalten.

 

Diese Krise hat uns gelehrt, das Undenkbare zu denken und unserer Verletzlichkeit bewusst zu werden.

Immoday - Befragt von Philippe Perret du Cray am 25. Mai 2020