Wie soll man mit steigenden Agios umgehen?

04/05/2021

Laure Carrard

IMvestir Partners SA

3 min

Die meisten kotierten indirekten Immobilienfonds haben vor Kurzem ihre Resultate veröffentlicht. Dabei ist festzustellen, dass sich ein Trend verfestigt: der Anstieg der Agios. Dies gilt insbesondere für Wohnimmobilienfonds. Ein so hoher Aufschlag kann für Anleger, die in den Markt einsteigen oder ihre Positionen ausbauen möchten, ein echtes Problem darstellen. Was also soll man tun? Einige Ratschläge von Laure Carrard.

 

Angesichts des Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage sind bei den indirekten Immobilienanlagen die Agios in den letzten Jahren immer weiter angestiegen. Sie liegen derzeit bisweilen so hoch, dass sich einige mittlerweile fragen, ob es nicht etwas riskant ist, sehr langfristig in kotierte Immobilienanlagen zu investieren. Ein so hoher Aufschlag für den Einstieg in den Markt verringert nämlich die Rentabilität und kann zu höherer Volatilität führen. Kurz gesagt: genau das, was die institutionellen Anleger abschreckt. Was also soll man tun? Wir haben hierzu Laure Carrard, eine Expertin für indirekte Immobilienfonds und Geschäftsführerin von IMvestir, einem Beratungsunternehmen für Immobilienanlagen, befragt.

 

Laure Carrard, wie lässt sich der starke Anstieg der Agios in den letzten Jahren erklären?

In letzter Konsequenz spiegeln die Agios die Erwartungen der Anleger, die Zinsen sowie das Angebot und die Nachfrage wider. Da die Zinsen tief sind und seit mehreren Jahren ein Nachfrageüberhang besteht, sind die Agios stark gestiegen – unabhängig von der Fondsqualität und der Entwicklung der Immobilienmärkte.

 

Ich verstehe, doch ist das wirklich vernünftig?

Für die Anleger scheint dies der Fall zu sein. Sie sind bereit, diesen Aufschlag zu bezahlen, um ihr Portfolio zu diversifizieren, die Verwaltung ihrer Immobilienanlagen an einen Profi zu delegieren und – dank der Investition in einen von den Finanzbehörden beaufsichtigten Fonds – über einen gewissen Schutz zu verfügen. Hinzukommt, dass sie dank der Dividende eine Rendite von rund 2,5% erzielen, was in einem Tiefzinsumfeld nicht zu unterschätzen ist. Darüber hinaus darf man nicht vergessen, dass eine Investition in einen indirekten Immobilienfonds deutlich liquider ist als eine direkte Immobilienanlage.

 

Einige Agios liegen bei 50%. Ist das nicht zu hoch?

Bei den kotierten Fonds lag der Agiodurchschnitt im März 2021 bei 35%. Das ist sehr hoch, da dieser Durchschnitt in der Vergangenheit eher zwischen 15 und 20% lag. Doch ich sage es noch einmal: Das aktuelle Niveau ist auf die hohe Nachfrage und die tiefen Zinsen zurückzuführen.

Es gibt doch auch steuerliche Gründe.

Ja, das Agio setzt sich auch aus latenten Liquidationssteuern zusammen. Der NIW wird nämlich nach Abzug dieser Steuern berechnet, sodass der Buchwert des Immobilienportfolios unter dessen Marktwert liegt. Diese Steuern belaufen sich auf durchschnittlich 8 bis 10%. Bei alten Fonds, die während Jahrzehnten eine massive Wertzunahme verzeichnet haben, können diese Steuern jedoch bis zu 20 Prozentpunkte eines Agios von 40% betragen. In Wirklichkeit ist dies jedoch ein

buchhalterischer Effekt, da die Liquidation eines Fonds wenig wahrscheinlich ist. Will man jedoch das hohe Niveau der Agios verstehen, ist auch dieser Faktor zu berücksichtigen. 
 

Sind nicht auch Unterschiede nach Anlagesegment festzustellen?

Bei den kotierten Fonds unterscheiden sich die Agios zwischen Wohn- und Geschäftsimmobilien sehr stark. Bei Wohnimmobilien sind die Agios höher, weil die Anleger einen in diese Art von Immobilien investierten Fonds bevorzugen, der in der Regel regelmässigere und nachhaltigere Erträge abwirft. Bei Geschäftsimmobilien liegen die Agios pandemiebedingt derzeit tiefer. Viele Unternehmen mussten in der Covid-19-Krise Einbussen hinnehmen und zahlreiche Geschäfte mussten schliessen. Die Mietausfälle und die Leerstände waren somit höher als bei den Wohnimmobilien. Da das Risiko höher ist und die Renditen weniger sicher sind, ist das Agio tiefer.

 

Wird sich der in den letzten Jahren beobachtete Agioanstieg fortsetzen?

Er könnte sich durchaus fortsetzen, doch ich denke, dass wir eine Obergrenze erreicht haben. Das aktuelle Niveau dürfte stabil bleiben, es sei denn, an den Märkten kommt es zu einem bedeutenden Schock. Zum Beispiel eine erneute Konjunkturabkühlung infolge eines Wiederaufflammens der Pandemie, was zu einem Börseneinbruch wie im März 2020 führen würde. Anders gesagt: Während es in den letzten Jahren möglich war, dank dem Agioanstieg die Performance aufzubessern, dürfte dies meines Erachtens künftig nicht mehr der Fall sein.

 

Olivier Toublan für Immoday