Tokenisierung – zusätzliche Ertragsquelle für Fonds

04/05/2022

Immoday

Olivier Toublan

5 Min

 

Die Tokenisierung von Immobilienfonds steckt noch in den Kinderschuhen. Die technischen Voraussetzungen sind indes gegeben, aber es gilt noch viele rechtliche Herausforderungen zu bewältigen, um den Akteuren mehr Flexibilität einzuräumen. Für die Fondsverwalter ist das Potenzial beträchtlich, denn sie haben so die Möglichkeit, den Sekundärmarkt zu kontrollieren.

 

Die Tokenisierung von Immobilienfonds ist eine Finanzinnovation, die zwar noch in den Kinderschuhen steckt, aber sehr verheissungsvoll ist. Die technischen Voraussetzungen sind gegeben, aber es gilt noch viele rechtliche Herausforderungen zu bewältigen. So muss der Rechtsrahmen rasch angepasst werden, um die Innovation nicht zu bremsen.

 

Fortsetzung unseres Gesprächs mit Mathieu Cottin, Head of Sales von Tokeny, einem luxemburgischen Softwareunternehmen, das sich auf diese neue Finanztechnologie spezialisiert hat.

 

Mathieu Cottin, was sind die grössten technischen Herausforderungen der Tokenisierung? 
 

Die technischen Voraussetzungen sind gegeben. Die Zukunft wird noch viele Herausforderungen mit sich bringen, doch schon jetzt sind diese Technologien ausgereift und sind bestens dazu geeignet, die Funktionsweise der Finanzmärkte deutlich zu verbessern.

 

Es müssen aber noch rechtliche und regulatorische Herausforderungen bewältigt werden?  
 

In der Tat. Der Rechtsrahmen für die Emission und Verwaltung von Finanzprodukten ist in Bezug auf den Anlegerschutz recht gut, der Status der Akteure in der Wertschöpfungskette hingegen ist nicht optimal. Mit dem Aufkommen dieser neuen Finanztechnologie muss dieser Status rasch überarbeitet und angepasst werden, um die Innovation nicht zu bremsen.

 

Das heisst? 
 

Die Vorschriften zu den Finanzakteuren und zu den Handelsplätzen für Finanzanlagen müssen sich weiterentwickeln. Zum Beispiel die Bedingungen für den Erhalt einer Lizenz für den Handel mit Finanzanlagen in der Blockchain, die Bedingungen für das Listing der Token oder die Anforderungen der Banken für die Eröffnung von Konten für die Ausgabe von Token.

 

Mit der Nutzung der Blockchain werden die derzeit gesetzlich festgelegten Pflichten sehr oft hinfällig. Den Akteuren muss also mehr Flexibilität eingeräumt werden, da die operationellen Risiken heute völlig anders sind. Unsere Kunden und ihre Partner finden sich derzeit allzu oft in einer Situation wieder, in der die Regulierungsbehörden von ihnen verlangen, mit ihrem Ferrari nicht schneller als 30 km/h zu fahren.

 

Bisher haben wir nur über Immobilienanlagefonds gesprochen, doch ist es möglich, Immobilien direkt – also nicht über einen Fonds – zu tokenisieren?

 

Theoretisch können alle Anlagen tokenisiert werden. Allerdings ist die Tokenisierung nicht immer von Nutzen. Bei Immobilien gibt es immer einen rechtlichen Rahmen, der eingehalten werden muss, um eine Handänderung zu validieren. Mit anderen Worten: Wird eine Immobilie direkt tokenisiert, findet mit der Token-Übertragung nur dann eine Handänderung statt, wenn ein rechtlich befugter vertrauenswürdiger Dritter – z. B. ein Notar – diese Übertragung ebenfalls validiert. Zudem muss die Handänderung im Grundbuch eingetragen werden.

 

Gibt es bereits befugte vertrauenswürdige Dritte? 
 

Die Diskussionen laufen, aber ich kenne weder einen Notar noch eine staatliche Stelle, die sich bereit erklärt hätte, die Rolle des «Validators» in der Blockchain zu übernehmen. Es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, doch alle Projekte zur Tokenisierung von Immobilienanlagen, die wir bislang gesehen haben, laufen über zwischengeschaltete Vehikel. Dann ist es einfacher, Treuhänder oder Stellen zu finden, die rechtlich befugt sind, diese Handänderungen in der Blockchain zu validieren.
 

 

Wie hoch sind die Kosten eines tokenisierten Immobilienfonds im Vergleich zu einem herkömmlichen Fonds? 
 

Was die Emissionsphase (Primärmarkt) betrifft, ist es einfach: Die Kosten sind praktisch dieselben. Hinzurechnen müssen Sie die Kosten für die Tokenisierung, unter anderem um den Anbieter Ihrer technologischen Lösungen zu bezahlen. In dieser Hinsicht ist eine tokenisierte Emission am Primärmarkt ganz eindeutig immer noch teurer als eine klassische Emission.

