Nach der Pandemie: Welche nachhaltigen Veränderungen für die Immobilienbranche?

24/05/2022

Immoday

Olivier Toublan

3 Min

 

Immobilienmonitoring 10, Mai 2022, Immoday

 

Nach der Pandemie und im Zuge der neuen Arbeitsgewohnheiten wenden sich Wohneigentümer von kleinen Wohnungen ab und weichen auf Gemeinden in der Nähe der grossen Zentren oder sogar aufs Land aus. Doch der Mangel wartet bereits, denn dort sind Bauzonen knapp. Die Folge: Die Preise steigen fast überall.

 

Über die Umbrüche, die die Pandemie im Immobiliensektor mit sich bringen würde, wurde viel geschrieben. Zwei Jahre später scheint klar zu sein, was sich verändert hat. In der neuesten Ausgabe von Immobilia, der Zeitschrift des SVIT, setzen sich zwei Artikel mit dem Thema auseinander: der von Ines von der Ohe, Leiterin Forschung und Marktanalyse bei CSL Immobilien, und der von Fredy Hasenmaile, Leiter Immobilienanalyse bei Credit Suisse. Im Folgenden ein Überblick in zehn Punkten.

 

1. Nachhaltig veränderte Bedürfnisse

 

Da die Arbeit im Homeoffice auch nach der Pandemie dauerhaft Teil unseres Alltags sein wird, werden sich auch die Bedürfnisse in Bezug auf Wohnraum nachhaltig verändern. Grund dafür ist das Platzproblem, das der Einzug des Heimbüros in vielen Haushalten mit sich gebracht hat. Infolgedessen stieg der Wunsch nach mehr Platz und besserer Lebensqualität – grüne oder zumindest gut belüftete Bereiche, separate Arbeitsräume, eine bestimmte Raumgestaltung etc.

 

2. Eigentum ist nach wie vor beliebt ...

 

Die veränderten Ansprüche an den eigenen Wohnraum haben seit Beginn der Pandemie zu einem Anstieg der Nachfrage nach Immobilien geführt. Denn Eigentum bedeutet in der Regel mehr Platz und eine höhere Lebensqualität, Gestaltungsfreiheit und private Aussenbereiche. Und diese Entwicklung wurde durch historisch sehr attraktive Finanzierungsmöglichkeiten noch gestützt.

 

3. ... Aber es wird unerreichbar ...

 

Bei Wohneigentum ist eine besonders hohe Nachfrage nach grossen Objekten zu beobachten, was eine der Auswirkungen der zunehmenden Heimarbeit ist. Auf der Angebotsseite verzeichnet der Markt einen Rückgang um etwa ein Drittel seit Ende 2019 und wirkt ausserordentlich ausgetrocknet. Und die Zahl der zum Verkauf stehenden Objekte dürfte weiterhin sinken, das Preiswachstum, das seinen Höhepunkt erreicht hat, jedoch anhalten. Mit der Folge, dass Wohneigentum für immer mehr Haushalte unerreichbar wird.

 

4. ... Bei einer Verknappung des Angebots ...

 

Während die Nachfrage steigt, bleibt es auf der Angebotsseite nach wie vor sehr ruhig. Bauland ist kaum verfügbar und die Investoren haben sich auf die Entwicklung von Renditeobjekten konzentriert. Ausserdem verzögerte die Pandemie vielerorts die Erteilung von Baugenehmigungen, was zu der derzeitigen Angebotsknappheit beigetragen hat. Dies wiederum führte zu einem Anstieg der Preise für Eigentumswohnungen in der gesamten Schweiz.

 

5. ... Insbesondere in den grossen Zentren

 

In den grossen städtischen Zentren ging das Angebot stärker zurück als im Schweizer Durchschnitt. In Zürich wurden 20 % weniger Wohnungsanzeigen im Vergleich zum gleichen Halbjahr des Vorjahres geschaltet. In der Folge stiegen die Preise um 8,6 % und erreichten mit durchschnittlich rund 14 100 Franken pro Quadratmeter Schweizer Rekordwert. Die starke Nachfrage spiegelt sich auch in der Anzeigendauer wider, die auf 21 Tage zurückging.

 

6. Kleine Wohnungen sind weniger gefragt

 

Wegen des Homeoffice werden vor allem grosse Objekte gesucht, während das Interesse an 1- bis 2,5-Zimmer-Wohnungen deutlich gesunken ist. Folglich ist die Zahl der kleinen leerstehenden Wohnungen gestiegen. Paare ziehen kaum noch in eine 2,5-Zimmer-Wohnung, sondern suchen eher nach einer Wohnung mit mindestens 3,5, wenn nicht sogar 4,5 Zimmern, sofern dies finanziell machbar ist. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in den Zahlen wider: Im Kanton Zürich machen 1- bis 2,5-Zimmer-Wohnungen 27 % der leerstehenden Wohnungen aus (22 % waren es im Jahr 2020 und 20 % im Jahr 2019).

 

7. Die Mikrolage macht den Unterschied

 

Je nach Verkehrsanbindung, Lärmbelastung, Nähe zu Grünflächen und Charakter der Siedlung kann die Nachfrage nach Gebäuden, die nur 100 bis 200 Meter voneinander entfernt liegen, jeweils eine andere sein. Insbesondere im hochpreisigen Segment, wo Wohnungen mit attraktiven Grundrissen, besonderen Ausstattungsmerkmalen oder gehobenen Küchen gefragt sind. Auch ökologische Kriterien wie die Verwendung von nachhaltigen Baumaterialien, Photovoltaik und Geothermie oder Parkplätze für Elektrofahrzeuge werden sehr geschätzt.

  

8. Wohnen auf dem Land wird immer attraktiver

 

Verschiedene Indikatoren des Immobilienmarktes deuten auf eine Verschiebung der Nachfrage nach weniger zentralen Lagen und grösseren Wohnungen hin, auch wenn die Zentren weiterhin von der internationalen Zuwanderung profitieren. Wovon wiederum sowohl die an die grossen Zentren angrenzenden Gemeinden als auch die ländlichen Gegenden in deren Einzugsgebiet profitieren. Im Ergebnis dürfte die Kluft zwischen Stadt und Land auf dem Immobilienmarkt kleiner werden.

 

9. Immer weniger Bauland

 

Die Revision der Raumplanung schlägt sich immer mehr in der Knappheit an Bauland nieder, da die Verdichtung den Rückgang der Baulanderschliessung nicht kompensieren kann. Die abnehmende Bautätigkeit und die durch die Pandemie verstärkte Nachfrage führen zu einem Rückgang der Leerstandsquote und einer kürzeren Vermarktungsdauer. Und solange die Problematik der Verdichtung nicht gelöst ist, ist ein weiterer Rückgang der Leerstände und ein Aufwärtsdruck bei den Mieten zu erwarten.

 

10. Die Pandemie hat den Markt für Zweitwohnungen wiederbelebt

 

 Nach Jahren der Preisstagnation oder gar des Preisrückgangs zeichnet sich auch auf dem Zweitwohnungsmarkt ein Preisauftrieb ab. Und das bei einem gleichzeitig spürbaren Rückgang des Angebots, was eine Spätfolge des Trends zur Zweitwohnung ist. Der Blick auf die Statistiken zeigt, dass sich das Angebot bei dieser Art von Wohnungen seit 2018/2019 fast halbiert hat.
 

Olivier Toublan für Immoday