
Die angekündigte Umstrukturierung der internationalen Organisationen infolge der Beschlüsse von Donald Trump wird sich auf den Genfer Immobilienmarkt auswirken. Die internationalen Funktionäre bewohnen in Genf rund 10 000 Wohnungen, belegen Büroflächen und sorgen für fast 250 000 Hotelübernachtungen. Diese Umstrukturierung dürfte paradoxerweise der Kantonsbevölkerung zugutekommen, denn der Wohnungsmarkt könnte sich entspannen.
Mit einem Leerstand von rund 0,5% – also unterhalb der Gleichgewichtsquote von rund 0,75% – ist der Mietwohnungsmarkt in der Stadt Genf angespannt. Auch mit den geplanten Neubauten dürfte sich die Situation nicht so schnell verbessern. Paradoxerweise könnten die Beschlüsse von Donald Trump – zumindest teilweise – zur Lösung des Problems beitragen. Dieser hat entschieden, die US-Finanzmittel für die grossen internationalen Organisationen zu kürzen. Die möglichen Folgen dieses Beschlusses wurden von Wüest Partner in einer kürzlich von RTS verbreiteten Studie analysiert. Diese liefert eine Schätzung, wie viele Wohnungen infolge der Umstrukturierungen der grossen internationalen Organisationen in Genf frei werden könnten.
In Genf werden nahezu 10 000 Wohnungen von internationalen Funktionären bewohnt
Zuerst einige Zahlen. Der jüngsten Statistik zufolge entfielen auf den internationalen Sektor in Genf im Jahr 2023 36 000 Arbeitsplätze, davon rund 80% in internationalen Organisationen, 10% in NGO und 10% in ständigen Missionen.
Unter dem Strich entspricht dies etwas mehr als 56 000 Personen, von denen 20 000 in Frankreich, 30 000 im Kanton Genf (die Hälfte in der Stadt) und der Rest im Kanton Waadt wohnen.
Die Ökonomen von Wüest Partner haben nachgerechnet: All diese Menschen bewohnen im Kanton Genf etwas weniger als 10 000 Wohnungen – aber nicht irgendwelche. Diese internationalen Funktionäre bevorzugen grössere Wohnungen als der Genfer Durchschnitt. Mehrere Studien zeigen zudem, dass sie bis zu doppelt so viel für ihre Wohnung bezahlen wie der Genfer Durchschnitt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sie mehr verdienen, in der Regel möblierte Wohnungen mieten und es ihnen an Marktkenntnis fehlt.
Mehrere Szenarien und ihre Auswirkungen auf den Genfer Wohnungsmarkt
Gestützt auf diese Daten haben die Ökonomen von Wüest Partner mehrere Szenarien analysiert.
Wenn mit der Umstrukturierung der grossen internationalen Organisationen die Zahl der internationalen Funktionäre um 20% zurückgeht, könnten dadurch 1000 Wohnungen in der Stadt und fast 2000 Wohnungen im Kanton frei werden.
Sinkt die Zahl der Funktionäre um 50%, wären in der Stadt Genf 2500 mehr und im Kanton etwas weniger als 5000 Wohnungen mehr verfügbar.
Würde dies ausreichen, damit der Genfer Wohnungsmarkt wieder zu einem Gleichgewicht zurückfindet? Nicht wirklich. Laut Christophe Aumeunier, Generalsekretär der Genfer Immobilienkammer, der von RTS befragt wurde, fehlen etwa 10 000 Wohnungen, um wieder eine stabile und ausgeglichene Situation am Markt zu erreichen.
Mit anderen Worten: Alle internationalen Funktionäre müssten Genf verlassen (wodurch 5000 Wohnungen in der Stadt und etwas weniger als 10 000 Wohnungen im Kanton frei würden), was nicht das wahrscheinlichste Szenario ist. Zudem wären die frei werdenden Wohnungen, wie bereits erwähnt, überdurchschnittlich gross und teuer, sodass sie nicht unbedingt den Bedürfnissen der Bevölkerung des Kantons entsprechen würden.
Auswirkungen auch auf Büroliegenschaften ...
Diese Umstrukturierungen werden sich aber nicht nur auf den Wohnungsmarkt auswirken. Diese 36 000 internationalen Funktionäre arbeiten in Büros und belegen der durchschnittlichen Schätzung der Experten von Wüest Partner zufolge Büroflächen von ungefähr 650 000 m².
Bei Büroflächen sieht die Situation anders aus als bei Wohnimmobilien. Mit einer Angebotsquote von 6% in der Stadt und 10% im Kanton liegt Genf über dem schweizweiten Durchschnitt von 6%. Deshalb würde sich ein Wegzug der internationalen Funktionäre negativ auf den Markt auswirken, da die Angebotsquote gemäss den Berechnungen von Wüest Partner bei einem Abbau der Stellen um 20% um 1 Prozentpunkt und bei einem Wegzug aller internationalen Funktionäre um bis zu 4 Prozentpunkte steigen würde. Für die Eigentümer wäre dies ungünstig, denn diese haben schon jetzt Mühe, ihre Büroliegenschaften zu vermieten.
... und den Hotelmarkt
Zu guter Letzt wird sich die Umstrukturierung der internationalen Organisationen auch auf den Hotelmarkt auswirken. In Genf hat sich dieser Markt nach der Pandemie gut erholt. Die Zahl der Übernachtungen liegt sowohl in der Stadt als auch im Kanton trotz leicht gestiegener Preise mittlerweile über dem Wert von 2019.
Schätzungen zufolge sorgen internationale Organisationen jedes Jahr für mindestens 250 000 Übernachtungen von Delegierten und Experten, die auf der Durchreise sind. Würden alle internationalen Organisationen Genf verlassen, würde dies gemäss Wüest Partner zu einem Rückgang der Übernachtungen in der Stadt Genf um 10% und im Kanton um 6% führen. Ganz zu schweigen von den negativen Auswirkungen auf den Tourismusmarkt, denn Genf würde als internationale Stadt an Strahlkraft und Attraktivität einbüssen.
Immoday-Redaktion
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