
Die Spannungen auf dem Immobilienmarkt nehmen zu: Die Angebotsmieten steigen rasant, die Liegenschaftspreise machen Wohneigentum für die Mehrheit der Bevölkerung unerschwinglich, und die Immobilienrenditen institutioneller Anleger brechen in den grossen Ballungszentren ein. Hinzu kommt das Korsett aus Vorschriften und Gesetzen, das den Markt zusätzlich einengt. Welche Lösungen könnten vor diesem Hintergrund die Spannungen abbauen? Donato Scognamiglio, IAZI-Verwaltungsratspräsident, und Raphaël Gabella, stellvertretender Leiter Westschweiz von IAZI, machen einige Vorschläge.
Ende November führte die IAZI AG ihren Congrès Immobilier et Financier CIFI en Suisse romande durch. Die Veranstaltung bot Gelegenheit, wichtige Akteure der Immobilienbranche zu treffen, Kontakte zu knüpfen und die Frage zu erörtern, wie sich die Immobilienmärkte in einem von zunehmenden Spannungen geprägten Umfeld entwickeln werden.
Wir wollten mehr darüber erfahren und sprachen mit den IAZI-Führungskräften Donato Scognamiglio, ehemaliger CEO und derzeitiger Verwaltungsratspräsident der IAZI AG, sowie Raphaël Gabella, stellvertretender Leiter Westschweiz bei IAZI.
Meine Herren, in Ihrer Präsentation auf dem IAZI-Kongress zeigen Sie auf, dass die Nominallöhne seit 2015 um 5%, der Landesindex der Konsumentenpreise um 6%, die Preise für Wohnraum jedoch um 26% gestiegen sind. Ist dieser Trend auf Dauer tragbar?
Wohl eher nicht, denn er schafft Probleme und Spannungen in der Bevölkerung. Wie es manche mit nur leichter Übertreibung zusammenfassen, muss man heute entweder erben oder im Lotto gewinnen, um Wohneigentum erwerben zu können. Tatsächlich können sich immer weniger Menschen eine Immobilie in einer grossen Stadt leisten und müssen stattdessen ins Umland ausweichen, um erschwingliches Wohneigentum zu finden. Gemäss den neuesten Statistiken geben 20% der Bevölkerung mehr als ein Drittel ihres Einkommens fürs Wohnen aus, was auf Dauer untragbar ist.
Wirklich? Mit einer 10-jährigen Festhypothek zu 1,8% Zins bezahlt man für die Finanzierung einer Immobilie im Wert von einer Million Franken gerade mal 1500 Franken pro Monat. Das ist doch tragbar.
Ja, aber das ist nur ein Teil der Geschichte. Denn zur Sicherheit verlangen die Banken für die Finanzierung eines Objekts im Wert von einer Million Franken ein Eigenkapital von 200 000 Franken und ein Jahreseinkommen von mindestens 150 000 Franken. Damit ist ein Grossteil der Bevölkerung vom Immobilienerwerb ausgeschlossen. Zudem sind die Kosten für den Immobilienunterhalt erheblich.
Wie stark dürfen die Immobilienpreise in einem gesunden wirtschaftlichen Umfeld steigen?
Ungefähr gleich stark wie die Löhne und das BIP. In der Schweiz ist dies seit gut 30 Jahren nicht mehr der Fall.
Worauf ist diese Diskrepanz zurückzuführen?
Einerseits auf den wirtschaftlichen und politischen Erfolg der Schweiz, der ein starkes, hauptsächlich auf Einwanderung beruhendes Bevölkerungswachstum zur Folge hat. Andererseits wird es durch die zunehmende Anzahl von Vorschriften und Einschränkungen immer schwieriger, die Nachfrage nach Wohnraum in bereits dicht bebauten städtischen Gebieten zu decken. Will man dort mehr Wohnungen schaffen, ist oft der Abriss bestehender und der Bau neuer Gebäude erforderlich. Das ist sehr zeitaufwendig, führt zu zahlreichen Einsprachen und erhöht die Anzahl der Wohneinheiten auf dem Markt meist nur geringfügig.

Was heisst das?
Wenn Sie auf einem noch unbebauten Grundstück ein Gebäude mit 50 Wohnungen errichten, wächst das Angebot um 50 Wohnungen. Wenn Sie hingegen ein Gebäude mit 40 Wohnungen abreissen, um Platz für einen Neubau zu schaffen, wächst das Angebot nur um 10 Wohnungen. Dies ist das typische Szenario in Schweizer Grossstädten. Es ist das Ergebnis politischer Entscheidungen, die die bebaubare Fläche beschränken, um städtische und vorstädtische Grünflächen um jeden Preis zu erhalten.
Ob zum Kaufen oder zum Mieten: Wohnraum zu finden, ist schwierig. Wie Ihre Statistiken zeigen, haben sich die Bestandesmieten in den letzten 20 Jahren kaum verändert, während die Angebotsmieten um 36% gestiegen sind. Da stellt sich erneut die Frage: Ist dies auf Dauer tragbar?
Insgesamt scheinen die Mieterinnen und Mieter in der Schweiz gar nicht so unglücklich zu sein, wenn man den Umfragen Glauben schenken darf. Solange man nicht umzieht, bleibt die Miete unverändert und alles ist in Ordnung.
Was aber, wenn man umziehen muss?
Dann muss man sich eine Wohnung zur Marktmiete suchen, die bis zu doppelt so teuer sein kann wie die alte Wohnung. Die Folge davon ist oft eine Abwanderung in das Umland der grossen städtischen Zentren, wo die Mieten erschwinglicher sind, zum Beispiel aus der Stadt Zürich in den Aargau oder aus Lausanne ins Chablais.
