
Fast alle, die Wohneigentum besitzen, werden von der Abschaffung des Eigenmietwerts profitieren, die einen etwas mehr, die anderen etwas weniger. Zudem dürfte sich die Reform kurzfristig positiv, langfristig jedoch negativ auf das Baugewerbe auswirken. Auch die Steuereinnahmen werden wohl darunter leiden, denn sie werden voraussichtlich um mindestens 1,7 Milliarden Franken sinken. Im Übrigen dürfte die Reform die Immobilienpreise weiter in die Höhe treiben.
Ohne politische Überlegungen anzustellen und ohne dem Schicksal dieser Reform vorzugreifen, die von Volk und Ständen erst noch angenommen werden muss: Wer gewinnt und wer verliert, wenn der Eigenmietwert abgeschafft wird? Raiffeisen hat dazu kürzlich eine sehr interessante Analyse zu diesem Thema veröffentlicht.
Zur Erinnerung: Heute müssen alle, die Wohneigentum besitzen, den theoretischen Betrag versteuern, den sie erzielen könnten, wenn sie ihr Wohneigentum vermieten würden. Nach zahlreichen Verzögerungen haben die eidgenössischen Räte im Dezember 2024 beschlossen, diesen sogenannten Eigenmietwert gänzlich, also auch für Zweitwohnungen, abzuschaffen. Im Gegenzug dürfen die Hypothekarzinsen und die Kosten für Unterhalt und Renovation nicht mehr abgezogen werden. Dies ändert jedoch nichts daran, dass diese Reform für Eigenheimbesitzende unter dem Strich vorteilhaft ist.
Wer von einem Systemwechsel am meisten profitieren würde
Die beiden Kategorien von Eigenheimbesitzenden, die gemäss der Raiffeisen-Analyse am meisten von der Reform profitieren würden, sind die Ersterwerberinnen und Ersterwerber dank dem hohen Ersterwerberabzug sowie die Rentnerinnen und Rentner, die ihr Wohneigentum schon lange besitzen und ihre Hypotheken weitgehend amortisiert haben. In beiden Fällen wird es aber mindestens zehn Jahre dauern, bis sich die Abschaffung des Eigenmietwerts in einer Nettosteuerentlastung niederschlägt (während die Abschaffung des Eigenmietwerts sofort zu einer Steuerentlastung führt, dauert es mehrere Jahre, bis diese Entlastung die Folgen der Abschaffung des Unterhalts- und Renovationsabzugs kompensiert).
Steuerentlastung hängt stark vom Hypothekarzinssatz ab
Am wenigsten entlastet würden laut Raiffeisen hingegen die Besitzerinnen und Besitzer von renovationsbedürftigen Eigenheimen mit hoher Belehnung. Aber auch sie würden letztlich profitieren, es dauert nur länger. Natürlich ist jede Situation individuell, auch der Preis der Immobilie, der Unterhalts- und Renovationsbedarf und die lokale Besteuerung spielen eine wichtige Rolle.
Nicht zuletzt hängt die Höhe der Steuerentlastung auch stark von der Höhe der Hypothekarschuld und den Zinssätzen ab. Bei einem Eigenheim im Wert von einer Million Franken, das zu 80% belehnt ist, hat die Raiffeisen-Studie beispielsweise berechnet, dass die Reform zu einer Steuerentlastung führt, solange der Hypothekarzins 2,5% nicht übersteigt. Ist die Hypothek bereits zu 50% amortisiert, würden nach der Reform weniger Steuern bezahlt, solange der Hypothekarzins 3,5% nicht übersteigt. Bei einer sehr geringen Belehnung des Eigenheims wäre die Steuerbelastung nach der Reform unabhängig vom Hypothekarzins immer geringer als im heutigen System.
Auswirkungen der Abschaffung des Eigenmietwerts auf den Immobilienmarkt
Die Abschaffung des Eigenmietwerts wird auch erhebliche Auswirkungen auf den Immobilienmarkt haben, wie Raiffeisen versichert.
Bleiben die Zinsen tief, was für die nähere Zukunft das wahrscheinlichste Szenario ist, dürfte der Steuervorteil die Nachfrage und die Preise ankurbeln, obwohl es schon heute günstiger ist, im eigenen Wohnraum statt zur Miete zu wohnen.
Laut Raiffeisen könnte der Wohnkostenvorteil von Wohneigentum im Laufe des Jahres auf bis zu 30% ansteigen.
Ein Wermutstropfen bleibt allerdings: Sanierungsbedürftige Eigenheime dürften wegen der mit der Reform wegfallenden latenten Steuerabzüge an Wert verlieren.
Langfristige Auswirkungen auf das Baugewerbe
Gemäss der Raiffeisen-Studie dürfte das Baugewerbe langfristig zu den grössten Verlierern der Reform gehören. Denn wenn ein Grossteil des steuerlichen Unterhaltsabzugs wegfällt, wird der Unterhalt von Wohneigentum teurer, weshalb künftig weniger saniert werden dürfte als heute. Dies könnte sich auch insofern negativ auswirken, als möglicherweise weniger Renovationen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit von Immobilien durchgeführt werden.
In der Übergangsphase bis zum Inkrafttreten der Reform dürfte das Baugewerbe laut Raiffeisen-Studie jedoch kurzfristig von mehr Aufträgen profitieren. Denn es ist mit einem Boom an Last-Minute-Sanierungen zu rechnen, die durchgeführt werden, um von den Steuerabzügen zu profitieren, solange dies noch möglich i
Erhebliche Auswirkung auf die Steuereinnahmen
Für die öffentlichen Finanzen hätte die Abschaffung des Eigenmietwerts zumindest kurzfristig einen starken Rückgang der Steuereinnahmen zur Folge. Gemäss den Schätzungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung würde sich der Verlust bei einem Zinsniveau von 1,5% auf 1,7 Milliarden Franken belaufen. (Raiffeisen, die die Datenbasis dieser Schätzung für unvollständig hält, vermutet, dass es sogar noch mehr sein könnte.) Haushaltsneutral wäre die Reform erst ab einem Zinsniveau von knapp 3% (siehe Grafik rechts). Wie Raiffeisen bemerkt, sind wir von einem solchen Zinsniveau auf absehbare Zeit weit entfernt; selbst in den Phasen hoher Inflation wurden dieses 3% in den letzten Jahren nur kurzzeitig überschritten.
Die Steuerausfälle könnten auch durch die neuen Besteuerungsmöglichkeiten kompensiert werden, die das Gesetz den Kantonen einräumt: die Einführung einer Zweitwohnungssteuer und die Streichung der heute zulässigen Abzüge für Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen.
Olivier Toublan - Immoday.ch