
Die Fusion zwischen Credit Suisse und UBS birgt ein systemisches Risiko für den gesamten Markt der verbrieften Immobilienanlagen, da die Bank nun nahezu 50% des Marktes der kotierten Immobilienfonds kontrolliert. Um dieses Risiko zu begrenzen, sollte die Finma die Schaffung einer unabhängigen Fondsleitung verlangen. Gleichzeitig sinken die Renditen der Fonds kontinuierlich, bedingt durch den Anstieg der Agios und der Immobilienpreise. Und dennoch wollen alle weiter wachsen – trotz eines ausgetrockneten Marktes. In diesem Kontext wäre eine Zinswende (auf kurze Sicht zwar wenig wahrscheinlich, aber auf lange Sicht nicht ausgeschlossen) für den gesamten Sektor verheerend.
Vor rund zwanzig Jahren gehörte Philippe Neri zu den Gründervätern von Realstone und leitete das Unternehmen bis 2009 als CEO. Seither ist er zwar in anderen Gefilden unterwegs – dem Markt für kotierte Immobilienanlagen hat er jedoch nie den Rücken gekehrt. Heute meldet er sich mit einer scharfsinnigen Analyse zurück – und kritisiert offen die Fusion von Credit Suisse und UBS. Diese habe, so Neri, zur Entstehung eines hegemoniellen Kolosses geführt – auch im Markt für Immobilienfonds. Ein Weckruf für eine Branche, die sich gerne als diversifiziert versteht, aber zunehmend in Richtung Monokultur abdriftet.
Philippe Neri, weshalb ist das Gewicht der neuen UBS im Markt der verbrieften Immobilienanlagen ein Problem?
Heute haben wir es mit einem einzigen Akteur zu tun, der fast 50% des Marktes der kotierten Immobilienfonds kontrolliert – ein klar systemisches Risiko. Ganz zu schweigen vom Gewicht der Bank im Hypothekargeschäft, das ebenfalls ein systemisches Risiko darstellt.
Aber ein Immobilienfonds besitzt doch nur greifbare, solide Vermögenswerte, also praktisch ohne Risiko?
Juristisch gesehen ist die Fondsleitung Eigentümerin dieser Immobilienwerte, die Dutzende Milliarden Franken umfassen – und diese Fondsleitung gehört im fraglichen Fall zu 100% UBS. Was geschieht also, wenn UBS ins Wanken gerät? Sämtliche Immobilien, die sie über ihre Fondsleitung hält, könnten ebenfalls ins Straucheln geraten. Und erzählen Sie mir nicht, dass UBS keinerlei Risiko ausgesetzt sei. Man darf nicht vergessen, dass 2008 – nach der Subprime-Krise – eine Kapitalinjektion des Bundes von fast 6 Milliarden Franken notwendig war, um die Bank zu retten. Und schon 1998 war die Fusion mit der SBS erforderlich, nachdem UBS durch die Pleite des Hedgefonds LTCM erhebliche Verluste erlitten hatte.
Gut, aber 2008 haben die Immobilienfonds durchgehalten. Das Risiko liegt also nicht dort.
Das ist ein Kurzzeitgedächtnis. Erinnern wir uns: 2008 lag der Leitzins der SNB bei 2,75%, und die meisten Immobilienfonds waren stark unter Druck. Institutionelle Anleger bevorzugten risikolose Eidgenossen-Anleihen. Die Immobilienfonds wurden letztlich durch die Subprime-Krise und den darauffolgenden Rückgang des SNB-Leitzinses gerettet, der innert weniger Monate auf 0,5% fiel – ein noch schnellerer Rückgang als in den letzten zwei Jahren. In beiden Fällen führte die Zinswende zu einem Ansturm auf Immobilienfonds und liess die Agios explodieren.
Was müsste man also tun, um dieses UBS-Risiko zu begrenzen?
Für die Bank im Allgemeinen? Die Trennung des Schweizer Geschäfts vom Auslandsgeschäft. Natürlich wird der Bundesrat das niemals von UBS verlangen.
Und im Immobilienbereich?
Die Schaffung einer unabhängigen Fondsleitung mit Sitz in der Schweiz. Damit liesse sich auch vermeiden, dass rechtliche Probleme auftreten, falls UBS – wie bereits angedroht – ihren Hauptsitz in die USA verlagern sollte.
Welche rechtlichen Probleme?
Die Lex Koller ist eindeutig: Liegt eine überwiegende ausländische Einflussnahme vor, darf die Gesellschaft keine Wohnimmobilien besitzen – weder direkt noch über eine Fondsleitung oder eine Immobilienstiftung. Doch der Geist dieses Gesetzes wird nicht wirklich respektiert, wie etwa das Beispiel AXA Winterthur zeigt, das zu 100 % einem französischen Unternehmen gehört und dennoch Immobilien, auch verbriefte, hält.
Seit der Fusion mit SBS im Jahr 1998 hatte UBS bereits eine dominante Position, dennoch hat sich der Immobilienfondssektor entwickelt und neue Akteure sind aufgetreten.