Ist diese Abwanderung nicht die einfache Lösung für die Wohnraumprobleme in der Schweiz?
Nicht, wenn sie unfreiwillig erfolgt, wenn man also gezwungen ist, seine Nachbarschaft und seinen Freundeskreis zu verlassen und weit weg vom Arbeitsplatz zu wohnen.
Was wäre dann die Lösung? Die Nachfrage durch eine Begrenzung der Schweizer Bevölkerung zu senken, wie es die SVP-Initiative vorschlägt?
Das ist völlig unrealistisch, wenn die Schweizer Wirtschaft weiterwachsen soll. Und es ist nicht umsetzbar.
Sollten die Banken ihre Auflagen bei der Vergabe von Hypothekarkrediten lockern?
Das wäre gefährlich. Zwar ist es eher unwahrscheinlich, dass die Hypothekarzinsen in naher Zukunft wieder auf 5% steigen werden, aber die Vergangenheit hat gezeigt, dass es möglich ist. Sie hat auch gezeigt, dass eine Immobilienkrise wie die US-Subprime-Krise im Jahr 2008 die gesamte Wirtschaft in Mitleidenschaft ziehen kann. Es ist also Vorsicht geboten. Zudem würde eine Lockerung der Bankauflagen das Angebotsproblem nicht lösen.
Müssten die Mieterschutzgesetze und ‑bestimmungen überarbeitet werden?
Das ist politisch völlig undenkbar.
Wie sieht also Ihre Lösung aus?
Man könnte die Bauzonen durch Änderung des Raumplanungsgesetzes nach oben korrigieren und die Einsprachemöglichkeiten beschränken, um opportunistischen Einsprachen, die oft nur durch die Hoffnung auf eine finanzielle Entschädigung motiviert sind, den Riegel zu schieben. Zudem könnte man den Bauherren mehr Spielraum geben und sie im Gegenzug beispielsweise dazu verpflichten, einen Teil der neuen Wohnungen zur Kostenmiete auf den Markt zu bringen. In einigen Städten wird das bereits praktiziert.
Das wird weder für private noch für institutionelle Anleger von grossem Interesse sein.
Mit einem gut durchdachten Businessplan können die Bauträger aber immer noch Gewinne erzielen. Zudem würde die Akzeptanz neuer Immobilienprojekte bei der lokalen Bevölkerung steigen.
Sie zeigen auf, dass die Rendite von Immobilien in zentralen Stadtlagen stark gesunken ist – oft auf unter 3%. Dennoch werden solche Liegenschaften von den Investoren weiterhin gekauft. Weshalb eigentlich?
Diese Immobilien in den Stadtzentren haben noch Potenzial, beispielsweise in Form von Mietreserven. Zwar können diese kurzfristig nicht realisiert werden, doch institutionelle Anleger denken sehr langfristig. Langfristig werden die Mietparteien nach und nach ausziehen und die Mieten können erhöht werden. Ausserdem rechnen diese Investoren nicht mit der Miete allein, sondern haben die Gesamtrendite einschliesslich der Wertsteigerung des Gebäudes im Auge. Im historischen Durchschnitt beträgt diese etwa 3% pro Jahr.

Sie ist jedoch recht hypothetisch.
Solange die Schweizer Wirtschaft weiterhin floriert und die Bevölkerung wächst, wird sich die Wertsteigerung aber selbst auf lange Sicht nicht ändern. Jedenfalls verfügen die Pensionskassen und sonstigen institutionellen Anleger derzeit über viel Geld. Wenn sie dieses auf einem Bankkonto liegen lassen, müssen sie Negativzinsen zahlen. Da ist eine Immobilienrendite – und sei sie auch noch so gering – attraktiver. Zudem können sie auch höhere Renditen anstreben, indem sie eine Immobilie in der Peripherie erwerben. Dann ist allerdings das Wertsteigerungspotenzial geringer.
Abschliessend möchte ich noch die Frage aufgreifen, die Sie auf Ihrem Kongress stellten: In welche Richtung werden sich die Immobilienmärkte entwickeln?
Alles in allem sind wir recht optimistisch. Denn wenn es so viele Spannungen auf dem Immobilienmarkt gibt, wenn die Leerstandsquote niedrig ist und die Preise steigen, dann weil es der Schweiz gut geht und eine anhaltende Nachfrage nach Häusern und Wohnungen besteht.
Gibt es trotzdem Risiken, beispielsweise die Rückkehr der Inflation, die zu einem Anstieg der SNB-Zinsen und damit der Hypothekarzinsen führen würde?
Ja, dieses Risiko besteht auf lange Sicht tatsächlich, aber es ist gering. Glücklicherweise sind die Wohneigentümer in der Schweiz seriös und haben ihre Immobilien abbezahlt, was die Auswirkungen eines Zinsanstiegs begrenzt. Ausserdem ist der Immobiliensektor mit Hypothekarkrediten im Wert von rund 1300 Milliarden Franken in der Schweiz inzwischen «too big to fail». Sollte es zu einer Krise kommen, müsste der Staat eingreifen. Das stellt gewissermassen einen zusätzlichen Schutz für den Sektor dar. Aber hoffen wir, dass es nie so weit kommt. Abgesehen davon kann es – wie das Credit-Suisse-Debakel kürzlich gezeigt hat – immer zum Schlimmsten kommen. Daher ist es besser, vorbereitet zu sein.
Immoday-Redaktion
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