
Ein niedriger Sanierungsgrad der Gebäude, eine Blockierung des Marktes für neue Mieter, ein Rückgang der Leerstandsquote, eine Fokussierung auf schnelle, aber oberflächliche Renovationen, ein Unterinvestment von 600 Millionen Franken in Immobilien seitens privater und institutioneller Anleger – die negativen Nebenwirkungen der Genfer LDTR sind zahlreich. Zumindest laut einer soeben veröffentlichten universitären Studie.
Für die Politik stellt sich ein klassisches Dilemma: Einerseits sollen die Mieter in einem Immobilienumfeld geschützt werden, in dem die Mieten explodieren; andererseits sollen private und insbesondere institutionelle Investoren nicht demotiviert werden – jene Akteure, die einen bedeutenden Teil des Wohnungsbaus in der Schweiz finanzieren (im Jahr 2020 kontrollierten Institutionelle gemäss Bundesamt für Statistik rund 41 % aller Mietwohnungen und 26 % des gesamten Immobilienbestands).
Klar ist: Die Behörden mehrerer Kantone haben dem Mieterschutz Priorität eingeräumt. Doch kaum so sehr wie in Genf, wo das Gesetz über Abbruch, Umbau und Renovation von Wohnhäusern (LDTR) seit 1983 den Wohnungsmarkt streng reguliert – mit dem Ziel, die Mieter zu schützen, die Lebensqualität zu sichern und Spekulation einzudämmen.
Eines der strengsten Mieterschutzgesetze der Schweiz
Mit welchen Konsequenzen für den Immobilienmarkt? Eine aktuelle universitäre Studie von Kristyna Ters (FHNW, Fachhochschule Nordwestschweiz) und Konstantin Kholodilin (DIW Berlin) versucht, diese Frage zu beantworten – und kommt zu eher ernüchternden Ergebnissen. Zumindest für Investoren und neue Mieter.
Wie die Autoren erläutern, führte Genf die LDTR 1983 ein und aktualisierte sie 1996. Sie macht den Abbruch von Wohnungen, Renovations- und Transformationsarbeiten ausserhalb des laufenden Unterhalts, Nutzungsänderungen sowie den Verkauf bereits vermieteter Stockwerkeigentumswohnungen bewilligungspflichtig.
Für Renovations- und Transformationsarbeiten schreibt die LDTR zudem einen Mietzinsstopp von mindestens drei Jahren vor. Bei umfassenden Sanierungen kann dieser auf fünf Jahre ausgedehnt werden, und bei Abbruch und Wiederaufbau sogar auf bis zu zehn Jahre.
Mietzinse weit unter dem Genfer Median
Während der Kontrollperiode gilt ein maximal zulässiger Mietzins von 3’528 Franken pro Zimmer und Jahr, wobei die Küche als Zimmer gilt, erklären die Studienautoren.
In einer Vierzimmerwohnung (ohne Küche) entspricht dies einer monatlichen Obergrenze von 1’470 Franken – deutlich unter dem Genfer Medianmietzins von 2’770 Franken. Wenn die Wohnung vor der Renovation zu einem höheren Preis vermietet war, wird der Mietzins auf den zuletzt verlangten Betrag gedeckelt.
Der Genfer Mietwohnungsbestand ist in schlechterem Zustand als in anderen Schweizer Grossstädten
Die Mietzinskontrolle gilt auch für energetische Renovationen und andere Massnahmen im Bereich Nachhaltigkeit, wobei Energieeinsparungen auf den Mietzins überwälzt werden können.
Dies führt laut den Autoren dazu, dass der Genfer Mietwohnungsbestand offenbar in schlechterem Zustand ist als jener anderer Schweizer Grossstädte. Vergleichsdaten zeigen, dass 83,5 % der über 40-jährigen Wohnungen in Genf nicht renoviert wurden – gegenüber 47,6 % in Basel und 41,3 % in Zürich.
Diese Unterschiede bestätigen gemäss den Studienautoren die Hypothese, dass die strikteren Regulierungen in Genf die Sanierungsaktivität im Vergleich zu anderen Städten bremsen könnten.
Die LDTR führt zu einer „Lock-in“-Wirkung für neue Mieter
Trotz guter Absichten verhindert die LDTR nicht, dass Genf die höchsten Marktmieten der Schweiz aufweist – 372 Franken pro Quadratmeter und Jahr.
Dieser hohe Wert betrifft jedoch nur die Mieten neu ausgeschriebener Wohnungen. Die Durchschnittsmieten bestehender Verträge betragen 279 Franken pro Quadratmeter und Jahr – ein Unterschied von 33,5 %, der grösste unter den fünf grössten Städten der Schweiz.
Die Folge dieser Diskrepanz: Genfer Mieter bleiben länger in ihren Wohnungen. Laut Wüest Partner beträgt die durchschnittliche Wohndauer in der Schweiz rund 8,5 Jahre, in Genf jedoch 13,7 Jahre – ebenfalls über den Werten anderer Grossstädte.
Dies führt gemäss den Autoren zu einer „Lock-in“-Wirkung: Langjährige Mieter verbleiben in Wohnungen, die nicht mehr ihren Bedürfnissen entsprechen, und neue Mieter haben Mühe, bezahlbaren Wohnraum zu finden.
Ein Gesetz, das die Ambitionen der Investoren einschränkt
Die Kombination aus Mietzinsplafonierung nach Renovationen sowie restriktiven Regeln für Abbruch, Nutzungsänderung und Umwandlung in Stockwerkeigentum erschwert es Investoren, grössere Entwicklungsprojekte wirtschaftlich zu rechtfertigen.
Daher werden laut Studie Kapitalflüsse vermehrt auf kleinere werterhaltende Massnahmen verlagert – etwa Wärmedämmungen, Fenstersanierungen oder Heizungsersatz. Diese schnell umsetzbaren Massnahmen erfüllen die gesetzlichen Anforderungen und ermöglichen eine Stabilisierung der Mieterträge.
Zwar generieren diese Arbeiten reale, wenn auch begrenzte Qualitätsverbesserungen. Doch gleichzeitig verleite die LDTR Eigentümer dazu, kurzfristige punktuelle Eingriffe gegenüber tiefgreifenden, kostspieligen Renovationen zu bevorzugen, die bewilligungspflichtig sind und nach Fertigstellung zu Mietzinsdeckelungen führen.
Die LDTR führt zudem zu einer sinkenden Leerstandsquote
Gleiches gilt für Abbruch, Nutzungsänderungen und Umwandlungen in Eigentum. Für Investoren bedeutet die LDTR längere Verfahren, höhere Risiken und tiefere Renditen.
Gemäss den Studienautoren fiel die Einführung des Gesetzes mit einem deutlichen Rückgang institutioneller und privater Investitionen in den Neubau zusammen – insgesamt auf rund 600 Millionen Franken! Auf kantonaler Ebene entspricht dies etwa 1% des Genfer BIP und rund 11% der gesamten Bauausgaben.
Die kontinuierlich sinkende Leerstandsquote ist laut ihnen ebenfalls eine direkte Folge des Rückgangs des Neubaus – in einem Kanton, dessen Bevölkerung wächst.
Selbstverständlich werden die Schlussfolgerungen der Studie kritisiert. Für die Asloca bleiben Regulierungen wie die LDTR wirksame Instrumente gegen Investoren, die einzig auf Renditemaximierung zulasten der Mieter ausgerichtet seien.
Immoday-Redaktion
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