 

Ganz anders sieht es bei den Kosten nach der Emission aus: Alle operativen Aspekte, die von den Akteuren der Wertschöpfungskette durchgeführt werden können, erfolgen nicht nur schneller, sondern sind auch viel billiger.

 

Ist ein tokenisierter Fonds auch liquider? 
 

Von Liquidität rede ich derzeit ungern. Es gibt keine Zauberlösung, um Investoren zu finden. Mit unseren Lösungen kann indes die Übertragbarkeit verbessert werden. So muss ein Token-Verkäufer nicht zwei Monate warten, bis er eine Gegenpartei gefunden hat, einen weiteren Monat, bis die Anwälte die für die Handänderung erforderlichen Dokumente eingereicht haben, und noch ein paar Wochen, bis die Transferstelle die Transaktion validiert hat.

 

Mit einem Token, bei dem alle Bedingungen bereits vorerfasst sind, und mit Gegenparteien, die bereits validiert sind, wird die Transaktion mit wenigen Klicks, also sofort, abgewickelt.

 

Dank der Übertragbarkeit können Sie Ihre Vermögenswerte leichter als Sicherheit hinterlegen, um beispielsweise einen Kredit aufzunehmen. Allerdings muss noch deren Wert bestimmt werden. Diese VaaS-Dienstleistung (Valuation as a Service) erbringt unser Aktionär Inveniam.

 

Wie wird der Token nach dem Erwerb aufbewahrt, insbesondere auf sehr lange Sicht? 

 

Ganz einfach in einem Wallet. Ich sage unseren Kunden immer: Wenn Sie Token ausgeben wollen, bringen Sie Ihren Anlegern zuerst bei, wie man ein Wallet nutzt. Diese sind mittlerweile sehr benutzerfreundlich, z. B. institutionelle Wallets, die unser Partner Fireblocks anbietet.

 

Und was machen die Anleger, die auf keinen Fall ein eigenes Wallet nutzen wollen? 
 

Sie können auch von Dritten verwaltete Wallets verwenden. Diese müssen in Europa aber erst noch reguliert werden. In diesem Fall genügt eine E-Mail, ein Passwort und ein zweiter Identifizierungsfaktor, um sich mit einer Anlegerplattform zu verbinden, auf der man die eigenen Token über eine klassische Webschnittstelle verwalten kann. Ein Kinderspiel.

 

Eines muss man verstehen: Bei «Security Tokens» sind die Risiken nicht dieselben wie bei Kryptowährungen wie Bitcoin. Wie ich bereits erklärt habe, sind «Security Tokens» «permissioned», was bedeutet, dass – wenn ein Anleger den Zugang zu seinem Wallet verliert – der Emittent, der den Master Key verwaltet, mit welchem der Smart Contract des Tokens kontrolliert wird, eine Übertragung vom verlorenen Wallet auf das neue Wallet des Investors erzwingen kann. Der Emittent führt stets ein Register mit den Daten der Anleger, das mithilfe der Blockchain-Technologie auf dem aktuellen Stand gehalten wird. Also kein Risiko.

 

Wie kann in der Folge ein Markt und somit Liquidität für diese Token geschaffen werden? 

 

Der Marktplatz ist die Blockchain. In dieser werden die Preise für die Transaktionen direkt von den Verkäufern und Käufern ausserbörslich festgelegt. Die Compliance-Regeln lassen sich über Smart Contracts und dank der Tatsache, dass «Security Tokens» «permissioned» sind, leicht automatisieren. Die Token können also nur auf Wallet-Adressen übertragen werden, die Anlegern gehören, die vom Emittenten als solche qualifiziert wurden.

 

Sie haben auch von zusätzlichen Erträgen für die Emittenten gesprochen. 
 

In der Tat. Mithilfe der Blockchain können die Emittenten nun die Kontrolle über den Sekundärmarkt erlangen. Sie können beispielsweise bestimmen, wer Token kaufen darf, und festlegen, zu welchen Bedingungen die Transaktion zu erfolgen hat.

 

Dank dieser Kontrolle könnten sie im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten auch neue Einnahmequellen erschliessen, z. B. indem sie ein Bulletin Board bereitstellen, welches die Verkäufer und Käufer sichtbarer macht. Sie könnten dann eine Gebühr für die Veröffentlichung der Kauf- oder Verkaufsangebote auf diesem Bulletin Board, eine Transaktionskommission oder sogar eine Gebühr für den Zugang zur Plattform, auf der die Token gehandelt werden, verlangen. 

 

Noch eine letzte Frage: Sind die Anleger wirklich an dieser neuen Finanztechnologie interessiert? 

 

Ja, ich finde, dass sie interessiert, neugierig und wirklich lernwillig sind, auch wenn sich die meisten noch nicht so richtig trauen.

 

Ich bin überzeugt, dass die neue Generation nur über solche digitalen Tools, die leicht zu bedienen, billig und schnell sind, investieren wird. Es ist also nur eine Generationenfrage, bis die Tokenisierung von Finanzanlagen zu einer Selbstverständlichkeit wird.

 

Mathieu Cottin, Head of Sales de Tokeny, interviewt von Olivier Toublan