Agios kotierter Immobilienfonds

20/04/2021

Jonathan Martin

COPTIS

3 min

Im Jargon der Immobilienanlagen nimmt das Agio einen prominenten Platz ein. Sein Konzept ist zwar ziemlich einfach – bei den kotierten Immobilienfonds entspricht das Agio der Differenz zwischen dem Börsenkurs und dem Nettoinventarwert (NIW) eines Titels –, die Gründe für die – bisweilen deutlichen – Veränderungen des Agios sind aber weniger offensichtlich.

 

Die Bildung eines Agios kann auf strukturelle Faktoren zurückzuführen sein. Diese erklären, weshalb die Anleger bereit sind, mehr als den inneren Wert der Immobilien zu bezahlen. Die Diversifikation nach Regionen und Nutzungsart, die Delegation der Verwaltung an Fachleute und ein rechtlicher Rahmen, der Schutz bietet, werden von den Investoren häufig als Hauptgründe genannt. Auch die tägliche Liquidität an der Schweizer Börse und die Möglichkeit, die eigenen Anteile einmal pro Jahr zum Nettoinventarwert zurückzugeben, stellen einen Mehrwert gegenüber direkten Immobilienanlagen dar. Nicht zu vergessen ist schliesslich auch, dass die Immobilien in den Fondsbilanzen relativ konservativ bewertet werden.

 

Andere Faktoren wiederum sind eher zyklischer Natur und hängen vom makroökonomischen Umfeld ab. Dies gilt insbesondere für das Zinsniveau, das sich in mehrfacher Hinsicht – Nachfrage nach dieser Anlagekategorie, Bewertung der Immobilien in den Bilanzen und Finanzierungskosten – auf die börsenkotierten Immobilientitel auswirkt. Zu den übrigen Faktoren gehören u. a. die Liquiditätsreserven der Anleger und das Angebot an Immobilienanlagen, welches über Kapitalerhöhungen oder Lancierungen neuer Vehikel auf den Markt kommt.

 

Die kotierten Immobilienfonds verzeichneten 2020 eine Jahresperformance von +10,8%. Unter den besonderen Umständen einer Gesundheitskrise sahen sich die Anleger aufgrund der Stabilität der Erträge und der Immobilienwerte sowie des Mangels an Anlagealternativen erneut veranlasst, in «Stein» zu investieren – mit dem Ergebnis, dass das Agio Ende 2020 bei über 40% und damit deutlich über dem historischen Durchschnitt von 20% lag, und dies, obwohl es im März noch nahe diesem Durchschnitt gelegen hatte. Dieses hohe Agio ist umso beeindruckender, als das Angebot im letzten Jahr mit Kapitaltransaktionen im Umfang von mehr als 5 Milliarden Franken hoch war.

 

Das Jahr 2020 war auch das Jahr der grossen Unterschiede – nicht nur bei den Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus, sondern auch bei der Höhe der Agios. Die Anleger waren vor allem auf der Suche nach Stabilität und Vorhersehbarkeit, weshalb Fonds, die in erster Linie auf Wohnimmobilien ausgerichtet sind, bevorzugt wurden. So weisen von den zwanzig Fonds mit den höchsten Agios nur zwei einen Schwerpunkt auf Geschäftsimmobilien auf (siehe Grafik). Die Agiodifferenz zwischen diesen beiden Arten von Fonds liegt im Durchschnitt bei über 20%. Zudem ist eine markante Prämie für die grössten Fonds festzustellen: Auch die Grösse und implizit die Liquidität sind wichtige Parameter, welche die Agiounterschiede erklären.
 

Die derzeit hohen Agios spiegeln somit eine starke Nachfrage nach Immobilienanlagevehikeln wider, die in einem Negativzinsumfeld von einem stabilen und sicheren Strukturrahmen profitieren. Vor diesem Hintergrund wird die Fähigkeit der Manager, Leerstandsprobleme zu antizipieren, entscheidend sein, um stabile Erträge zu erhalten.

Jonathan Martin, Senior Manager
 Edmond de Rothschild REIM (Suisse)


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Erschien in der Zeitung „24 heures“ vom Mittwoch, 17. Februar 2021, in Zusammenarbeit mit COPTIS


 
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