Schweizer Immobilienmarkt – auf lange Sicht teuer

05/03/2021

Michel Dominicé

Dominicé & Co – Asset Management

4 min

Der Schweizer Immobilienmarkt wird immer teurer und hat seit mehr als 25 Jahren keine Krise mehr erlebt. Findet gerade ein aussergewöhnlich langer Zyklus statt oder ist diesmal etwas anders?
 

Die Schweizer Immobilienakteure waren an ein zyklisches Marktverhalten gewöhnt. Auf Phasen reger Bautätigkeit und steigender Preise folgten Krisen, die von einem Überangebot und sinkenden Preisen geprägt waren. Für die Investoren bestand einer der Schlüssel zum Erfolg darin, diese Zyklen vorherzusehen und im richtigen Augenblick zu kaufen oder zu verkaufen.
 

In der Vergangenheit standen diese Zyklen erwiesenermassen in engem Zusammenhang mit den geldpolitischen Impulsen der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Wiederholt musste die SNB von ihrer geldpolitischen Stossrichtung abweichen, um der Aufwertung des Schweizer Frankens entgegenzuwirken, was zu Exzessen im Immobilienbereich und – als die Geldpolitik wieder restriktiver wurde – zu Krisen führte.
 

Wie kommt es also, dass diese Zyklen seit den 1990er-Jahren allmählich verschwunden sind, wo doch die SNB ihre Zinsen immer weiter – ab 2014 sogar in den negativen Bereich – gesenkt und gleichzeitig die Geldmenge beträchtlich ausgeweitet hat? Die Antwort liegt im Konzept des Nullzinskapitalismus.
 

Während die realen Zinsen für alle wichtigen Währungen in den 1980er-Jahren bei ungefähr 2 bis 3% lagen, ist es am Kapitalmarkt demografie- und technologiebedingt zu tiefgreifenden Veränderungen gekommen, durch welche der reale Gleichgewichtszins auf null oder sogar in den negativen Bereich gesunken ist.
 

 

Die Verlangsamung des Weltwirtschaftswachstums hat zu einer geringeren Nachfrage nach Wohnraum und Infrastruktur geführt, die einen grossen Teil der Investitionsnachfrage ausmachen. Durch die höhere Lebenserwartung wiederum hat die Sparneigung deutlich zugenommen. In der Schweiz beispielsweise müssen Menschen, die das Rentenalter erreichen, heute im Durchschnitt über zwanzig Lebensjahre finanzieren – das sind 2,7 Jahre mehr als noch im Jahr 2000.

Wie bereits erwähnt, hat auch die Technologie zum Rückgang der realen Zinsen in unseren Volkswirtschaften beigetragen. Erstens verzichten immer mehr Unternehmen auf Anlageinvestitionen, weil die Wirtschaft immer stärker auf Dienstleistungen und Know-how ausgerichtet ist. Zudem kann dank leichteren und flexibleren technischen Lösungen die Kapitalintensität der Industrieunternehmen verringert werden. Zu guter Letzt hat die Technologie über ihre Auswirkungen auf die Konzentration von Reichtum in unseren Gesellschaften auch

die Sparneigung erhöht. Dank den neuen Technologien schöpfen erfolgreiche Unternehmer einen immer grösseren Teil des Volkseinkommens ab und dieses Einkommen wird anschliessend viel eher für Ersparnisse oder Reinvestitionen verwendet als für Konsum.

Im Nullzinskapitalismus, der lange anhalten wird, wird eine aussergewöhnliche Geldpolitik betrieben. Da die Kosten für (risikoloses) Kapital bei der Investitionsentscheidung nur noch eine untergeordnete Rolle spielen, können die Zentralbanken ein Übermass an Liquidität im Bankensystem schaffen, ohne eine Kreditblase auszulösen. Die wahre Einschränkung liegt beim Risiko – sei es beim Risiko der Investition, welches die Unternehmen eingehen, oder beim Kreditrisiko der Banken. Es ist also nur eine logische Konsequenz, dass die Beschränkung der Bankkredite eines der wichtigsten Instrumente der Geldpolitik geworden ist und zur heutigen Situation geführt hat: Die Banken verfügen über Unmengen von Liquidität, die sie als Kredit vergeben könnten, finden aber nicht genügend Schuldner mit ausreichender Bonität. Auf der Liquidität, die sie bei der Zentralbank parken, erzielen sie aufgrund der Negativzinsen Verluste.
 

Vor diesem Hintergrund befindet sich die Geldpolitik in einer Zwickmühle. Durch eine weitere Senkung der Zinsen, damit diese noch negativer werden, oder durch die Schaffung von noch mehr überschüssiger Liquidität könnten sich die Verluste der Banken erhöhen, was kontraproduktiv wäre. Durch eine Anhebung der Zinsen und eine Verringerung der Liquidität wiederum könnte die Vergabe von Bankkrediten gebremst werden. Die zweite Option birgt für die SNB zudem die Gefahr, dass der Schweizer Franken aufwertet und die Deflation angefacht wird.
 

Die anhaltenden Negativzinsen und die Sicherheit, welche die Banken den Hypothekarkrediten zuerkennen, stellen zwar ein Umfeld dar, das im Schweizer Immobiliensektor den Aufbau von Überkapazitäten fördert. Allerdings sind Preis- und Renditevergleiche mit einer Zeit, in der die Zinsen positiv waren, trügerisch. Es ist klar, dass ein im historischen Vergleich teurer Schweizer Immobilienmarkt eine natürliche und dauerhafte Folge des Nullzinskapitalismus ist.

 

Michel Dominicé, Senior Partner, Dominicé & Co – Asset Management