'COVID-19'-Interview - Jean-Yves Rebord, Partner in der Anwaltskanzlei Python und Spezialist für indirekte Immobilien

25/11/2020

Immoday

Redaktion

4 min

Zu dem heutigen "COVID-19"-Interview begrüssen wir Jean-Yves Rebord, Partner in der Anwaltskanzlei Python und Spezialist für indirekte Immobilien.

 

Herr Rebord, wie geht es Ihnen und wo befinden Sie sich momentan?

Es geht mir sehr gut, danke. Derzeit befinde ich mich in meinem Büro in der Wirtschaftskanzlei Python in Sitten.
 

Können Sie uns uns kurz etwas über sich selbst und Ihre Arbeit erzählen?

In der Kanzlei bin ich Partner und leite ein kleines Team.
 

Im Privatleben bin ich glücklicher Familienvater. Mit meiner Ehefrau bin ich seit 20 Jahren zusammen. In «normalen» Zeiten treibe ich auch Sport, was seit einigen Monaten jedoch etwas schwieriger ist.
 

Unser Unternehmen spielt seit rund zehn Jahren eine wichtige Rolle in der Branche der indirekten Immobilienanlagen. Es begleitet viele neue Akteure, die seit 2008 entstanden sind. Wir strukturieren die Vorhaben so, wie es notwendig ist, um die erforderlichen Bewilligungen der FINMA zu bekommen. Ohne die Beratung von Anwälten könnte sich die Branche der indirekten Immobilienanlagen nur sehr schwer weiterentwickeln.
 

Wie haben Sie sich angesichts der Coronakrise organisiert?

Wir haben sehr rasch – noch vor dem Beschluss des Bundesrates vom 14. März – Homeoffice für alle Mitarbeitenden eingeführt. Alle Partner – also auch ich – haben ein eigenes Büro in der Kanzlei. Deshalb haben wstairs-4947001.jpgir nur sehr selten von zuhause aus gearbeitet, konnten doch die Abstandsregeln leicht eingehalten werden. Danach haben wir an alle Mitarbeitenden mehrere Empfehlungen herausgegeben, darunter ein Verbot, zur Arbeit zu kommen, wenn bei Fieber oder Symptomen kein Test durchgeführt werden konnte. Die gemäss Bundesrat besonders gefährdeten Personen wurden systematisch von den Büros ferngehalten, insbesondere die wenigen Personen über 60 Jahre.
 

Wie wird sich diese Krise Ihrer Meinung nach auf die Immobilienbranche und die Branche der indirekten Immobilienanlagen im Allgemeinen und auf Ihre Tätigkeit im Besonderen auswirken?

Auf meine Tätigkeit hat sich die Krise kaum ausgewirkt, abgesehen davon, dass in den ersten Tagen nach dem Bundesratsratsbeschluss die Geschäfte stark eingebrochen sind. Diese haben sich jedoch schnell wieder erholt. Wir sind praktisch wieder auf dem Niveau von Anfang Jahr bis Februar. Dies lässt sich dadurch erklären, dass der Geschäftsgang bewilligter Vehikel einen relativ starren Terminplan hat, der selbst in Pandemiezeiten nur schwer geändert werden kann. Ich denke hier an all die Verwaltungsratssitzungen, die Revisionsberichte und an einige Immobilienkäufe, die schon vorher geplant waren. Kurz gesagt: Meine Tätigkeit hat sich – abgesehen von den ersten Tagen dieser Krise – nicht geändert.

 

Stellen indirekte Immobilienanlagen heute einen Fluchtwert dar?

Meiner bescheidenen Juristenmeinung nach sind indirekte Immobilienanlagen schon seit Jahren ein Fluchtwert, was in erster Linie auf das anhaltende Tiefzinsumfeld zurückzuführen ist. Mit der Krise wird sich dieser Trend noch verstärken. Der Aktienmarkt ist unglaublich volatil, die Obligationenrenditen sind so tief wie nie zuvor. Immobilien und einige alternative Anlagen sind insbesondere für die Pensionskassen praktisch die einzige Möglichkeit, ihre Vermögen bestmöglich zu verwalten.
 

Wie schätzen Sie die Perspektiven für die Branche per 31. Dezember 2020 ein?

