
Zurzeit wird weithin davon ausgegangen, dass die vielen Eigentümer der Babyboomergeneration vermehrt aus ihren Eigenheimen ausziehen könnten, wenn sie das Pensionsalter erreichen. Angesichts einer ab 2045 schrumpfenden Schweizer Bevölkerung und einer geringeren Zahl an potenziellen jungen Käufern könnten durch das Angebot an neuen Objekten die Immobilienpreise unter Druck geraten. Bei genauer Betrachtung der Statistiken ist jedoch festzustellen, dass die Babyboomer ihre Immobilien nicht verkaufen und dass angesichts des aktuellen Wohnungsmangels – der auch weiterhin bestehen wird – diese neuen Objekte am Markt zu einer Entspannung der Lage führen würden. Ein Einbruch der Preise ist somit wenig wahrscheinlich.
Das Thema wurde in den letzten Monaten in den Medien viel diskutiert und beschäftigt auch die Immobilieninvestoren: Die Babyboomer werden älter; bald werden sehr viele von ihnen ihre Liegenschaften verkaufen wollen. Gleichzeitig wird es infolge der aktuellen Alterspyramide und des erwarteten Bevölkerungsrückgangs in der Schweiz weniger potenzielle junge Käufer geben. Dadurch werden die Immobilienpreise unter Druck geraten. Dieses Phänomen ist übrigens nicht auf die Schweiz beschränkt. In einigen Ländern mit schrumpfender Bevölkerung wie Japan ist es bereits zu beobachten. Es wird derzeit so heiss diskutiert, dass man ihm in den USA einen Namen gegeben hat: «Silver Tsunami».
Zu viele Verkäufer angesichts einer rückläufigen Zahl von Käufern
Laut Hendrik Budliger, Gründer des Kompetenzzentrums für Demografie, wird die Schweizer Bevölkerung ab 2045 schneller schrumpfen als vom Bundesamt für Statistik prognostiziert. Er behauptet, dass sich viele Babyboomer (oder ihre Erben), wenn sie ihre Liegenschaft verkaufen möchten, mit einer geringeren Nachfrage konfrontiert sehen werden – einerseits, weil es nicht mehr so viele potenzielle junge Käufer geben wird, und andererseits, weil die zum Verkauf stehenden Liegenschaften nicht mehr ihren Bedürfnissen – namentlich in Sachen Nachhaltigkeit und Grösse – entsprechen werden.
Dies möge belanglos erscheinen, aber wenn man bedenke, dass heute fast die Hälfte aller Immobilien in der Schweiz im Besitz dieser Babyboomergeneration ist, könne die Zahl der Objekte, die rasch auf den Markt kommen, ausreichen, um die Preise zum Einbruch zu bringen. Laut einer Studie von UBS sollen bis 2045 mehr als 400 000 Eigentumswohnungen verkauft werden.
Babyboomer haben keine Lust, ihre Liegenschaften zu verkaufen
Die Ökonomen der Raiffeisen haben sich vor Kurzem mit dem Thema befasst und kommen zum Schluss, dass diese Ängste unbegründet sind. Zwar werde sich die demografischen Entwicklung auf den Immobilienmarkt auswirken, aber nur in geringem Masse.
Das Hauptargument der Schwarzseher beruht auf einer einfachen Annahme, nämlich dass die betagten Babyboomer ihre Immobilie verkaufen wollen (beispielsweise um in eine kleinere und ihren Bedürfnissen entsprechende Wohnung zu ziehen).
Doch sei diese Annahme bei genauerer Betrachtung der Statistiken falsch, so die Raiffeisen. Laut den Ökonomen der Bank bleiben die Babyboomer nach ihrer Pensionierung überwiegend Eigentümer ihres Heims und ist auch ihre Umzugsbereitschaft bis ins hohe Alter gering, insbesondere, wenn sie Eigentümer ihres Heims sind. Deshalb sei nicht mit einer Verkaufswelle zu rechnen.
Demografische Auswirkungen aufgrund von Knappheitseffekten kaum spürbar
Dies solle nicht heissen, dass in den kommenden Jahren keine Immobilien von Babyboomern auf den Markt kommen. Allerdings sei der Nachfrageüberhang heute so gross, dass die demografischen Auswirkungen kaum spürbar sein werden, versichern die Ökonomen der Raiffeisen.
Die Nachfrage nach Einfamilienhäusern und Stockwerkeigentum werde unter anderem aufgrund der Zuwanderung, die wegen des Lohngefälles gegenüber dem Ausland robust bleiben dürfte, sowie wegen der voraussichtlich weiterhin niedrigen Hypothekarzinsen hoch bleiben, insbesondere in den Städten – zumindest bis zum Ende des Prognosezeitraums.
Dennoch räumt die Raiffeisen ein, dass sich der demografische Wandel auf den Immobilienmarkt auswirken wird – allerdings könnte diese Entwicklung entgegen den Aussagen der Schwarzmaler positiv sein.
Der demografische Wandel als Chance?
Das Phänomen, dass ältere Menschen allein oder zu zweit in viel zu grossen Wohnungen leben, werde sich durch eine überproportional steigende Zahl von Todesfällen abbauen, sodass laufend mehr Einfamilienhäuser für Familien frei werden.
Oder auf dem Baugrund eines nicht mehr zeitgemässen Einfamilienhauses könne ein effizienteres Mehrfamilienhaus gebaut werden, das deutlich mehr Wohnraum schaffe. Fazit der Raiffeisen: All diese positiven Auswirkungen der demografischen Entwicklung werden zur Entschärfung der Wohnraumproblematik beitragen.
Die Angst vor dem demografischen Wandel sei vor allem eine Angst vor einem Nachfragerückgang, schlussfolgern die Ökonomen der Bank. An einem Markt, der aufgrund eines sehr grossen Nachfrageüberhangs und eines äusserst knappen Angebots von einem strukturellen Wohnungsmangel geprägt sei, dürfte der Rückgang der Nachfrage jedoch Teil der langfristigen Lösung sein– mit dem Resultat, dass es am Immobilienmarkt zur erhofften Entspannung kommt, ist die schweizweite Leerstandsquote den Zahlen des Bundesamtes für Statistik zufolge vor Kurzem doch unter 1% gesunken.
Immoday-Redaktion
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