Mieter zahlen wieder weniger als Eigentümer

11/07/2022

Immoday

Olivier Toublan

4 Min

 


Als Folge des erneuten Anstiegs der Hypothekarzinsen ist es aus finanzieller Sicht wieder attraktiver, Mieter statt Eigentümer zu sein. Eine Trendwende, die anhalten dürfte. Dennoch dürfte dies keine grossen Konsequenzen für die Nachfrage nach Wohnraum oder die Stabilität des Marktes haben.


Mit dem Wiederanstieg der Zinssätze und damit auch der Hypothekarzinsen erlebt die Immobilienbranche eine Trendwende:  Zum ersten Mal seit dreizehn Jahren «müssen Käufer von Wohneigentum bei Aufnahme oder Verlängerung einer Hypothek wieder mehr zahlen als für vergleichbaren Mietwohnraum», so eine jüngst erschienene Studie der Credit Suisse.

Wie die Experten der Bank errechnet haben, «mussten Eigentümer im ersten Quartal 2022 eine Prämie von 3,1 % für Wohneigentum zahlen», wohingegen sie im Vorjahr, Anfang 2021, «noch von einem durchschnittlichen Nachlass für Eigentum von 15,5 % profitiert hatten». 

Diese Trendwende, die sich laut Thomas Rieder, dem Autor der Studie, fortsetzen dürfte, kommt nicht wirklich überraschend. Sie ist die Folge des massiven Anstiegs der Hypothekarzinsen in Kombination mit weiter steigenden Immobilienpreisen. «Die fünfjährige Festhypothek ist seit 2021 von 1,1 % zum Ende des ersten Quartals 2022 auf knapp 2 % geklettert.» Und genau bei diesem Niveau liegt aktuell der Umkehrpunkt.
 

Der aktuelle Umkehrpunkt: ein Hypothekarzins von 2 %


Bei ihren Berechnungen legten die Experten der Credit Suisse die inserierten Immobilienpreise und die Mieten für eine bestehende 4,5-Zimmer-Wohnung mit einer Fremdfinanzierung von 80 % und einer fünfjährigen Festhypothek zugrunde. «Nach unserer Schätzung betrugen die jährlichen Gesamtkosten für eine Eigentumswohnung 23'128 Franken. Im gleichen Zeitraum belief sich die Jahresmiete einer gleichgrossen Mietwohnung auf 22'440 Franken.»

Der rasante Kostenanstieg für Eigentümer ist hauptsächlich auf die Hypothekarzinsen zurückzuführen, die sich im 1. Quartal 2022 auf 10'966 Franken beliefen. «Das entspricht einem Anstieg von 45 % seit Anfang 2021.» Hinzu kommen alle Kosten, die der Eigentümer ebenfalls zu tragen hat. «1 % des Immobilienwerts muss für den Unterhalt eingerechnet werden, was die Kosten für Wohneigentum um 9'078 Franken erhöht. Nicht zu vergessen die steuerlichen Aspekte, Opportunitätskosten in Form von Anlagealternativen für Eigenkapital, Risiken wie das Klumpenrisiko oder eine kurzfristige Illiquidität der Immobilie, aber auch die Wertschöpfungsmöglichkeiten durch eine langfristige Neubewertung des Grundstücks», führt die CS auf. «Berücksichtigt man alle diese Faktoren, belaufen sich die Gesamtkosten für das oben genannte Eigentum schon auf 23'128 Franken», schlussfolgern die Experten der Credit Suisse.
 

Der Unterschied wird weiter zunehmen


Diese Situation – Mieter, die weniger zahlen als Eigentümer – ist weder neu noch aussergewöhnlich. Sie war sogar vor dem durch die Finanzkrise 2008 ausgelösten Zinssturz und dem damit einhergehenden Rückgang der Hypothekarzinsen normal. «Historisch betrachtet, musste man für Wohneigentum meistens eine Prämie zahlen. Und diese lag zwischen 1993 und 2008 durchschnittlich bei 29 %», erinnert sich Thomas Rieder. 

Zwar ist diese Prämie derzeit recht niedrig, doch dürfte sie in den kommenden Monaten steigen, da die Hypothekarzinsen im 2. Quartal wieder angezogen haben. «Wir erwarten in den nächsten zwölf Monaten einen weiteren moderaten Anstieg, doch der durchschnittliche Zinssatz im zweiten Quartal wird den des Vorquartals übertreffen.» Nach den Berechnungen der Ökonomen der Credit Suisse wird sich die Prämie für Eigentum auf fast 10'000 Franken pro Jahr belaufen (bei unveränderten Immobilienpreisen und Mieten), sollten die Hypothekarzinsen auf 3 % steigen – was bei 15-jährigen Festhypotheken heute schon fast der Fall ist. Und sie wird auf über 20'000 Franken ansteigen, wenn die Hypothekarzinsen wieder auf 5 % klettern. 
 

Kein Rückgang der Nachfrage nach Immobilien


Diese Eigentumsprämie bedeute jedoch nicht, so fügt der Ökonom der Credit Suisse sofort hinzu, dass die Nachfrage nach Immobilien sinken werde. Seiner Meinung nach sind Käufer in der Regel damit einverstanden, diese Prämie zu zahlen, da Eigentum immer noch als Privileg angesehen wird, weil es beispielsweise grössere Möglichkeiten zur individuellen Gestaltung des eigenen Wohnraums bietet. Home sweet home.

Die Experten der Credit Suisse erkennen jedoch an, dass die mittlerweile höheren realen finanziellen Belastungen einige Interessenten abschrecken dürften, was die Nachfrage nach Wohneigentum bremsen dürfte. «Da jedoch die Bauaktivitäten zurückgehen und nur sehr wenige Objekte auf dem Markt verfügbar sind, gehen wir davon aus, dass es weiterhin eine überhöhte Nachfrage geben wird und die Immobilienpreise weiter steigen werden.»
 

Auch keine Immobilienkrise in Sicht 


Für die meisten jetzigen Eigentümer, die sich für eine Festhypothek entschieden haben (82 % des gesamten Hypothekarvolumens in der Schweiz), wird sich jedoch kurzfristig nicht viel ändern.  «Viele Haushalte dürften daher über mehrere Jahre feste Hypothekarzinsen zahlen und noch eine Zeit lang von den niedrigen finanziellen Kosten für ihr Eigenheim profitieren.» 

Und ist in der Zukunft, wenn die Hypotheken erneuert werden müssen, mit einer Krise zu rechnen? Die Ökonomen der Credit Suisse sind da zuversichtlich. «Im Allgemeinen sind die jetzigen Eigentümer gut vorbereitet. Je nach Bonitätsberechnung der Banken können sie einen Zinssatz von 4,5 % oder 5 % verkraften. Hinzu kommt seit einigen Jahren die verschärfte Amortisationsregelung, die auf eine Senkung des Belehnungssatzes von 80 % auf 66,7 % innerhalb von 15 Jahren abzielt. Daher sollten steigende Hypothekarzinsen für die überwiegende Mehrheit der Eigentümer grundsätzlich kein Problem darstellen.»
 

Olivier Toublan, Immoday