Ich möchte kurz darauf eingehen, wie sich die Covid-Krise auf die indirekten Immobilienanlagen ausgewirkt hat.
 

Vor der Krise waren die Agios der kotierten Immobilienfonds und -SICAV sehr hoch, so hoch wie nie zuvor. Dies hat zu einer ungewöhnlich hohen Volatilität dieser Titel geführt. In der Krise sind diese Agios innerhalb weniger Wochen dahingeschmolzen. Dadurch steigt die Korrelation dieser Immobilientitel mit den Aktien, was nicht unbedingt gut ist. Dies ist ein relativ neues Phänomen, da diese Immobilienfonds häufig gerade wegen ihrer Dekorrelation von den Marktschwankungen gewählt werden.

In den sogenannten offenen Fonds, d. h. für welche es einen Nettoinventarwert (NIW) gibt und die eine Schwelle für den Rücknahmepreis festlegen können, schaffen diese NIW Widerstände an der Börse, die funktionieren. Nur bei sehr wenigen offenen Immobilienfonds ist der Kurs unter den NIW gefallen, was ein wichtiger Indikator ist und in der Folge interessante Perspektiven eröffnet. Man sieht, dass die Titel ihren NIW halten können, auch wenn sie an der Börse kotiert sind.
 

Ich gebe keine Prognose für die Branche per 31. Dezember ab, denke aber, dass diese Faktoren (die Korrelation zwischen den Produkten mit hohen Agios und den Aktien sowie der NIW-bedingte Widerstand der offenen Fonds) bei den Auswahlkriterien für Immobilienprodukte einen grösseren Platz einnehmen könnten und eine neue Perspektive darstellen. 
 

Gibt es besondere Risiken oder – im Gegenteil – Chancen?

Bei Geschäftsimmobilienfonds, die sich zahlreichen Herausforderungen stellen müssen, wird es sicherlich Chancen geben. Dies ist angesichts dessen, was man über die laufenden Verhandlungen über die Mietzahlungen für bestimmte Geschäftsimmobilien hört, eine lapidare Tatsache. Wahrscheinlich wird es in diesem Bereich zu einem Umdenken kommen.

Bei den Wohnimmobilien hingegen lässt sich ein sehr grosser Widerstand feststellen. Die Einzugsquote für die Mieten Ende April lag bei 95–96%, es gab also praktisch keine Veränderung gegenüber den üblichen Leerstandsquoten.
 

Die Risiken für die Geschäftsimmobilien sind dieselben wie bereitsshutterstock_526689706 (1) (1).jpg vor der Covid-Krise. Allerdings werden sie sich verschärfen, da weniger Mittel zur Verfügung stehen werden. Zur Erfüllung der ESG-Kriterien, auf welche die Pensionskassen immer stärker achten, und zur Verwirklichung der CO2-Ziele, die sich der Bundesrat gesetzt hat, werden mittelfristig enorme Investitionen erforderlich sein. Dort sehe ich spezifische Risiken, die derzeit entstehen.
 

Immobilienfonds, die Kapitalerhöhungen geplant haben, werden nach der Covid-Krise neue Expertisen zur Ermittlung des NIW durchführen müssen. Die Gutachten, die per 31. Dezember 2019 angefertigt wurden, werden für dieses Jahr wohl kaum mehr aktuell sein und werden neu durchgeführt werden müssen.
 

Auf regulatorischer Ebene setzt die FINMA bereits seit einigen Jahren den Schwerpunkt auf Stresstests. Mit der Covid-Krise wird sich dieser Trend nur noch verstärken. 
 

Und was ändert sich für Sie persönlich durch diese Krise?

Ich denke, dass wir nun etwas häufiger Telefonkonferenzen abhalten werden, auch wenn dieses Instrument nicht ideal ist und nicht in jedem Fall eingesetzt werden kann. Es gibt Sitzungen, bei denen es nicht notwendig ist, sich physisch zu sehen. So werden wir etwas weniger reisen müssen und recht viel Zeit sparen.
 

In meinem Privatleben wird sich, so denke ich, wie bei den meisten Schweizerinnen und Schweizern nicht viel ändern, es sei denn, es kommt zu einer zweiten Pandemiewelle, die schwerer verläuft als die erste.

Immoday - Befragt von Marc-Henri Bujès am 14. Mai 2020