Richtig, aber der Sektor ist heute ganz anders. Institutionelle Anleger bevorzugen riesige Fonds, die sie aufgrund ihres diversifizierten Portfolios für weniger riskant und aufgrund ihrer Grösse für liquider halten. In den letzten Jahren hat man gesehen, wie schwer sich neue Fonds damit taten, Kapital zu beschaffen. Selbst kleinere etablierte Fonds hatten es nicht leicht: Für eine Kapitalerhöhung müssen sie bereits gesicherte Immobilien in der Pipeline haben. Und in Städten wie Lausanne zudem das Vorkaufsrecht überwinden.
Weniger riskante und liquide Fonds – das klingt doch nach einem guten Geschäft für Investoren.
Nur scheint diese Liquidität teilweise trügerisch. Das zeigte die abrupte Zinswende 2022: Es gab viele Verkäufer, aber kaum noch Käufer. Einige Fondsmanager mussten Immobilien sogar mit Verlust veräussern, um Rücknahmen zu bedienen. Das hatten wir schon 2008 gesehen: In Krisenzeiten versiegt die Liquidität, niemand will kaufen.
Dennoch heisst es, Immobilien seien vom restlichen Markt entkoppelt.
Langfristig und in guten Zeiten ja – nicht aber, wenn der Markt kollabiert.
Neben der erhöhten Liquidität bringt die Fusion der Fonds von Credit Suisse und UBS auch Synergien in den Teams und eine Reduktion der Verwaltungskosten.
Theoretisch ja – aber ob diese Kostensenkung dem Endkunden zugutekommt oder lediglich die Margen der Bank erhöht, bleibt abzuwarten. Ausserdem darf man sich ab einer gewissen Grösse fragen, ob die Teams tatsächlich in der Lage sind, ihr Immobilienportfolio aktiv zu optimieren, oder ob sie nur noch den Alltag verwalten.
Offensichtlich teilen die Investoren Ihre Analyse nicht, wenn man die starke Nachfrage nach UBS-Fonds betrachtet, deren Agios teils über 50% liegen.
Das ist eine Marktanomalie. Denn das Agio ist die Prämie, die der Investor über den Nettoinventarwert (NIW) hinaus bezahlt. Der NIW entspricht dem Wert der Immobilien in einem normalen Markt. Einen Fondsanteil mit einem Agio von 50% zu kaufen, bedeutet, eine Immobilie um 50% teurer als den Marktpreis zu erwerben.
Wie erklären Sie sich, dass es trotz solch hoher Agios eine derart grosse Nachfrage nach Immobilienfonds gibt?
Die Anleger interessieren sich weniger für die Immobilien an sich, sondern für den stabilen Ertrag der Fonds, die als Alternative zu Eidgenossen-Anleihen gelten. Diese starke Nachfrage treibt die Agios nach oben, senkt aber gleichzeitig die Renditen. Zumal wir uns in einem trockenen Immobilienmarkt befinden, in dem Fonds dennoch ständig wachsen wollen. Eine Zinswende würde genügen, um dieses Kartenhaus zum Einsturz zu bringen.
Aber 2022 haben wir doch einen starken Zinsanstieg erlebt, und die Immobilienfonds haben standgehalten.
Wirklich? Auch wenn der Anstieg kurz war, fiel das durchschnittliche Agio fast auf 0% in dieser Phase. Und man darf nicht vergessen: Zwischen 1987 und 1993 war das durchschnittliche Agio der Immobilienfonds negativ – ein Beleg dafür, dass diese Anlagen nicht immer so solide sind, wie man oft glaubt.
Wie auch immer: Mit einem Spread von rund 200 Basispunkten haben die institutionellen Investoren keine Wahl, sie werden weiterhin auf Immobilienfonds setzen.
Vorerst ja. Doch wie gesagt, die Renditen sinken – und dürften weiter sinken angesichts steigender Immobilienpreise, massiver Renovationskosten und politischer Initiativen zur Mietbegrenzung. Kurz: Die Zukunft der Immobilienrenditen sieht nicht rosig aus. Ab welchem Spread die Investoren ihre Strategie ändern werden, bleibt die entscheidende Frage: Verkaufen sie dann Immobilienanlagen, die riskanter sind als gedacht, realisieren ihre Gewinne, drücken die Agios nach unten und investieren stattdessen in Eidgenossen-Anleihen – mit zwar tieferer, aber risikofreier Rendite?
Sie glauben also, eine Korrektur sei möglich?
Sagen wir so: Sie ist nicht ausgeschlossen. Mehrere Indikatoren, die zuvor auf Grün standen, sind inzwischen auf Orange oder sogar Rot gesprungen. Man muss umso vorsichtiger sein, als dass das Ausmass einer solchen Korrektur durch das systemische Risiko verstärkt werden könnte, das wir zu Beginn angesprochen haben: die starke Konzentration des Sektors in den Händen eines einzigen Akteurs – UBS –, der in der Vergangenheit seine Fragilität mehrfach unter Beweis gestellt hat.
Immoday-Redaktion
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